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Über eine seit 45 Jahren bestehende kulturpolitische Initiative informiert MANFRED MUGRAUER.

Der KPÖ geht es in ihrer Kulturpolitik vor allem darum, Ansätze einer – von Lenin so bezeichneten – »zweiten Kultur« zu stärken, die der herrschenden kapitalistischen Kultur eine emanzipatorische entgegensetzt. Heutige Beispiele einer kontinuierlichen Kulturarbeit im Umfeld der KPÖ, die sich einem solchen Ansatz verpflichtet fühlen, sind etwa der Bildungsverein der KPÖ Steiermark, das Kulturcafé 7Stern, das Werkl im Wiener Goethehof, der Verein LIBIB in Linz oder die Galerie Mitte in Krems.

Eine wichtige kulturpolitische Initiative der KPÖ ist die AutorInnenlesung »Linkes Wort«, die seit 1975 alljährlich am Volksstimmefest, dem traditionellen Pressefest der KPÖ, im Wiener Prater stattfindet. In den 1970er Jahren, als die Alternativkultur einen Aufschwung erlebte, war die KPÖ für eine wachsende Zahl fortschrittlicher Intellektueller und KünstlerInnen attraktiv geworden. Zahlreiche Kulturschaffende engagierten sich damals in oder für die Partei. Anlässlich der Nationalratswahlen im Oktober 1975, wenige Wochen nach dem ersten »Linken Wort« am Volksstimmefest, unterzeichneten 77 Kulturschaffende einen Aufruf, für die KPÖ zu stimmen.

Die Initiative zum »Linken Wort« ging vom damaligen KPÖ-Politiker Ernst Wimmer aus, der großes Interesse an kulturpolitischen Fragen zeigte und in mehreren Beiträgen über das Verhältnis von Kultur und ArbeiterInnenbewegung reflektierte. Das »Linke Wort« war eines von mehreren erfolgreichen Projekten der KPÖ, einen alternativen und demokratischen Kulturbetrieb zu forcieren.

In den 1970er und 1980er Jahren organisierte der Lyriker und Schriftsteller Arthur West das »Linke Wort«, das ab 1981 auf der nach Jura Soyfer benannten Bühne stattfand. Unter den beteiligten AutorInnen fanden sich so bekannte Namen wie Elfriede Jelinek, Marie-Thérèse Kerschbaumer, Michael Scharang, Peter Turrini und Helmut Zenker. Die meisten der dort präsentierten Beiträge waren auf Themen der Arbeitswelt und auf Alltagserfahrungen im Sinne eines kritischen Realismus ausgerichtet. 1985 wurde von Arthur West der Sammelband »Linkes Wort für Österreich« herausgegeben, der Beiträge von 80 AutorInnen mehrerer Generationen versammelte und einen repräsentativen Einblick gab in das literarische Schaffen des »anderen Österreich«.

Heute sind bei den auf der Sigi-Maron-Bühne stattfindenden Lesungen sowohl etablierte SchriftstellerInnen als auch NachwuchsautorInnen vertreten, die verschiedene Textsorten wie etwa Gedichte, Essays, Kurzprosa oder Auszüge aus Romanen präsentieren. In den letzten Jahren waren etwa Ruth Aspöck, Manfred Chobot, Josef Haslinger, Mieze Medusa, Erwin Riess, Eva Schörkhuber, Richard Schuberth, Julian Schutting, Rolf Schwendter und Marlene Streeruwitz beteiligt, um nur einige der beim »Linken Wort« lesenden AutorInnen zu nennen.

Die Lesungen der Jahre 1998 bis 2002 bzw. 2008 bis 2019 wurden im Globus-Verlag als Anthologien veröffentlicht (sie sind zum Preis von 12 bzw. 14 Euro über bestellung@ linkes-wort.at zu beziehen). Als Herausgeber fungierten die Organisatoren Helmut Rizy (bis 2002), Roman Gutsch (bis 2011) und Christoph Kepplinger-Prinz (seit 2008). Jeder Band wird durch eine Titelgrafik, etwa von Alfred Hrdlicka, Helmut Kurz-Goldenstein, Othmar Wundsam oder David Lipp, geschmückt. Auch am diesjährigen Volksstimmefest, das am 5. und 6. September stattfindet, werden an beiden Tagen im Rahmen des »Linken Worts« Prosatexte und Lyrik vorgetragen.

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In Corona-Zeiten, wie so oft in der Krise, werden Probleme zugespitzt und damit kenntlich. So auch das mangelnde Bewusstsein der Bedeutung von Kunst und Kultur, wenn nicht gar ihre Missachtung.

Eine Miszelle* von DANIELA HAMMER-TUGENDHAT.

Österreich gilt als Kulturland. Die österreichische Kunst und Kultur, genannt seien nur die Musik, die Festspiele z. B. in Salzburg, Oper und Theater, gehören zu den wichtigen Gründen für einen Österreich-Besuch. Die Kunst verkommt dabei nicht selten zu einem bloßen Marketing-Gag für TouristInnen, man denke an die Konzert-Keiler im Mozart-Look. Das Bewusstsein von der gesellschaftlichen Bedeutung der Kunst bleibt dabei auf der Strecke. Kunst ist ein Lebensmittel, eine Notwendigkeit für eine lebendige Gesellschaft.

In der Corona-Krise wurde deutlich, wie KünstlerInnen und Kunst- und Kulturinstitutionen vernachlässigt werden. Das lag nicht nur am mangelnden Verständnis und der fehlenden Kommunikation von Ulrike Lunacek und Werner Kogler; das ist ein tiefergehendes und übergreifendes Problem, das alle Parteien betrifft.

Fragen des Lebens

Die Funktion von Kunst ist vielfältig, so vielfältig und komplex wie das Leben selbst. Dies gilt für alle Sparten: für die Musik, die Literatur, das Theater, die bildende Kunst, den Film, das Tanztheater oder die Performance. Die Kunst ist in der Lage, die Fragen des Lebens so zu vermitteln, dass wir sie mit unserem Verstand, aber eben auch emotional begreifen können, dass wir Ambivalenzen und Widersprüche verstehen lernen, dass wir Andersartigkeit in kultureller, religiöser, sozialer und politischer Hinsicht akzeptieren können, dass wir Empathie und Toleranz empfinden. Kunst kann uns motivieren, ganz neuartige Dinge zu begreifen, Utopien zu entwickeln, aber auch Träume leben zu können oder uns einfach an Schönheit und Harmonie zu ergötzen.

Ich möchte einige beliebige Beispiele geben. Debora Feldmann schreibt in ihrer Autobiografie Unorthodox wie sie es geschafft hat, sich aus einer ultraorthodoxen, erzpatriarchalen, dogmatischen jüdischen Gemeinde in Brooklyn/New York zu emanzipieren und auszubrechen. Jetzt lebt und schreibt sie in Berlin. Dass dieses Wunder möglich wurde, verdankt sie der Lektüre von englischer Literatur, die sie heimlich in der Bibliothek gelesen hatte. Durch das Lesen von Geschichten wurde ein anderes Leben überhaupt erst imaginier- und denkbar.

Es geht um unsere Gegenwart und um unsere Zukunft. Dies können wir nur meistern, wenn wir wissen, wie wir als Individuen und als Gesellschaft so geworden sind, wie wir sind. Die Kunst kann uns dieses Geworden-Sein vermitteln und zwar eben nicht einfach mit Daten und Fakten, sondern in einer Lebendigkeit, die wir verstehen und nachvollziehen können.

 

Idealbilder dekonstruieren

Zurzeit läuft im Wiener DomMuseum die Ausstellung Family matters, eine Ausstellung zu Familie und Familienbeziehungen in aktueller und alter Kunst.**

Einerseits sind es Bilder, die Vorstellungen einer »idealen«, meist patriarchalen Familie entwerfen. Die Auseinandersetzung mit den bildlichen Repräsentationen kann dazu beitragen, die eigenen, von Religion, Familie, Politik und Werbung tradierten Muster in Frage zu stellen, zu erweitern oder zu verändern. Viele der ausgestellten aktuellen Werke stammen von weiblichen Künstlerinnen, die – insbesondere seit den 1970er Jahren – die Widersprüche, die Katastrophen und die Gewalt in der Familie aufzeigen und sie als Ausfluss dieser ›Idealbilder‹ dekonstruieren. Die französische Künstlerin Iris Legendre beispielsweise macht unsichtbare strukturelle Gewalt sichtbar: ein älteres Foto von zwei eleganten Paaren. In das Gesicht der sitzenden Dame hat Legendre perlenbesetzte Nadeln gestochen. Die Nadeln oszillieren in der Ambiguität von kostbarem Schmuck und Folterinstrument. Die Verletzung wirkt so unerträglich, weil das Porträt selbst so konventionell ist. So vermittelt sich der Eindruck, dass die Frau auf die Schmerzstiche »nicht reagiert«, der Mann und das andere Paar sie nicht einmal wahrnehmen. Gewalt drückt sich nicht nur in körperlichen Handlungen oder expliziten Worten aus. Es gab und gibt eine strukturelle Gewalt, die vom Partner, von den Nächsten, ja manchmal nicht einmal von einem selbst bewusst empfunden wird. Es ist eben diese Banalität, die scheinbare Normalität, die vollkommene Indifferenz, die dieses Bild fast unerträglich machen. Legendre gelingt es durch ihren künstlichen Eingriff, just das Phänomen der Unsichtbarkeit von Gewalt und Schmerz als unsichtbares zu veranschaulichen und dadurch bewusst zu machen. Das bildkünstlerische Medium ermöglicht tiefe Betroffenheit und gleichzeitig kritische Distanz und Reflexion.

Politisches Bewusstsein

Kunst, insbesondere Literatur und Film, können uns politische Konflikte begreifbar machen, wie es keiner theoretischen Abhandlung möglich wäre. Ich denke etwa an Bücher wie Die Frau auf der Flucht vor einer Nachricht von David Grossmann oder Who the Fuck is Kafka von Lizzie Doron, beides jüdische Schriftsteller*in aus Israel. Der tragische Konflikt zwischen jüdischen und palästinensischen Menschen im alltäglichen Leben, der auch bei bestem Friedenswillen auf beiden Seiten schier unlösbar ist, wird einem so nahegebracht, dass man von jeglichem Dogmatismus oder einseitiger Verurteilung geheilt ist. (Nicht zu verwechseln mit einer begründeten Kritik an der aktuellen israelischen Politik.)

Die Kompliziertheit, Vielschichtigkeit, das Gemisch von positiven Errungenschaften und katastrophal verfehlter Politik, die eben gerade durch Dogmatismus entstanden ist, können nirgends so verstanden werden wie durch die Literatur und die Filme, z. B. jene, die sich mit der Gesellschaft und den Menschen in den ehemaligen Ostblockländern befassen.

Oder eine gut inszenierte Oper, beispielsweise von Mozart: die ganze Klaviatur der Gefühle von Liebe und Hass, von Treue und Untreue, von Ernst und unendlichem Humor. Gefühlstiefe bei gleichzeitiger unendlicher Leichtigkeit. Ein Ineinander von Text, Musik, Schauspiel und Bühnenbild, eine Aktivierung aller Sinnesorgane, die Verbindung von Verstand und Gefühl, welche das Verständnis und die Akzeptanz der Ambivalenz aller menschlichen Beziehungen erlebbar macht.

Das ganze Leben ernst, tragisch, sinnlich

Kunst ist grenzenlos, lotet das ganze Leben aus, das individuelle Leben in allen Höhen und Tiefen, die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Die Kunst ist ernst, tragisch, sinnlich, lustvoll, humorvoll, sie ermöglicht uns Erfahrungen, die wir nie gemacht haben, sie verändert uns. Kunst kann zum politischen Kampf aktivieren, sie kann aber auch Emotions- und Denkräume schaffen, welche Kritik und differenzierte Reflexion ermöglichen, sie kann jedoch auch privat und subjektiv sein. Ihre Formen sind unendlich vielfältig. Wehe der Gesellschaft, die der Kunst vorschreibt, was sie darf und was nicht. Das heißt nicht, dass man Kunst nicht kritisieren soll. Im Gegenteil: Gefordert ist ein lebendiger, kritischer Austausch zwischen Kunst und Kunstkritik. An ernsthafter Kunstkritik mangelt es. Notwendig ist ein anderes Kunstverständnis, das bereits im Kunstunterricht in den Schulen gelehrt werden sollte. Ein kulturwissenschaftliches Verständnis, das davon ausgeht, dass Literatur, Bilder, Filme nicht lediglich zur Unterhaltung dienen oder »halt zur Bildung gehören«, aber auch nicht die Wirklichkeit widerspiegeln, sondern Bedeutungen produzieren, die wiederum Vorstellungen von Wirklichkeit und damit tatsächlich Wirklichkeit schaffen.

KünstlerInnen müssen gefördert werden. Das ist kein Almosen für das Schöne, KünstlerInnen sind lebenswichtig, wir brauchen sie. Vielleicht kann ja auch die Corona-Krise dazu beitragen zu verstehen, dass unser Leben, wenn es denn ein menschliches sein soll, nicht allein auf Profit und Geld ausgerichtet sein kann. Es ist die Kunst, es ist die Kultur, die unser Leben zu einem menschlichen macht.

* Miszelle = kleiner Aufsatz unterschiedlichen Inhalts in wissenschaftlichen Zeitschriften.

** Die Ausstellung Family Matters im Dommuseum Wien läuft noch bis zum 30. August 2020.

Daniela Hammer Tugendhat ist Hon. Professorin für Kunstgeschichte an der Universität für angewandte Kunst Wien. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Kunstgeschichte als Kulturwissenschaft, Malerei der Frühen Neuzeit, insbesondere der niederländischen und Geschlechterbeziehungen in der Kunst. Viele ihrer Vorlesungen sind auf Youtube zu hören, z. B. Kunstgeschichte als Kulturwissenschaft.

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Wie könnte die neue internationale Arbeitsteilung aussehen – transnational statt multilateral?

VON KURT BAYER

Kurz zum Rekapitulieren: Der grenzüber­schreitende internationale Handel ist bis zur Finanzkrise 2008 ff. ca. doppelt so rasch gewachsen wie die globale Wirtschaftsleis­tung und hat in unterschiedlichem Ausmaß die gesamte Welt erfasst. Schon frühere Pha­sen der internationalen Arbeitsteilung, etwa der ungleiche Austausch von Bodenschätzen gegen Industriewaren (Textilien) in der Kolo­nialisierung, der durch die Industrialisierung bis zum Beginn des Ersten Weltkriegs ausge­löste Globalisierungsschub und schließlich die Entfesselung der Kapitalströme anfangs der 1980er Jahre haben den Warenaustausch befördert. In den letzten Jahren kommt durch elektronische Kommunikation (Daten­austausch) ein neuer Treiber hinzu. Seit den l980er Jahren sehen wir durch die Aufspal­tung der Produktionsprozesse in viele Ein­zelteile den Aufbau von »globalen Wert­schöpfungsketten«, wo einzelne Komponen­ten etwa in der Autoindustrie weltweit aus­gelagert werden, eben dorthin wo es am bil­ligsten ist. Der eben erschienene »Weltent­wicklungsbericht 2020« der Weltbank stellt fest, dass bereits 50 Prozent des Welthan­delsvolumens aus diesem Komponentenhan­del stammen. Damit würden viele weniger entwickelte Länder leichter in die Weltwirt­schaft eingebunden werden können, da deren Unternehmen nicht mehr kompli­zierte ganze Güter herstellen können müss­ten, sondern sich auf die Herstellung einzel­ner, einfacherer Komponenten »spezialisie­ren« könnten.

Der Kapitalismus in Form des neoliberalen Mainstreams und der Interessen der haupt­sächlich Multinationalen Konzerne sieht diese Globalisierung als uneingeschränkt positiv. Er bestimmt damit die Wirtschafts­politik der Welt. Schlagworte wie Kosteneffi­zienz (wir investieren dort, wo die Rohstoff- und Arbeitskosten am günstigsten sind), trickle-down (von unseren Investitionen in Billiglohnländern profitieren alle, bei uns und dort), offene Grenzen, Armutsbekämp­fung (die internationalen Finanzinstitutio­nen wie der Internationale Währungsfonds, die Weltbank, und andere sehen in der Ein­bindung der weniger entwickelten Länder in den Welthandel den primären Weg zur Armutsbekämpfung), günstige Transportmit­tel (subventionierte Straßen- und Bahnver­bindungen, Ausnahme von Flugkerosin von der Besteuerung) bestimmen die Agenda.

Zwar wurde in Sonntagsreden anerkannt, dass diese Globalisierung auch Schattensei­ten hat, etwa internationale Kriminalität, Drogen- und Menschenhandel; diese könn­ten jedoch leicht bekämpft werden bzw. müssten als »Kollateralschäden« in Kauf genommen werden, damit der »freie Han­del« mit Waren und Dienstleistungen mög­lichst ungehindert fließen könne. Die der­zeit grassierende Covid-19 Krise, die nun­mehr die ganze Welt erfasst, hat allerdings dieser Euphorie einiges an Anziehungskraft genommen. Vielen wird erst jetzt bewusst, dass das Dogma der immer weitergehenden Globalisierung auch Schattenseiten hat: ohne Warenhandel, ohne offene Grenzen, ohne AusländerInnentourismus keine Pan­demie! Diese ist, wie der Kapitalismus, welt­weit.

Die negativen Seiten der Globalisierung

Allerdings haben KritikerInnen der schran­kenlosen Globalisierung schon lange auf negative Aspekte, die essenziell mit dem freien Waren-, Personen-, Kapital- und Dienstleistungsaustausch verbunden sind, hingewiesen: so stammen fast zehn Prozent der weltweiten CO2-Emissionen aus dem grenzüberschreitenden Gütertransport; so zerstört der weltweite Tourismus nicht nur großflächig die Natur, sondern auch eigen­ständige Kulturen und unterwirft immer weitere Lebensbereiche dem Kommerz; so fallen die »Früchte« aus der Globalisierung hauptsächlich den Leitunternehmen in den Industrieländern zu, während sich die Ein­kommens- und Vermögensverteilungen sowohl in den Herkunfts- als auch den Ziel­ländern der Globalisierung so stark ver­schlechtert haben, dass die Stabilität der Gesellschaften durch Armutsrevolten (man denke an den sog. »Arabischen Frühling« anfangs des letzten Jahrzehnts) und durch rechtsradikale Populismusbewegungen gefährdet ist. Zwar hat es durch den unglaublichen Aufstieg Chinas zur zweit­größten Wirtschaftsmacht der Welt in den letzten 25 Jahren eine teilweise Ausnahme zu diesen Ausbeutungs- und Verarmungs­tendenzen gegeben, jedoch ist dies auch mit einem gravierenden Verbrauch von Umweltkapital und strenger Verhaltenskon­trolle verbunden.

Ende der Pax Americana

Chinas Aufstieg hat das geopolitische Sys­tem erschüttert: die seit 1945 vornehm (und falsch) so genannte »Pax Americana«, in der die USA und ihre Alliierten das Welt­geschehen weitgehend dominiert haben, besonders seit 1990 als die Sowjetunion als alternatives Gesellschaftssystem aufgelöst wurde, geht zu Ende. Die USA fühlen sich nicht erst seit Präsident Trump, der sich aus den globalen Institutionen und Verträ­gen zurückzieht, bedroht. Auch wenn China immer wieder betont, dass es – im Gegen­satz zu den USA – keine Hegemonialbestre­bungen hat, nutzt es sowohl »hard power« (militärische Aufrüstung, Stützpunkte im südchinesischen Meer) als auch »soft power« (Belt and Road Initiative, Hilfsliefe­rungen an viele Länder während der Pan­demie, viele Zeichen Guten Willens in den Globalen Institutionen), um sich als Responsible Global Player zu zeigen. Sein Handling in der Covid-19 Krise hat diesen Ruf allerdings ramponiert, auch wenn viele Länder gerne die Finanzierungen und Gaben Chinas annehmen.

Notwendigkeit globaler Kooperation

Es ist unbestritten, dass es eine ganze Reihe von globalen Problemfeldern gibt, die opti­malerweise – oder vielleicht auch aus­schließlich – auf globaler Ebene, in globaler Zusammenarbeit der Staaten gelöst werden können. Dazu gehören die Stabilität der Weltwirtschaft (inklusive Regelung der Kapitalströme, der Wechselkurse, des not­wendigen Aufholens der armen Länder), die Klimabedrohung, die Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität mit besonderer Betonung der internationalen Steuerflucht durch Multinationale Unter­nehmen, die Migration und – aktuell – die Bekämpfung globaler Epidemien. Für alle diese Bereiche bestehen auf dem Papier viele globale Institutionen, die seit dem Ende des 2. Weltkrieges geschaffen wurden, und in denen die USA und ihre FreundIn­nen weitgehend das Sagen haben. Diese Institutionen sind vielfach unwirksam geworden, da sich die Verhältnisse seit ihrer Gründung verändert haben, beson­ders aber, da ihre »globale Legitimität« durch den Ausschluss vieler anderer Länder aus den Entscheidungsstrukturen nicht mehr besteht. Dazu kommen die stärker gewordenen nationalistischen Tendenzen in vielen Teilen der Welt, deren Führungspersonen diese Institutio­nen nur insoweit akzeptieren wollen, als sie ihren je eigenen Interessen dienen – für globale Institutionen ein Rezept in den Abgrund.

Die Covid-19 Krise

Die Covid-19 Krise führt in den reichen Industrieländern zu teilweiser Abkehr vom Dogma des all seligmachenden inter­nationalen Handels. Die Tatsache, dass 90 Prozent der pharmazeutischen Grund­stoffe in China und Indien produziert wer­den, die Tatsache, dass die höchstentwi­ckelten Länder nicht in der Lage sind, genügend Schutzkleidung für ihr medizi­nisches und Pflegepersonal bereitzustel­len, aber auch die Tatsache, dass die Ver­nichtung von virtuellem Firmenkapital durch den Absturz der Börsenkurse eine Einladung an »Ausländer« ist, die »Filet­stücke« der heimischen Unternehmen bil­lig aufzukaufen, führt zur Abkehr von der Vergötterung des sog. freien Handels und der freien Direktinvestitionen. Plötzlich erlaubt sogar die besonders außenhan­dels-affine Europäische Union (ein Bei­spiel für »Turbo-Globalisierung« © Robert Baldwin) zusätzliche Schutzmechanismen gegen ausländische Firmenübernahmen. Diese sind eindeutig gegen China gerich­tet. Bislang hatte allerdings niemand etwas gegen Firmenaufkäufe durch die USA oder andere »befreundete« Regime, obwohl auch diese sich um die nationalen Schutzinteressen der Zielländer keinen Deut scheren.

Geopolitik

In dieser geopolitischen Situation, wo ein alternder »Hegemon« sich durch einen Newcomer bedroht fühlt, haben globale Institutionen und globale Kooperationen auf breiter Ebene keine Zukunft. Umfas­sende Organisationen wie die UNO, der IMF oder die Weltbank, oder auch das Nuklear-Proliferationsverbot werden zwar weiter bestehen bleiben, aber immer zahnloser werden, da sie ihre Beschlüsse nicht gemeinsam fassen, bzw. umsetzen können. Der politische Wille, gemeinsam eine »bessere Welt« zu schaffen, existiert nicht. »My country first« scheint vielfach zu dominieren. Ich bin der Meinung, dass es statt globaler Institutionen zu Einzelko­operationen von je nach Problem und Materie »willigen Ländern« kommen wird, die in Einzelbereichen gemeinsame Beschlüsse fassen, aber offen für etwaige neu Hinzukommende sein werden. Es wird also zu einer weiteren Fragmentierung des ohnehin sehr übervölkerten Portefeuilles an internationalen Institutionen kommen, die entweder auf regionaler Ebene (z. B. EU, afrikanische Union, Mercosur, ASEAN) oder auf der Ebene einzelner Sachbereiche (Bei­spiele: Klima, Steuerflucht, Investitionen, Pandemien) agieren werden. Solche »Koali­tionen der Willigen« werden jedoch in Zukunft viel stärker Nicht-Regierungsinsti­tutionen, also etwa Sozialpartner und andere, nicht-organisierte Gruppen der Zivilgesellschaften einbinden müssen. Das in den Gründungszeiten der bestehenden globalen Institutionen existierende größere Vertrauen der Bevölkerungen in ihre Regierungen hat einem Misstrauen, aber auch viel breiterem Wissen und Wunsch nach Mitbestimmung und Mitentscheidung Platz gemacht. Wird diesem nicht Rech­nung getragen, gehen wir einem ungeregel­ten Chaos entgegen, in welchem noch stär­ker als bisher das Recht des Stärkeren dominieren und zu massiven Verwerfungen führen wird. Statt wie bisher multilaterale wird es transnationale Institutionen geben, die auf vielfältigen Organisationsformen, die über den Nationalstaat hinausgehen, aufgebaut sein werden.

Kurt Bayer, Studien in Rechtswissenschaft, Internationale Bezie­hungen und Volkswirt­schaft, Berufliche Tätig­keit im Österrei­chischen Institut für Wirtschaftsorschung, im Finanzministerium, in der Weltbank und der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung, derzeit freiberuflich. Verheira­tet, zwei erwachsene Kinder.

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Vom Narzissmus zum »neuen Miteinander«: eine Corona-Nebenwirkung? Zwischen gesun­dem Selbstbewusstsein als zentraler Wert der neoliberalen Gesellschaft und der narzissti­schen Persönlichkeit als Pathologie.

VON RAINER GROSS

Die Einhaltung der aktuellen Bestim­mungen fordert von jeder und jedem Einzelnen Disziplin und Selbstkontrolle – auch bei größtem Unabhängigkeitsdrang befolgen die meisten Menschen die von der Politik getroffenen Anordnungen. Trotz­dem aber kann sich niemand darauf verlas­sen, dass die eigene Anstrengung ausreicht, um eine Ansteckung zu verhindern: Jede/r muss sich auch auf seine Mitmenschen ver­lassen. Auch bisher war die völlige Autono­mie der/des Einzelnen nur eine Illusion, jetzt aber ist die hochgradige Interdepen­denz von niemandem mehr zu leugnen. Niemand kann es »alleine schaffen« – selbst das größte ICH muss sich unter den Bedin­gungen der Krise aktuell auf ein WIR bezie­hen.

Die deutlich veränderte Balance zwischen Ich- und Wir-Identität kann man auch an der so massiv veränderten Definition des »Helden« beobachten. Das Rollenbild des heroischen Individuums wurde massiv umgeschrieben: Plötzlich schallt ausge­rechnet dem Beruf Supermarkt-Kassierer, der bisher als Musterbeispiel für Mit ­bürger Innen in prekären Arbeitsverhältnis­sen herhalten musste, von überall Anerken­nung und Applaus entgegen.

Neben diesen »HeldInnen des Alltags« werden auch »HeldInnen der Naturwissen­schaft« über Nacht geboren: Wer kannte bisher MathematikerInnen, EpidemiologIn­nen oder VirologInnen – diese oft belächel­ten ExpertInnen sind plötzlich geachtet und gefragt, die Wissenschaft wird sogar zur »5. Macht im Staat« hochgeschrieben.

Das Ende des Narzissmus?

Wie peinlich inkompetent wirkt dagegen ein narzisstisch-grandioser Elefant wie Donald Trump (trotz noch immer hoher Umfragewerte für den »Kriegspräsidenten«): Erstmals kommt er mit seiner »Privat-Realität« nicht mehr durch, erstmals muss er sich dem Rat dieser von ihm so verachteten ExpertInnen beugen. Auch wenn er sich noch »nicht vor­stellen kann, Diktatoren mit Schutzmaske zu empfangen«. Aber seine »alternative facts« erweisen sich als das, was sie immer schon waren: Illusio nen. Fast schon tragikomisch erlebt die Nation jetzt seine Versuche, die Realität umzuschreiben, wenn er sie als Bedrohung für sein Selbstwertgefühl erlebt (laut S. Akhtar ein typisches Verhalten narzissti­scher Persönlichkeiten).

Aber nicht nur bei Trump als »Poster­boy« eines grandiosen Narzissmus, sondern auch unter seinen »Followern« spürt man eine Veränderung: Auf einmal ist es nicht mehr cool und bewundernswert, dauernd »ich, ich, ich« zu schreien. Zur Klarstellung: Natürlich werden die großen und kleinen NarzisstInnen auch nach Corona nicht zu achtsamen, gemeinwohlorientierten AltruistInnen mutieren. Aber: Der narziss­tisch-egoistische Gestus von Stärke und Rücksichtslosigkeit funktioniert nicht mehr als Distinktionsfaktor. Es könnte sein, dass wir in den letzten Wochen den – virusbe­dingten – Anfang vom Ende eines zentralen neoliberalen Wertes miterleben. Ist das »Zeitalter des Narzissmus« vorbei?

Jedenfalls sollte man bei der Verwendung psychoanalytischer Begriffe und Konzepte, die in die Alltagssprache eingesickert sind, prinzipiell vorsichtig sein. Was verstehen eigentlich die Psychoanalytiker unter Nar­zissmus und was bedeutet der Begriff in der Alltagssprache?

Begriffsgeschichtliches

1914 schrieb Freud von jenen »selbstgenügsamen« Personen, die viel mehr auf sich selbst zentriert sind als auf andere Menschen, gerade dadurch aber oft besonders souverän oder attraktiv wirken. Für viele AnalytikerInnen aber bedeutet Narzissmus nicht nur die Selbstliebe, son­dern vielmehr die Liebe zum Bild von sich selbst. In der Öffentlichkeit wurde der Begriff erst ab 1975 bekannt durch die »narzisstische Persönlichkeitsstörung« – von Otto Kernberg als massive Pathologie beschrieben. Solche »malignen Narzissten« sind für ihn weder liebesfähig noch empa­thiefähig, im Verhalten zu anderen Men­schen sind sie egoistisch, manipulativ und ausbeuterisch. Ernst Kohut hingegen betont die Bedürftigkeit und innere Unsi­cherheit dieser Menschen.

Für die TherapeutInnen also eine schwere und schwer behandelbare Sympto­matik. Was bedeutet es aber, wenn nicht nur Individuen, sondern eine gesamte Gesellschaft von narzisstischen Normen beherrscht wird? Dann wäre ja das Verhal­ten der »malignen Narzissten« mehrheits ­fähig und auch adaptiv. Warum also Cha­rakterzüge behandeln, die Erfolgschancen verbessern?

Die Diagnose einer narzisstischen Gesell­schaft wurde mit Christopher Laschs »The culture of narcissism« 1979 zum Schlag­wort. Seither wird das Adjektiv »narziss­tisch« medial und privat ausschließlich negativ verwendet zur Diskreditierung und Pathologisierung auffälliger Personen oder Verhaltensweisen. In seiner düsteren Prog­nose sorgt sich der Autor um eine politi­sche Krise des Kapitalismus und des Gemeinwesens. Für Lasch sind Narzissten geprägt vom Verlangen nach Anerkennung, ja Bewunderung.

In den Jahrzehnten danach erlebten wir die globale Hegemonie eines neoliberalen Zeitgeistes, der schon kurz nach Lasch mit der Ära von Reagan und Maggie Thatcher mit ihrer Demontage des Sozialstaates begann. Spätestens seither war für viele Menschen Solidarität nichts mehr als eine Schwäche, sei doch jeder im Konkurrenz­kampf auf sich und seine Leistung angewie­sen. Die entstehenden wirtschaftlichen Strukturen führten zu einer Priorisierung, ja Sakralisierung der Autonomie bei gleich­zeitiger massiver Verminderung der sozia­len Sicherheit und Einbindung.

Bis heute faszinieren Narzissten trotz moralischer Ablehnung: Hunderte Websites warnen vor der »dunklen Triade« von Nar­zissmus, Psychopathie und Machiavellis­mus. Im Gegensatz dazu aber preisen ebenso viele Ratgeber weiterhin den gesun­den Egoismus und vor allem das intakte Selbstwertgefühl als unabdingbar im Job und in unseren privaten Beziehungen.

Die Symbiose von Elefanten und Schneeflocken

Aus psychoanalytischer Sicht ist dies ein Spaltungs-Prozess zwischen gesundem Selbstbewusstsein und pathologischem Narzissmus. Dazu kommt eine Tendenz zur Projektion: Der Narzisst ist immer der Andere! Die Gesunden hingegen beanspru­chen nur die ihnen gebührende Anerken­nung.

Eine Differenzierung des englischen Psy­choanalytikers Herbert Rosenfeld scheint mir hier hilfreich. Er unterscheidet gran­diose von vulnerablen Narzissten: Die gran­diosen Narzissten (»thick-skinned«) ent­sprechen dem Bild des rücksichtslosen, gie­rigen Elefanten à la Donald Trump. Seine Charakteristik der vulnerablen Narzissten (»thin-skinned«) erinnert mich an die »Schneeflocken« – so der abwertende Begriff für die allzu empfindlichen und sen­siblen Millennials. Diese seien sich zwar ihrer Einzigartigkeit sehr bewusst (denn jede Schneeflocke ist einzigartig …), seien aber gleichzeitig hypersensibel gegenüber Mikro-Kränkungen. Auf anderem Wege führt dies bei den »Snowflakes« zum glei­chen Effekt wie bei den grandiosen »Elefan­ten«: Beide können die Alterität ihrer Objekte nur schwer akzeptieren. Andere Menschen sind für sie kaum als getrennt und unabhängig von ihnen selbst erlebbar.

Die Interaktion dieser beiden Typen kann sozialpsychologisch bzw. gesellschaftlich durchaus explosiv werden: Auf Ebene einer kritischen Massenpsychologie wäre der grandiose Narzisst der gierige Monopol-Kapitalist in einer Libido-Ökonomie. Er will möglichst alle verfügbaren Ressourcen an Anerkennung für sich allein akkumulieren, monopolisieren, sodass für alle anderen in seiner narzisstischen Inszenierung nur die Rolle des bewundernden Publikums bleibt. Aber die Sensiblen, Vulnerablen, so oft Gekränkten können auch durchaus narziss­tischen Gewinn aus der Bewunderung und Unterstützung solcher Führer ziehen: Wenn schon sie selbst so schmerzlich weit entfernt sind von der Erfüllung ihrer eige­nen narzisstischen Größenphantasien, wenn sie sich so schmerzlich missachtet und beschämt fühlen, dann können sie immer noch dem schamlosen Populisten zujubeln, der sich straflos alles nimmt, was sie sich nur vergeblich wünschen können …

Passend zu dieser Aufteilung in grandiose und dadurch auffällige NarzisstInnen und ihre unauffälligeren dünnhäutigen Bewun­derInnen scheint mir auch die so umfas­send positive Rolle, die im öffentlichen Dis­kurs dem Begriff der Anerkennung zuteil­wird: Oft wird vergessen, dass (zumindest nach Hegel und Axel Honneth) Anerken­nung immer nur in Gegenseitigkeit funktio­nieren kann. Daher auch die so bitteren Konflikte und Ressentiments im »Kampf um Anerkennung«, daher der große Wunsch nach Resonanz.

Die Corona-Krise als Hoffnungsträger einer solidarischen Zukunft?

Im bisherigen Verlauf der Corona-Krise wurde die Anerkennung (oft erstmals) auch jenen »SystemerhalterInnen« zuteil, die in der beinharten Konkurrenz um Aufmerk­samkeit und Einkommen bisher immer das Nachsehen hatten. Innerhalb weniger Wochen sind im Sinne einer Umwertung nicht aller, aber vieler Werte auch Ideen wie Solidarität und Gemeinwohl populär geworden, die noch im Februar 2020 von einer überwiegenden Mehrheit als Aus­druck veralteter Gewerkschafts-Mentalität oder gutmenschlicher Träumerei verachtet wurden. So schaffte es sogar das gute alte bedingungslose Grundeinkommen zu neuer, möglicherweise aber nur kurzlebi­ger Blüte als »Virus-Grundeinkommen«.

Es wäre ein »Corona-Kollateralwunder«, wenn nach der Krise wirklich die jetzt beschworene globale Solidarität ausbre­chen würde oder auch nur eine vorsichtige Humanisierung des Arbeitslebens als neues Miteinander. Der vielfach beschworene Bewusstseinswandel wird jedenfalls eher am Lohnzuwachs der Kassiererin und der Pflegehelferin ablesbar sein als am Betrof­fenheitsgrad der Kommentare.

Im Guten wie im Bösen: Diese globale Krise hat bewiesen, wie verblüffend ra­sant Vieles, was bisher so alternativlos er­schien, weggefegt werden kann. Verände­rung kann also schnell gehen – ihre Rich­tung kann aber derzeit noch niemand ver­lässlich einschätzen. Umso mehr sind wir aufgefordert, nicht nur das Wieder ­eröffnen der Geschäfte, sondern die Wiederherstellung der bürgerlichen Freiheiten zu beobachten.

Rainer Gross ist Psy­chiater und Psychoana­lytiker in Wien.

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Zur Reinstallation von Heldenlied und Auferstehung in infizierten Zeiten.

VON FRANZ SCHANDL

Seit Corona herrschen Ausnahmezustand und Krieg. Da werden Schlachten geschlagen, Heroes erkoren, Wiederaufer­stehung gefeiert. Entsprechende Legenden bilden sich schon. Schlagworte stehen bereit, werden politisch magaziniert und medial multipliziert. Das Arsenal ist voll mit ideologischen Granaten. Neue und alte Phrasen werden geladen und abgeschossen. Manches wird adaptiert, vor allem aber wird vieles »neu« geheißen: von der Nor­malität im Allgemeinen bis zur Freiheit im Besonderen. Spricht Kanzler Kurz stets von »neuer Normalität«, dann entdeckt die Jubelpresse sogleich »Die Woche der neuen Freiheit«, um schwer begeistert die »sehr harten Maßnahmen« zu loben, denn: »Neue Freiheit erfordert weiter viel Disziplin«. So das Boulevardblatt Österreich am 27. April 2020.

Religiöse Bilder wie jenes der Wiederauf­erstehung werden ebenso beschworen wie das Durchhaltevermögen, an das unent­wegt appelliert wird. Wir sind im Krieg. Dazu braucht es Heldinnen und Helden, ausdrücklich auch jene des Alltags und der Arbeit. BürgerInnen werden gelobt, wenn sie spuren und bedroht, wenn sie nicht gehorchen. Krieg, Religion, Mythos, sie bil­den einen Schulterschluss, der ein nationa­ler ist. Die Sprache ist bellizistisch. Da gibt es Tote, Verletzte, Rekonvales­zente, Gesundete. Die Schlacht ist auch ein Gemetzel der Zahlen. Und es ist gar nicht einfach zu sagen, welche real sind oder welche bloß als real realisiert werden.

Zucht und Ordnung

Berührung und Nähe werden als allge­meine, nicht nur spezielle Bedrohung aufgefasst. Niemanden an sich ranlas­sen wird zum neuen Credo. Wo Distan­zierung und Ängstigung die mentalen Haltungen prägen, wird Gehorsam zum Gebot oder im Neusprech zum Leitwert. Mündige BürgerInnen sind Kinder, auf die man aufpassen muss. Deutlich zeigt sich das auch in der fortschreitenden Infantili­sierung der Masse. Kriegsvergleiche schü­ren Angst, aber ebenso erzeugen sie Gefolg­schaft samt Folgsamkeit. Das ist der Zweck. Selbst die Aussage, keine Angst haben zu müssen, erhöht diese sofort.

Zucht und Ordnung verlangt das Seu­chenregime. Wer den Feind im Virus aus­macht, kann diesen nur im Virusträger orten. Lediglich dort ist er zu Hause. Innen­minister Karl Nehammer (ÖVP) spricht bezüglich der Infizierten wie von Kriminel­len. Da werden Glutnester lokalisiert, Ver­dachtsfälle isoliert, Infektionsketten »mit der Flex durchtrennt«. Daher war und ist man auch so geil auf »Contact Tracing« via Überwachungsapp. Solch Vorwand für solch Vorhaben findet man so schnell nicht wieder. So ließe sich auch express erkun­den, ob die Menschen wirklich als Wächter ­Innen ihrer selbst funktionieren. Regt sich jemand auf, wird eilends der totalitäre Hammer geschwungen, indem ein Bündnis von rechten und linken ExtremistInnen behauptet wird. Die Desinfektion wirkt gefährlicher als die Infektion. So gilt nicht mehr, dass erlaubt ist, was nicht verboten ist, sondern umgekehrt, dass verboten ist, was nicht erlaubt ist. Im Infotainment der österreichischen Bundesregierung bleiben oft wichtige Informationen auf der Strecke, wird aus gebotener Vorsicht ein Besuchs­verbot. Ist das bloß ungeschickt oder schon Absicht?

Die Debatte, falls es überhaupt eine ist, gerät auf die Ebene von Tugend und Laster. Da gibt es Brave und Schlimme. Irgendet­was dürften sie angestellt haben, die Infi­zierten. Kranke werden zu potenziellen TäterInnen, derer man habhaft werden will. In des Kanzlers Leibblatt Österreich vom 8. Mai 2020 steht geschrieben: »Offi­ziell lobt Sebastian Kurz derzeit Kärnten und Salzburg. Dort seien einige Bezirke bereits virusfrei.« Was heißt das? Doch nur, dass, wo welche zu loben sind, auch andere zu tadeln wären. Vor allem Wien, nament­lich die SPÖ-geführte Stadtregierung, wird hier angerempelt und drangsaliert, man denke bloß an die schikanöse Schließung der Bundesgärten in der Hauptstadt. Auf der gleichen Seite des zitierten Blattes fin­det sich auch ein Beitrag mit dem Titel »Auffällige Zunahme in Wien bei Covid-Erkrankungen.« 42 Infektionen innerhalb von 24 Stunden, apportiert die Tageszei­tung. Die passen nicht auf, die WienerIn­nen, die muss man zu Räson bringen. Dass das mit den Wiener Fallzahlen nicht ganz so stimmt, berichtet das Blatt gleichentags wie unzufällig auf seiner Website. »Entwar­nung in Wien: Nur 10 neue Corona-Fälle«, heißt es nun. Des Rätsels Lösung ist ein­fach: Die statistische Schwankung der abso­luten Zahlen bewegt sich im Bereich nicht aussagekräftiger Signifikanz. Der Warnung folgt nun »vorerst Entwarnung«. Ziel der Warnung war jedoch nicht die Warnung, sondern die Verwarnung.

Das weltweite Corona-Experiment gleicht auch einer Überprüfung der Folgsamkeit von Bevölkerungen. Bisher konnte man sich nicht groß beschweren. Die Herde ist loyal. Und dort, wo sie nicht loyal ist, hat das meist primitive ökonomische Gründe. It’s the business, stupid. Am extremsten etwa äußerte sich Tesla-Chef Elon Musk, er bezeichnete die Corona-Ausgangssperren in Kalifornien schlicht als »faschistisch« und lässt in seinen Betrieben unbekümmert weiterarbeiten. Da macht dann die Wirt­schaftsfraktion gegen die Seuchenpartie mobil, Aufsperrer und Zusperrer geraten in einen veritablen Gegensatz. Indes, Aufsper­ren oder Zusperren?, das ist sowieso zu kurz gefragt.

Message und Messias

»Schlagwörter sind Worte der Schlagenden zum Gebrauch für die Geschlagenen«, wusste Günther Anders. Typisch dafür etwa auch Phraseologie und Dramaturgie in des Kanzlers Rede zum 75. Jahrestag der Grün­dung der Zweiten Republik am 27. April 2020. Seine Hände hält er quasi betend in die Kamera, öffnet sie gelegentlich in der vereinnahmenden Weise. Der junge Mann dirigiert sein Volk. Angestimmt wird die Litanei von den Leuten, derer die »zeitle­bens hart gearbeitet haben«, da ist die Rede von »Eigenverantwortung«, vom »Team Österreich«, vom »Lebensmodell der Demo­kratie«, vom »großen Erbe« von »Wieder­eröffnung«, um abschließend den »Wieder­aufbau« zu propagieren. Wir stehen vor einem »Comeback«, was heißt, »dass der Standort stark ist und die Menschen arbei­ten gehen«, so der Kanzler bei einer Presse­konferenz vom 29. April. Neues meint lediglich Erneuerung, besonders neu ist also die Reinstallation des Alten.

Sebastian Kurz wirkt in seinem Auftritt wie ein smarter und souveräner Seriensie­ger gymnasialer Redewettbewerbe. Das gehörige Vokabular spult sich in gängi­ger wie eingängiger Weise ab. Da ist vie­les drinnen, was drinnen sein muss. Man hört und horcht, worauf man wartet. Schlagworte, wohin wir blicken. Aber sie treffen und passen. Sie wollen vernom­men werden. Sie gleichen ideologischen Dauerlutschern, die zwar den Gaumen verkleben, aber trotzdem reißenden Absatz finden, selbst wenn sie den Geschmackssinn verderben. Kurz ist inzwischen vom Gesellen zum Meister serieller Umgarnung aufgestiegen. Vor­erst scheint der Hype unstoppable.

Natürlich könnte man sich über das triste Niveau des Trivialen mokieren, doch das bringt wenig, vor allem erschüttert es dieses in keiner Weise. Das Publikum will es so. So simpel das auch gestrickt sein mag, SenderInnen und EmpfängerInnen treffen sich in der Botschaft. Nicht nur in Österreich. Vor allem in deutschen Springer-Zeitungen wird alles abgefeiert, was der österrei­chische Kanzler von sich gibt. Reputa­tion wiederum wächst mit dem Zuspruch aus dem Ausland. Wir gelten wieder wer, fühlt das nationale Naturell. Sätze wie »Gerade Österreich scheint aus heutiger Sicht die Krise in vorbildlicher Weise zu meistern« sind da bezeich­nend. Kurz verkörpere »große Ent­schlossenheit, Entscheidungskraft und Klarheit.« (Die Welt vom 6. April 2020) Nun gilt er gar als der Corona-Muster­schüler. »So einen brauchen wir auch«, fordert die Bild. Und hierzulande gibt es aktuell bereits Umfragen, die ihn knapp unter der absoluten Mehrheit sehen wollen. Wird das nur lang genug kolpor­tiert, dann wird das Land, geschüttelt vom hochansteckenden Türkisfieber, wohl stracks in jene stolpern.

Auch die Wortwahl des »Musterschü­lers« ist tückisch, genauer gesagt heim­tückisch. So werden ausgewählte Staa­ten (Österreich, Australien, Israel, Däne­mark, Griechenland, Tschechien, Norwe­gen und Singapur) bezeichnet, die in der Corona-Krise, zumindest der offiziellen Lesart nach, bisher am wenigsten Scha­den genommen haben. Kurz, the Master of Briefing, spricht von »smarten« Län­dern, mit denen er auch gelegentlich Videokonferenzen abhält, um deutlich zu machen, wo denn die Avantgarde zu sehen sei. Deutschland, obwohl stets eingeladen, sträubt sich. Man will wohl doch nicht den Kotau vor dem Oberstreber in Wien machen. Das ist verständlich. Interessan­terweise sind aber auch Kroatien und Slo­wenien nicht dabei. Da lässt sich wohl ver­muten, dass die Alpenrepublik in der Reise­zeit mehr auf Touristenzufluss als auf Urlauberabfluss setzt. Wer hätte das gedacht?

KritikerInnen bescheinigen dem Bundes­kanzler hingegen »maximale Inszenierung und minimale Transparenz«. Tatsächlich sorgt ein »hoher Angstpegel für Herdendis­ziplin«, wie es in einem Gastkommentar in Der Standard vom 28. April 2020 heißt. Kurz empfiehlt sich dabei als Retter der Nation, eine Art Lord Protector. Elisabeth Köstin­ger, die rechte Hand des Kanzlers, Minister ­in und Ministrantin in einer Person, gar­niert ihre ehrfürchtigen Statements oft mit: »Dank Sebastian Kurz« oder »Danke, Sebastian Kurz«. Das sind Fürbitten pur. Niederknien. Aufschauen. Anhimmeln. Schon jetzt kursieren Gerüchte, dass das »politische Jahrhunderttalent« Tausende, ja Zehntausende von Menschenleben geret­tet habe. Das Team Kurz ist ganz auf Mes­sage und Messias trainiert. Selbst Ungläu­bige kapitulieren.

Und geht was schief, dann liegt der Feh­ler nicht beim eingeschworenen Kader der Jungtürkisen. Sich selbst haben sie unter Kontrolle, doch wenn die Anhän­gerschaft aus dem Häuschen gerät, wird es selbst für die Kontrolleure eng. Gesche­hen kürzlich im Vorarlbergischen Klein­walsertal, als die beflaggten und befeuer­ten Gläubigen bei einer spontanen Prozes­sion des Kanzlers mehr an Basti-Himmel­fahrt dachten als an einen anderen Erre­ger. Nur die rot-weiß-rote Kriegsbema­lung fehlte. Maske her, Abstand hin, da ist der Kanzler wirklich nur knapp einer Bus­selorgie entgangen. Die schwerverliebten Fans auf Distanz zu halten, das ist selbst in Corona-Zeiten schwierig. Da gab es keine Regie mehr. Da wurde die Herde zur Horde. »Ich bitte euch alle, a bissl an Abstand zu halten, so gut als möglich«, sagte Kurz zu seinen Fans. Zweifellos, je größer, desto besser.

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Die sozialen Folgen der Corona-Krise und die Langzeitfolgen des Shut down seit Mitte März sind in Österreich zwar bekannt und abseh-, aber noch kaum berechenbar.

VON MICHAEL GRABER

Seit März ist jedenfalls die Zahl der Arbeitslosen auf annähernd 6000.000 gestiegen und die Zahl der für Kurzarbeit Gemeldeten übersteigt die Millionengrenze. Gleichzeitig ist die Zahl der sozialversicher­ten Beschäftigten um fast 200.000 gesun­ken. Damit ist etwa die Hälfte aller unselbstständig Beschäftigten unmittelbar von der Krise betroffen, was zunächst ein­mal sofortigen Einkommensverlust bedeu­tet. Die Unsicherheit, an die Arbeitsplätze zurückkehren zu können oder nach Auslau­fen der Kurzarbeitszeit weiter beschäftigt zu werden, hat sich immens erhöht. Die Einkommensverluste sind in der Regel nicht aufholbar, und die Konkurrenz um die Arbeitsplätze wird sich dramatisch erhöhen.

Der Vergleich mit den Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise der 30er Jahre drängt sich zwar auf, ist aber dank der erkämpften sozialen Errungenschaften nach dem Zweiten Weltkrieg, wozu in Österreich die Arbeitslosenversicherung, die Notstandshilfe, die Mindestsiche­rung, die Pensionen, das Pflegegeld, Familienförderung und andere Transferleistungen gehören, nicht wirklich zutreffend. Man darf nicht vergessen, dass die 600.000 Arbeitslosen der 30er Jahre faktisch »ausgesteuert« waren, das heißt, dass sie über keinerlei Einkommen verfügten und unmittelbar der Armut ausge­liefert waren. Auch die sonsti­gen Lebensumstände sind nicht mit den heutigen ver­gleichbar. Trotzdem bedeuten die sozialen Folgen der Corona-Pan­demie einen Einschnitt in die Lebensver­hältnisse von Millionen Menschen, wie sie seit der Nachkriegszeit in Österreich bisher nicht erlebt wurden. Gleichzeitig unter­streicht der Kampf um den Erhalt und den Ausbau der Sozialleistungen nicht nur ihre stabilisierende individuelle, sondern auch ihre volkswirtschaftlich stabilisierenden Wirkungen in der Krise.

Die schwarz-blaue Pensionsreform von 2003 schlägt voll zu

Eine der Langzeitfolgen, die bisher kaum thematisiert wurde, betrifft die Pensionen. Jetzt zeigt sich, dass die schwarz-blaue Pensi­onsreform von 2003 sowohl für hunderttau­sende künftige PensionistInnen individuelle als auch volkswirtschaftlich verheerende Auswirkungen haben wird. Um das zu ver­stehen, muss man auf die Zeit vor 2003 zurückgehen. Ursprünglich wurden die Pen­sionen auf der Grundlage der Einkommen der letzten fünf Jahre, die meist auch die bes­ten Einkommensjahre ware, berechnet. Pen­sionsreformen der 80er und 90er Jahre dehn­ten die Berechnungsgrundlage auf 15 Jahre aus, was bedeutete, dass auch weniger gute Einkommensjahre herangezogen wurden, aber immerhin noch immer die besten.

Die Pensionsreform von 2003 machte damit Schluss. Dies hat zur Folge, dass jedes Jahr, das mit Einkommensverlusten verbun­den ist, also etwa die Zeit während des Bezugs von Arbeitslosengeld oder der Not­standshilfe, in der sich das Einkommen in der Regel fast halbiert, ebenfalls in die Pensi­onsbemessungsgrundlage einbezogen wird und dadurch diese beträchtlich verringert. Ebenso verlieren auf dieser Grundlage geringfügig oder Teilzeitbeschäftigte massiv an Pensionsansprüchen. Die Jahrgänge, die in den nächsten Jahren in Pension gehen werden, haben also nicht nur die aktuellen Einkommensverluste während der Krise zu tragen, sondern haben als Langzeitfolge auch beträchtliche Verluste ihrer künftigen Pen­sionen zu erwarten, die zur Zeit niemand ausgleicht.

Das hat auch beträchtliche volkswirt­schaftliche Auswirkungen. Denn mit den sin­kenden Einkommen und den geringeren Pen­sionen sinkt die Kaufkraft und die gesell­schaftliche Nachfrage. Das Medianeinkom­men aller unselbstständig Erwerbstätigen beträgt jährlich 21.402 Euro (2018).

Geht man davon aus, dass sowohl Kurzar­beit als auch Arbeitslosigkeit zumindest sechs Monate dauern, verlieren Arbeitslose knapp 5.000 Euro und Kurzarbeitende etwa 1.000 bis 2.000 Euro, was sich auf einige Dut­zend Mrd. Euro summiert, trotz der Zuschüsse des Staates zur Finanzierung der Kurzarbeit von bisher zehn Mrd. Euro.

Leistungen der Gesundheitskasse in Gefahr

Gleichzeitig sinken die Krankenkassenbei­träge und verursachen große Löcher in der neuen Gesundheitskasse, von der Kanzler Kurz seinerzeit behauptet hatte, es würde eine »Patientenmilliarde« herausspringen. Nun summieren sich die Fusionskosten der Gebietskrankenkassen mit den Kosten der Krise, was die Gefahr heraufbeschwört, dass es als Langzeitfolge zu Selbstbehalten und/oder Leistungskürzungen kommt, nicht zuletzt, weil die Unternehmervertre­ter*innen zusammen mit den schwarzen Versichertenvertreter*innen in der Gesundheitskasse das Sagen haben.

Durch die verzugszinsenfreie Stundung der Beiträge der Unternehmen zur Sozial­versicherung fielen allen im März fast 900 Millionen Euro aus, wovon allein auf die Gesundheitskasse knapp 170 Millionen Euro entfielen. Dadurch finanzieren die Versi­cherungsgelder der Arbeiter und Angestell­ten die Krisenlasten der Unternehmer und es ist davon auszugehen, dass nur ein Teil der ausständigen Beträge tatsächlich zurückgezahlt wird. Funktionäre der Sozi­alversicherung meldeten deshalb bereits ein Defizit allein der Gesundheitskasse für dieses Jahr von mehreren hundert Millio­nen Euro an. Und in einer Aussendung heißt es, dass eine »langfristige Aufrechter­haltung und Weiterentwicklung der Leis­tungen« nur durch eine »nachhaltige finan­zielle Absicherung seitens des Bundes« gewährleistet werden könne. Doch davon ist seitens der Regierung bisher noch keine Rede.

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Auch wenn Corona derzeit vieles verändert, die Grundlagen unseres Sozialsystems werden sich nicht so rasch ändern. KARL REITTER wirft einen kritischen Blick auf den Sozial­staat.

Der österreichische Sozialstaat ist ein Resultat des Klassenkompromisses nach 1945. Verglichen mit der Situation in vielen anderen Regionen dieser Welt ist er zweifellos eine Errungenschaft. Seit Jahren wird er unter neoliberalem Vorzeichen attackiert. Permanent wird die Senkung der Sozialabgaben, verschleiernd als Lohn­nebenkosten bezeichnet, gefordert und damit die Basis der Finanzierung des Sozi­alstaates in Frage gestellt. Allerdings kann das Sozialsystem mit Sozialversicherungs­beiträgen nur zu 63 Prozent finanziert wer­den, 37 Prozent stammen aus »allgemeinen Steuermitteln«.1 Dieser Zuschuss ist vor allem den NEOS ein Dorn im Auge. Da diese Steuermittel überwiegend für die Finanzie­rung der Pensionen verwendet werden, wird behauptet, dass sich damit die »Alten« auf Kosten der »Jungen« ein fideles Pensio­nistInnenleben bezahlen lassen würden. Anstelle des derzeit noch bestehenden Umlageverfahrens, bei dem Steuern- und Sozialbeiträge der erwerbstätigen Genera­tion für die Finanzierung der Pensionen verwendet werden, soll ein privates Versi­cherungssystem treten. Dieser Kritik gilt es entgegenzutreten, aber wie?

Eine bloß passive Verteidigung des Sozial­staates, so wie er ist, kann keine linke Per­spektive sein. So sozial, wie der Name sug­geriert, ist der Sozialstaat nämlich gar nicht. Um seine massiven Mängel zu erkennen, beginnen wir mit einem Blick auf die Ausga­benstruktur. Wofür wird das Geld eigentlich ausgegeben? 56 Prozent entfallen auf Ren­ten und Pensionen, 26 Prozent auf Krank­heit/Gesundheit, neun Prozent auf Famili­enleistungen, gerade sechs Prozent auf Aus­gaben für Erwerbsarbeitslosigkeit. zwei Pro­zent für Wohnen und nur ein Prozent für die sogenannte Mindestsicherung.2 In wel­cher Art und Weise werden die Sozialausga­ben gewährt? Das Sozialministerium unter­scheidet zwischen bedarfsgeprüften und nicht bedarfsgeprüften Leistungen. »Mehr als 95 Prozent der Geldleistungen aus den Sozialschutzsystemen werden ohne Bedürf­tigkeitsprüfung, d. h. ohne Prüfung von Ein­kommen und/oder Vermögen, gewährt.«3 Was bedeutet dies im Klartext?

Die Leistungen des Sozialstaates sind so ungleich wie die Erwerbseinkommen

Es bedeutet, dass sich bei vielen Sozialtrans­fers, insbesondere bei den Pensionen, dem Arbeitslosengeld und der Notstandhilfe, die ungleichen Einkommen des Erwerbslebens in ungleichen Geldgrößen niederschlagen. Das wirkt sich insbesondere bei den Renten und Pensionen aus. Hier die Daten des Sozi­alministeriums für das Jahr 2016: Durch­schnittliche Alterspension in Euro, inklusive Kinderzuschuss und Ausgleichszulage.4

Grafik S 24

Auch beim Arbeitslosengeld und der Not­standshilfe sind die Unterschiede bedeu­tend. Der durchschnittliche Tagsatz bei der Arbeitslosen betrug 2018 bei Männern 34,60 bei Frauen 29,00 Euro, bei der Notstands­hilfe 27,50 bzw. 23,90.5 Diese Differenzen ergeben sich aus unterschiedlichen Bezah­lungen, aber auch aus den unterschiedli­chen Rechtsformen der Arbeitsverhältnisse. Prekär Beschäftigte, Scheinselbständige, SchwarzarbeiterInnen und geringfügig Angestellte können oftmals nur sehr einge­schränkt Versicherungszeiten und damit sozi­alstaatliche Ansprüche erwerben. Wobei der Unterschied zwischen Männern und Frauen nur die Spitze des Eisbergs darstellt. Die Situa­tion in der Arbeitswelt ist durch ein Bündel ineinander verwobener Hierarchien bestimmt. Zu jener zwischen Männern und Frauen tritt die zwischen ÖsterreicherInnen und Migran­tInnen, zwischen Gebildeten und weniger Gebildeten, zwischen Jüngeren und Älteren; die Auflistung ist keinesfalls vollständig.

Zusammenfassend ist festzuhalten: Die Hie­rarchien und Diskriminierungen in der Erwerbswelt drücken sich direkt im Ausmaß der Ansprüche und in der Höhe des monetä­ren Transfers aus. Diesbezüglich ist der Sozial­staat nur ein Spiegel der allgemeinen Verhält­nisse am Arbeitsmarkt und in der Arbeitswelt. Dieses Prinzip wird vom Gesetzgeber begrüßt: »Der österreichische Wohlfahrtsstaat gehört zu den Sozialstaaten konservativ-korporatisti­scher Prägung (vgl. Esping-Andersen), was sich unter anderem stark an der Anbindung sozialer Sicherung an der Erwerbsarbeit fest­machen lässt. Das bedeutet, dass z. B. die Zugangsvoraussetzungen und die Leistungsbe­messung der Geldleistungen bei Arbeitslosig­keit, im Alter und bei Invalidität überwiegend an den früheren Erwerbs- und Einkommens­status gekoppelt sind.«6 Wir sollten es in Frage stellen.

Dieses Prinzip muss überwunden werden

Die klassische sozialdemokratische und gewerkschaftliche Haltung besteht darin, die ungleichen Pensionen wohl zu beklagen – die Lösung soll aber allein in höheren Löhnen und geregelten Arbeitsverhältnissen für alle lie­gen. Bis allerdings Frauen so viel verdienen wie Männer, bis MigrantInnen so viel bekom­men wie »echte« ÖsterreicherInnen, wird noch viel Wasser die Donau hinabfließen, von der Gleichstellung von ErntehelferInnen und Pflegekräften aus dem Osten ganz zu schwei­gen. Ob zudem eine derartige Strategie für Ältere überhaupt noch relevant sein kann, sei dahingestellt. Wer mit 60 Jahren schlecht ver­dient, wird sich in den verbleibenden Erwerbs­jahren keine Spitzenpension mehr erarbeiten können. Es gilt daher entschlossen das Prinzip des Sozialstaates selbst zu kritisieren. Nicht die Höhe der Erwerbseinkommen, die Bedürf­tigkeit muss das Maß sein.

Die bedarfsgeprüften, »mindestsichernden Leistungen«

Zu diesen sozialstaatlichen Instrumenten zählt die Mindestsicherung, die Schüler- und StudentInnenbeihilfe, das Arbeitslo­sengeld und die Notstandshilfe sowie die Ausgleichszulage bei Renten und Pensio­nen. Ihr Volumen an den gesamten Sozial­staatsausgaben ist gering und beträgt rund fünf Prozent. Die hoch gelobte Treffsicher­heit des Sozialstaates umfasst gerade fünf Prozent der Ausgaben. Aber kann zumin­dest dieser kleine Teil tatsächlich als »sozial« bezeichnet werden, sozial in dem Sinne, dass damit allen Menschen eine materielle Existenz in Würde gesichert wird? Die Antwort müsste Ja lauten, wenn da nicht die massiven Auflagen und Bedarfsprüfungen wären, die insbesondere beim Arbeitslosengeld und bei der Not­standshilfe bzw. Mindestsicherung den Bezug an eine ganz Reihe entwürdigender Maßnahmen knüpfen würden. Diese Maß­nahmen haben Methode. Der alt-ehrwür­dige Nachkriegssozialstaat ist nämlich unter der Hand schon längst neoliberal umgeformt worden. Diese Veränderungen werden in der sozialwissenschaftlichen Literatur mit den Begriffen welfare state und workfare state bezeichnet. Der ehemalige Sozialstaat der Nachkriegszeit, der welfare state, sollte die Risiken einer Arbeiter-Nor­malbiographie absichern, für die Frau war der Haushalt vorgesehen. Der neoliberale workfare state hingegen nimmt den ganzen Menschen ins Visier. Der große Unter­schied zwischen diesen beiden Formen des Sozialstaates besteht weniger in einer Absenkung der Transferleistungen, son­dern in der Verknüpfung der monetären Zuwendung mit einem Bündel an paterna­listischen Bevormundungen, verordneten Eingriffen in die Lebensführung und einem ausgeklügelten Sanktionssystem. »Der Übergang von Welfare (einem bedingungs­losen Bürgerrecht auf soziale Unterstüt­zung) zu Workfare (einer bedingten, an ent­mündigende Handlungs- Berichts- und Arbeitszwänge gekoppelten Unterstützung) erzeugt einen punitiven [strafenden] Pater­nalismus.«7 Nicht soziale Sicherheit steht im Vordergrund, sondern die Zurichtung des arbeitslosen Individuums auf die Bedürfnisse des Arbeitsmarktes. Unter türkis-blau wurde die Sanktionspraxis des AMS massiv verschärft. Die Anzahl der Bezugsstreichungen durch das AMS wurde von 103.804 im Jahre 2016 auf 133.420 im Jahre 2018 gesteigert, und das bei damaliger geringfügiger Senkung der Arbeitslosenzahlen.

Den Sozialstaat zu verteidigen bedeutet unter andrem die Novellierung des § 10 AlVG »Ablehnung von Beschäftigungs- und Schulungsangeboten« zu fordern. Dieser 2007 veränderte Paragraf stellt Schulungsangebote sowie Vermittlung zu den sogenannten Sozialökonomischen Betrieben mit tatsächlichen Jobangeboten gleich. Dadurch können sich Erwerbsar­beitslose gegen schikanöse und sinnlose Kurse sowie gegen die Vermittlung zu den Sozialökonomischen Betrieben, eine trübe Mischung aus Schulungsinstituten und Leiharbeitsfirmen, nicht mehr wehren. Der § 11 AlVG »Arbeitslosigkeit aufgrund von unberechtigtem vorzeitigem Austritt, Kündigung des Arbeitnehmers, fristloser Entlassung« wäre zu streichen. Alle müs­sen das Recht haben, ihren Arbeitsplatz aufzukündigen, das darf nicht sanktio­niert werden.

Schlussfolgerung

Wer bloß von der Verteidigung des Sozial­staates spricht und die hier angeführten massiven Mängel verschweigt, legitimiert diese. Eine tatsächlich offensive und zukunftsorientierte Verteidigung des Sozialstaates muss sich konsequent gegen alle Sanktionen aussprechen sowie for­dern, dass alle Sozialtransfers aus der Gei­selhaft des Lohnsystems befreit werden. Mit einem Wort, der Sozialstaat muss in Richtung des Grundeinkommens weiter­entwickelt werden. Ob Rente, Arbeitslo­sengeld oder Mietzinsbeihilfen, alle Transfers sollten nach den vier Merkma­len des Grundeinkommens erfolgen, also tatsächlich existenzsichernd, personenbe­zogen, allgemein (die Staatsbürgerschaft darf keine Rolle spielen) und möglichst bedingungslos eingerichtet werden. Dies wird sicher nicht auf einen Schlag zu ver­wirklichen sein. Aber ein bloßes »Hände weg vom Sozialstaat« ist keine Antwort auf die Angriffe des Neoliberalismus.

1 Sozialstaat Österreich, Broschüre des Sozialminis­teriums 2019, Seite 46

1 Sozialstaat Österreich, Broschüre des Sozialminis­teriums 2019, Seite 37

2 Sozialstaat Österreich, Broschüre des Sozialminis­teriums 2019, Seite 84

3 Sozialstaat Österreich, Broschüre des Sozialminis­teriums 2019, Seite 183

4 Quelle: AMS Jahresbericht 2018; https://www.ams.at/arbeitsmarktdaten-und-medien/arbeitsmarkt-daten-und-arbeitsmarkt-forschung/berichte-und-auswertungen

5 Sozialstaat Österreich, Broschüre des Sozialminis­teriums 2019, Seite 41

6 Michael Hirsch Die Über­windung der Arbeitsge­sellschaft 2016; Seite 87)

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Die unerschütterliche Sehnsucht nach einem Platz innerhalb der kapitalisti­schen Gesellschaft bringt den Glauben an die bizarrsten Widersprüche zustande. Da staunt sogar Hegel.

VON LINDA LILITH OBERMAYR

Die Staatstheorie der Linken verzweigt sich seit jeher in zwei Seiten: einmal in die Seite der Befürworter*innen des Staates als Sozialstaat, ein andermal in die Seite der Gegner*innen des Staates als Klassenstaat. Der Sozialstaat beruht auf der Idee, den Staat zu Zwecken sozialer Gerechtigkeit einzusetzen, etwa durch den Erlass arbeit­nehmer*innen-, mieter*innen- oder konsu­mentenschutzrechtlicher Regelungen. In diesem Sinne ist auch der austromarxisti­sche »Dritte Weg« zu verstehen, der sozial­erzieherisch und sozialgesetzgeberisch die Bedingungen der Möglichkeit einer zukünf­tigen, aber aufgeschobenen Revolution schaffen will. Die durch ihn gepredigte »soziale Revolution« ist also nicht dadurch sozial, dass sie die alte Gesellschaft auflöst, sondern bloß dadurch, dass sie in eben diese alte Gesellschaft regulierend ein­greift. Der klassischen Sozialdemokratie wie dem austromarxistischen Reformismus geht es demnach primär darum, sozialen Ausgleich innerhalb der bestehenden Ord­nung herzustellen.

Jenseits von Sozial- und Klassenstaat

Demgegenüber gilt der Staatstheorie im Anschluss an Lenin jeder Staat als Klassenstaat und als solcher dient er einzig der Durchset­zung der Interessen der herrschenden Klasse. Weil der Staat auf diese Weise aber als bloßes – das heißt inhaltsleeres und erst mit Inhalt zu speisendes – Instrument begriffen ist, folgt auf das »Zerschlagen« der Staatsmacht nicht der staatsfreie Zustand, sondern die Ergreifung derselben durch das Proletariat. Dieses setzt den Staat erneut zur Durchsetzung seiner Interessen – also primär der Verstaatlichung der Produktionsmittel – ein. Nun nimmt die Leninistische Staatstheorie ihr eigenes Diktum nicht ernst, wenn sie mit der Übernahme der Staatsmacht bloß inhaltliche Kritik am Staat übt. Denn wenn jeder Staat Klassenstaat ist, hängt diese Eigenschaft offenbar nicht mit der konkreten, die Staatsmacht innehabenden Person/Fraktion, sondern mit der Form des bürgerlichen Staates als solchem zusammen.

Affirmation des Gewaltverhältnisses Namens Staat

Gemeinsam ist der sozialdemokratischen und der leninistischen Staatstheorie folglich die im ersten Fall unmittelbare, im zweiten Fall mit­telbare Affirmation des Staates als Gewaltver­hältnis. Dass der Staat Gewaltverhältnis ist, ist allein darin mühelos zu erkennen, dass er sich das alleinige Recht zur zwangsweisen Durch­setzung, das Gewaltmonopol, sichert. Es erüb­rigt sich sohin, sich mit Beweisen dafür, dass das Verhältnis des Staates zu seinem Volk ein gewaltvolles ist, auseinanderzusetzen. Im Übrigen scheint dies allein für den überwie­genden Teil der Bevölkerung auch nicht Grund zur Empörung zu sein. Anlass moralischer Ent­rüstung ist ganz im Gegenteil nicht das Gewalt- und Herrschaftsverhältnis selbst, son­dern bloß sein Missbrauch durch korrupte Poli­tik oder zu falschen Zwecken. Diese Absurdität kommt am eindrücklichsten in Debatten darü­ber zum Ausdruck, ob die Gewaltanwendung der Polizei nicht womöglich »unangemessen«, ob nicht besser an Stelle des Schlagstockes die bloße Hand verwendet, besser nur zweimal statt dreimal zugeschlagen werden sollte usf. Diese Zustimmung zur angemessenen Gewalt – neuerdings auch performativ in Form von denunziantischen Nachbarschaftsanzeigen, die ein Ruf nach Gewaltausübung durch den Staat sind – ist in einer umfassenden Beja­hung gerechtfertigter Herrschaft inbegriffen.

Ohne das zu wissen, wird der Großteil der wahlberechtigten Bevölkerung spätestens am Tag des Urnengangs zu Hobbesianer* innen: Dass der Mensch dem Menschen ein Wolf ist und der ordnenden Staatsgewalt bedarf, ist der bürgerlichen Demokratie nämlich die allerliebste Weisheit.

Lehrstücke der Ideologie I – Freiheit als Herrschaftsverhältnis

Eine differenzierte Staatskritik muss an der Form des bürgerlichen Staates ansetzen, ihn also nicht bloß nach seiner konkreten Aus­gestaltung oder als neutrales Werkzeug bestimmter Interessen verstehen. Der bür­gerliche demokratische Staat ist nicht nur der Staat der »Reichen« und »Mächtigen«, er ist der Staat aller und alle sind seine Basis. Tatsächlich ist der Staat also neutral, in dem Sinne nämlich, dass ihm alle gleich und frei sind, ja er die Freiheit und Gleich­heit aller sogar zwangsmäßig durchsetzt. Falsch ist jedoch, dass sich hinter diesem neutralen Schleier ein »Gorgonenhaupt [Schreckenshaupt] der Macht«, also das Sonderinteresse, fände.

Indem der Staat seinen Bürger*innen die Freiheit und Gleichheit verordnet, ver­weist er sie zugleich auf die Anerkennung des Privateigentums als der materiellen Betätigungssphäre ihrer Freiheit. Er gewährt ihnen Freiheit nur in der bestimm­ten Form der eigentumsmäßigen Verfü­gung, und weil ihm alle gleich sind, er also von all ihren Besonderheit absieht, gelten ihm die faktischen Eigentumsunterschiede unter ihnen nichts. Gleichheit ist nur die unterschiedslose Unterwerfung aller unter sein Recht. Gerade dadurch also, dass er als vollends neutrale Instanz die Freiheit und Gleichheit aller zwangsweise durch­setzt, setzt er den ökonomischen Interes­sengegensatz seiner Bürger*innen frei. Als Freie und Gleiche dürfen sie nun ihre gegensätzlichen Privatinteressen zu ihrem wechselseitigen Schaden verfolgen und sind in dieser Hinsicht wieder auf den Staat als regulierende Instanz verwiesen. Es ist also der Staat, der den Interessenge­gensatz, in den er die Ordnung hineinzu­tragen verspricht, erst wirklich betätigt.

Dass Freiheit ein Herrschaftsverhältnis ist, wird nicht erst in der gegenwärtigen Corona-Krise deutlich, sondern lässt sich immer dann zum Repertoire bürgerlich-demo­kratischer Alltagsweisheiten zählen, wenn einmal wieder »mehr Freiheit« vom Staat gefordert wird. Freiheit als Forderung an den Staat ist doch aber eine äußerst seltsame Kon­struktion.

Lehrstücke der Ideologie II – Der Glaube an die gute Herrschaft

Obwohl restlose Unzufriedenheit mit dem Staat herrscht – freilich wird es nie verab­säumt, ihn im selben Atemzug in einem Ver­gleich mit totalitären Staatsregimen jenseits des demokratischen Westens zu loben –, erscheint der Staat als Einrichtung zur Beför­derung des Gemeinwohls. Jeden Tag spürt der eigentumslose Teil, also die Mehrheit der Bevölkerung die Interessengegensätzlichkeit, die ihr der Staat aufoktroyiert, jeden Monat liegt die radikale Wirklichkeit als Gehaltszettel im Postfach und dennoch: gegen die negative Wirklichkeit hält die Bevölkerung fest an der Vorstellung, der Staat sorge sich um sie, und es ist diese Unerschütterlichkeit gegen jede empirische Erfahrung, die ihre Vorstellung zum Glauben erhebt. Der vollends säkulari­sierte bürgerliche Staat ist also der Staat, der jede Wirklichkeit gegen sich, aber immerhin noch den Glauben für sich hat.

Doch die Kritik am Staat ist nicht nur vom Glauben an die Gemeinwohlorientierung staat­lichen Handelns, sondern darüber hinaus vom umfassenden Glauben an die gute Herrschaft motiviert.

Durch die Brille dieses Glaubens jedoch muss jede noch so entgegengesetzte Wirklich­keit, jedes offenkundig dem eigenen Interesse entgegengesetzte Staatshandeln als Moment zur Herstellung der guten Herrschaft oder doch wenigstens als zugleich bedauerte (etwa wirtschaftliche) Notwendigkeit erscheinen. Der Staat muss die Steuern erhöhen, um zukünftig das Gemeinwohl zu fördern, und treue Patriot*innen nehmen dies mit würde­voller Selbstaufopferung gerne in Kauf. Dabei ist völlig klar, dass das Gemeinwohl nur sein Wohl, seine wirtschaftliche und geopolitische Stellung im internationalen Wettkampf der Nationalstaaten bedeutet. Wenn sich der Staat sohin in Zeiten von Epidemien um die Gesund­heit seines Volkes kümmert, so gilt ihm die Gesundheit nicht als Wert an sich, sondern als Bedingung einer funktionierenden wirt­schaftlichen Basis. Doch endet eine idealis­tische Kritik an der Wirklichkeit immerzu nur beim hoffnungsvollen Seufzer: »Eigent­lich sollte das ja nicht so sein!«

CoronAnarchismus

Nun erscheint dieser Text zu einer Zeit, in der Staatskritik salonfähig, ja vom kriti­schen Bewusstsein der mündigen demokra­tischen Staatsbürger*innen gar nicht weg­zudenken ist. Fast könnte man meinen, die sonst so patriotisch ergebene Basis flüchtet sich ins anarchistische Lager.

Gegenstand dieser neuen Staatskritik sind einerseits die massiven Einschränkun­gen in der Wirtschaft und andererseits die beobachtete Tendenz hin zum totalitären Überwachungsstaat. Hinsichtlich der wirt­schaftlichen Einschränkung steht ein gro­ßer Teil der eigentumslosen Klasse vor dem finanziellen Ruin; das ist ein Faktum und als solches ist es tragisch. Gleichwohl ist die Kritik an dieser Einschränkung paradox: Nur weil der Staat durch die Verkündung von Freiheit und Gleichheit das Kapitalinte­resse zum allgemeinen Interesse der Gesell­schaft erklärt, ist die eigentumslose Klasse zur Lohnarbeit verpflichtet. Gegenüber die­ser Not muss die Lohnarbeit als Segen erscheinen, füllt ihr Tauschwert doch monatlich die Mägen. Die Not um den lohn­förmigen Gelderwerb ersetzt die Not des lohnförmigen Gelderwerbs. Diesem Faktum gegenüber bleibt eine Kritik aber blind, die nur erst die staatliche Einschränkung der privaten Freiheit, nicht aber den staatli­chen Ursprung dieser Freiheit erkennt.

Ebenso ist die Kritik an den Maßnahmen unter Verweis auf das potentielle Zusteu­ern auf ein totalitäres Staatsregime ver­kehrt, denn diese Kritik weiß sich immer schon auf der Seite des demokratischen Gemeinwesens, dessen Wertekanon sie unhinterfragt als Maß der Dinge nimmt. Statt ihren Blick in energischer Bekräfti­gung der heimischen Demokratie spöttisch über die Grenze auf fremde Diktaturen zu werfen, sollte diese Kritik sich lieber dem eigenen Glauben an die gute Herrschaft zuwenden. Dieser Glaube kulminiert im Paradox, dass die demokratische Herr­schaft deswegen eine gute ist, weil ihr alle zustimmen.

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Von KATARZYNA WINIECKA und ANDREAS AIPELDAUER

Denken wir zurück an das erste Wochen­ende diesen März in Wien. Es ist zwei Wochen nach den rassistischen Morden in Hanau, zwei Wochen, nachdem wir im Gedenken an die Ermordeten vor der Deut­schen Botschaft standen. Am Freitag demonstrieren rund 4.000 Menschen bei einer spontan innerhalb weniger Tage organisierten Demo für die Öffnung von Grenzen für transnationale Solidarität, gegen Rassismus und Krieg. Am Samstag stören hunderte Antifaschist*innen einen Aufmarsch der »Identitären«. Am Sonntag, dem 8. März, am internationalen feministi­schen Kampftag, stehen wieder Tausende auf den Straßen gegen Kapitalismus und Patriarchat. Was für ein Wochenende! Aus heutiger Perspektive betrachtet wie aus einer anderen Welt.

Transnationale Solidarität gegen Krieg und Grenzen

Nach einer Eskalation in der nordsyrischen Provinz Idlib kündigt die Türkei ihren Deal rechtswidrige Zustände in Geflüchtetenlagern auf griechischen Inseln und dem mit der EU Ende Februar vorläufig auf. Sie hält ihre Grenzen zu Syrien weiterhin geschlossen, erklärt jedoch, dass sie Geflüchtete, die Europa erreichen wollen, nicht länger daran hindert. Tausende Menschen fliehen in Richtung türkisch-griechischer Grenze und versuchen, diese zu überwinden. Sie werden von grie­chischen Polizeikräften am Übertritt in die EU mit Tränengas und scharfer Muni­tion abgewehrt. Im Grenzbereich festste­ckend, werden sie als politisches Druck­mittel zwischen Brüssel und Ankara instrumentalisiert. Die EU-Grenzpolitik lässt Schutzsuchende nicht nur passiv im Mittelmeer sterben: Am 2. März wird der 22-jährige Mohamed Al-Arab, der aus Syrien geflüchtet war, von griechischen Grenzschützer*innen getötet. Weitere Geflüchtete werden schussverletzt. Am 4. März wird Muhamad Gulzar aus Pakis­tan an der Grenze erschossen. Es zirkulie­ren Bilder, die schwerste Misshandlungen an Geflüchteten durch griechische Poli­zeikräfte dokumentieren. Türkische Ein­satzkräfte wiederum hindern die Men­schen daran, in die Türkei zurückzukeh­ren. Zeitgleich herrschen menschen­­Festland. Faschistische Gruppen – auch aus Deutschland und Österreich – treffen in Griechenland ein. Solidaritätsstruktu­ren und Community Center für Geflüch­tete werden abgebrannt. Diese Zuspitzung der Situation können viele Menschen in Österreich nicht mehr schweigend hin­nehmen. Zusammen mit 50 anderen Orga­nisationen schließen sie sich dem Aufruf von Cross Border Solidarity Wien an, um am 6. März auf den Straßen Wiens Wider­stand gegen das österreichische und euro­päische Grenzregime zu zeigen. Unsere politischen Forderungen von damals sind aktueller denn je.

Zusätzlich erleben wir gerade einen Bruch. Anfang März konnte sich noch kaum jemand vorstellen, wie stark die Covid-19-Pandemie das gesellschaftliche Leben und unseren täglichen Alltag ver­ändern würde. Anfangs noch bagatelli­siert, sahen wir kurze Zeit später zusam­menbrechende Gesundheitssysteme, rasch steigende Arbeitslosenzahlen und das Heraufziehen einer globalen Wirt­schaftskrise, deren Ausmaß wir heute noch nicht abschätzen können. Es begann auch in Österreich die Zeit der sozialen Distan­zierung und der radikalen Einschränkung von Bewegung und Begegnung im öffentli­chen Raum. Zunächst beherrschten vor allem gesundheitspolitisch und virologisch begründete Fragen den Diskurs. Mittler­weile wird aber immer mehr Menschen bewusst, dass die im Ausnahmezustand sichtbarer gewordenen Missstände und Ungleichheiten in unserer Gesellschaft bereits vorher vorhanden waren. Sie liegen als schwerwiegende Probleme in kapitalis­tischen Gesellschaften begründet, eskalie­ren nun in der Krise und zeigen auf, wie verschiedene Unterdrückungsmechanis­men miteinander verwoben sind. Es ist höchste Zeit für Veränderung. Es ist Zeit, über neue politische Möglichkeiten nach­zudenken, unter anderem in Vorbereitung auf die kommenden Verteilungskämpfe um die in der Krise entstehenden Kosten.

Widersprüche, fehlende Rechtssicherheit und Polizeiwillkür

Zurzeit ist unsere Gesellschaft jedoch vor allem von Verunsicherung geprägt. Nie­mand kann voraussagen, was die Zukunft bringen wird. Auch wenn die Regierung Fahrpläne präsentiert, wissen wir, dass sich diese innerhalb kürzester Zeit wieder ändern können. Der Staat versucht, diese Verunsicherung zu kompensieren, indem er vorgibt, dass Ordnung und Kontrolle diese Krise lösen werden. Dabei wird eine Doppelstrategie gefahren. Zum einen erle­ben wir klassische autoritäre Maßnahmen. Zahlreiche Gesetze und Verordnungen, die die Verbreitung von SARS-CoV-2 verhin­dern sollen, wurden erlassen. Bei Nichtein­haltung werden hohe Strafen angedroht bzw. verhängt. Die Polizeipräsenz auf den Straßen wurde deutlich erhöht. Die stark steigende Zahl an Anzeigen wird vom Innenminister bereitwillig verkündet – innerhalb der ersten drei Wochen nach Inkrafttreten des Covid-19-Maßnahmenge­setzes immerhin 17.417 österreichweit. Viele dieser Anzeigen wurden mit faden­scheinigen Begründungen und in den Augen von Jurist*innen ohne ausreichende Rechtsgrundlage erstattet. Die unterschied­liche Auslegung der Ausnahmeregelungen durch die Exekutive bringt uns zum zwei­ten Teil der Strategie, die Kriminologin Angelika Adensamer und Soziologe Rein­hard Kreissl treffend mit Desinformation als Herrschaftsmittel beschreiben.

Denn: Seit Wochen scheint gar nicht so klar zu sein, welches Verhalten aufgrund der vage formulierten Ausnahmeregelun­gen der Ausgangsbeschränkungen nun gesetzeskonform ist und welches nicht. Oft widerspricht das, was in den Verord­nungen steht, dem, was auf Pressekonfe­renzen kommuniziert oder durch die Poli­zei exekutiert wird, deutlich. Diese undurchsichtige Rechtslage verstärkt die ohnehin vorhandene Unsicherheit in der Bevölkerung, sie verängstigt die Men­schen und führt dazu, dass sie im Zweifel zuhause bleiben. Sie versucht, uns in die Vereinzelung zu zwingen und die Lösung der Krise auf unser individuelles Verhal­ten zurückzudrängen. Dieses Ergebnis ist ein Ziel der beschriebenen Strategie. Wir begreifen sie als Form von Repression.

Vor dem Virus sind nicht alle gleich

Weil das Virus vor Grenzen nicht Halt macht, zeigt es uns auf, dass das Überle­ben Einzelner von den Verhaltensweisen vieler Anderer abhängig ist. Es bringt die Verletzlichkeit all unserer Leben im glo­balen Kapitalismus zum Vorschein. Beschwörungen eines gemeinsamen Schicksals und Bekundungen eines solida­rischen Zusammenhalts zeugen vom ver­breiteten Verständnis, dass die Pande­mie – anders als zuvor Kriege, Terror oder Naturkatastrophen – alle betrifft. Auch die Ausgangssperren betreffen uns alle gleichermaßen, doch die Unterschiedlich­keit ihrer Auswirkungen ist gravierend. Bestimmte Bevölkerungsgruppen sind von polizeilichen Maßnahmen stärker betroffen als andere. Die ungleiche Ver­teilung von Rechten, Chancen und Solida­rität lässt manche Menschen Last und Gesundheitsrisiko in einem viel höheren Ausmaß tragen.

Um eine Ausbreitung zu verhindern, ist es notwendig, den Schutz der von Anste­ckung und Erkrankung aktuell am meis­ten gefährdeten Gruppen zu organisieren. Das wird immer wieder beteuert. Aller­dings betrifft es de facto nicht nur Men­schen mit Vorerkrankungen oder im höhe­ren Alter, sondern auch jene, welche auf­grund der ihnen auferlegten Lebensbedin­gungen den Risiken der Pandemie am direktesten ausgesetzt sind: Bereits davor marginalisierte Personen, wie Sexarbeiter* innen, People of Color, Schwarze Menschen und Geflüchtete, insbesondere jene mit unsicherem oder ohne Aufenthaltsstatus. Die zu einem großen Teil migrantischen Beschäftigten in all den meist unterbezahl­ten und häufig prekären Jobs, in denen Home Office keine Option ist und sich viel­mehr die Wahl zwischen arbeiten gehen mit Infektionsrisiko oder Erwerbslosigkeit stellt. Nicht zuletzt die Menschen des glo­balen Südens, für die eine drohende Ver­schärfung von Armuts- und Hungerkrisen durch die Corona-Pandemie wahrscheinlich bedrohlicher ist als das Virus an sich.

Grenzregime

Die Frage, welches Leben als schützens­wert betrachtet wird, welches Leben von Bedeutung ist, rückt in diesen Tagen wie­der einmal mit brutaler Deutlichkeit ins Bewusstsein. Wen lassen wir leben, wen lassen wir sterben? Der kamerunische postkoloniale Denker Achille Mbembe bezeichnet die Nutzung politischer Macht, um zu bestimmen, wer leben darf und wer sterben muss, als Nekropolitik und hält fest, dass ebendiese die aktuelle Antwort auf die Pandemie auf nationaler als auch internationaler Ebene ist. Obwohl der Erhalt von Gesundheit als oberste politi­sche Priorität der Regierungen deklariert wird, beobachten wir dem entgegenlau­fende Maßnahmen, wie das Fortbestehen und Quarantänieren von Massenlagern für Geflüchtete statt deren sofortiger Auflö­sung. Dies zeigt auf, dass wir uns in keiner medizinischen, sondern in einer schon vor der Pandemie bestehenden tiefen politi­schen Krise befinden. Hier tritt einer der größten Widersprüche aktueller Politik zu Tage: Die Frage nach dem Umgang mit schutzsuchenden, migrierenden Menschen in Zeiten militarisierter Grenz- und Kriegs­politik sowie kolonialer und kapitalisti­scher Ausbeutungsverhältnisse des globa­len Nordens gegenüber dem globalen Süden.

Mbembe erklärt, dass die absichtliche Untätigkeit des Staates – die oft mit dem Tod der Betroffenen endet – als maßgeb­licher Teil nekropolitischer Strategien zu verstehen ist. Beispiele dafür sind die sich andauernd im Ausnahmezustand befindenden Lager für Geflüchtete oder die Verhinderung und Kriminalisierung von Seenotrettung. Sie wird erst möglich, nachdem die Figur des Anderen als tiefe Bedrohung für die Nation konstruiert und damit entmenschlicht wurde.

Was passiert aber, wenn das Wohl der bürgerlichen Gesellschaft aufgrund eines unsichtbaren Krankheitserregers plötz­lich in direkter Abhängigkeit zu einer Gruppe von Menschen steht, deren Rechte zuvor systematisch abgebaut wurden, deren Ausbeutung die nationale Wirtschaft maßgeblich mitaufgebaut hat, deren Stimmen, politische Forderungen und Kämpfe unterdrückt werden?

Was müsste eigentlich passieren, wenn die Gesundheit der österrei­chischen Staatsbürger*innen mit der Gesundheit eingesperrter Menschen in Lagern wie Traiskirchen, entrechteter migrantischer 24h Pfleger*innen, eigens dafür aus osteuropäischen Ländern ein­geflogener Erntehelfer*innen in Wech­selwirkung steht?

»Corona lehrt, dass meine Krankheit auch deine Krankheit ist, da sie dich morgen tref­fen kann. Deshalb müssen wir für uns selbst und füreinander verantwortlich sein. Corona lehrt die Welt über Leben von Geflüchteten, was es bedeutet, verletzlich, ignoriert, am Leben, aber unsichtbar, frei, aber eingesperrt zu sein, mit Tausenden von Worten, mit Tausenden von Gedanken, aber zum Schweigen gezwungen. Corona ist für alle die gleiche Lektion.« (Parwana Amiri)

Der Schutz ausnahmslos aller Menschen wird nicht vom Staat kommen. Wir wer­den ihn gemeinsam und von unten orga­nisieren müssen. Es wird hierbei auch um ein Verständnis von Solidarität gehen, das neben der Unversehrtheit von Kör­pern auch soziale und politische Teilhabe sowie eine Transformation der Gesell­schaft mitdenkt und erkämpft.

Katarzyna Winiecka ist Künstlerin und Aktivis­tin. Sie arbeitet vorwie­gend zu Fragen der Kri­minalisierung von Migration und Flucht­hilfe sowie Sichtbarkeit der Kämpfe Geflüchte­ter.

Andreas Aipeldauer studierte Geschichte und beschäftigt sich mit Fragen zu Repression und praktischer Solida­rität. Beide sind u. a. bei Cross Border Solida­rity Wien organisiert.

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