»Bitte zieht das Trojanische Pferd nicht in unser Waldviertel«, appellieren RegionalvertreterInnen des Verkehrs- und Regionalforums Waldviertel an die Vernunft der Politik.
VON BÄRBEL DANNEBERG
SYSTEMWANDEL
Die Vernunft ist enden wollend. Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner präsentierte Mitte Jänner anlässlich einer VPNÖ-Arbeitstagung in Liebnitz/Gemeinde Raabs an der Thaya ihre Pläne für 1919: »Das Verkehrsprojekt Europaspange steht für eine bessere Anbindung des Wald- und Weinviertels an Ballungszentren und internationale Wirtschaftsräume. Der erste Schritt wurde bereits gesetzt, indem sich die Vertreter der Region bereits für die Europaspange ausgesprochen haben«, so Mikl-Leitner. Alle – bis auf die Grünen, sie haben im Landtag dagegen gestimmt. Mit Unterstützung des Nachbarn Tschechien möchte die Landeshauptfrau nun die zweijährige Prüfungsdauer des Projekts dafür nützen, auf EU-Ebene intensiv Werbung zu machen, »um die Europaspange auch in europäische Infrastruktur-Netze und -Projekte einzubinden«.
Das macht klar, dass die Planung einer Waldviertelautobahn nicht der Verbesserung des Wirtschafts- und Lebensraums im Waldviertel dient. Vielmehr geht es um eine Transitschneise Richtung großer Ballungszentren in Europa quer durch naturbelassenes und abwanderungsbedingt dünnbesiedeltes Gebiet, das zu den schönsten, aber ärmsten in Österreich gehört. Mit dieser wirtschafts- und regionalbedingten Hypothek wird Hoffnung gestreut. Durch eine Betonpiste quer durch die Äcker des Waldviertels würde »das regionale Wirtschaftsprodukt der Region mit den Verkehrsprojekten laut einer neuen Studie um eine Milliarde Euro steigen«, schrieben die »Bezirksblätter Zwettl« im Jänner.
Verrückter Luxus
Ich lebe teilzeitig im Waldviertel. Mein kleiner Ort nahe Horn ist ohne Auto nicht erreichbar, der Bahnhof ist zehn Kilometer entfernt. Insbesondere an den Wochenenden gibt es keine regionale Verkehrsanbindung. Mein Dorf hat weder einen Einkaufsladen noch ein Wirtshaus. Manche erhoffen sich, dass eine Autobahn Leben in die Region bringen würde. Wahrscheinlicher aber sind Lärm, Dreck, Gestank und, wie der Verkehrsexperte Herbert Knoflacher meinte, am ehesten bringe eine Autobahn noch Kriminalität: »Wenn man das Waldviertel massiv schädigen will, dann muss man sie bauen.«
Ich Freizeit-Waldviertlerin entkomme am Land der großstädtischen dicken Luft. Ich würde gerne auf mein Auto verzichten, das eine Geldvernichtungsmaschine ist. Es verstellt tagelang wie auch viele andere Autos unbenutzt den öffentlichen Raum in Wien, zusammen mit allen Autogebührenpflichten und Sprit ein teures Vergnügen, ein Parkplatz ist trotz Parkpickerl schwer zu haben. In Wien fahre ich mit den Öffis. Was ist das für eine verrückte Welt? Plattgewalzte Autowracks würden zusammen mit allen versiegelten Betonflächen und Flughafenpisten weltweit mehr Bodenfläche als ackerbauliche Nutzflächen einnehmen. Das Wissen um diese verrückten Umweltsünden verhindert nicht, dass ich rausmöchte aus der städtischen Hektik. Ohne Auto ist das für mich nicht zu haben. Der Schlaf der Vernunft gebiert Ungeheuer und der Luxus der Möglichkeiten verschärft Ungleichheiten. Auf Kosten der Umwelt kann ich zwischen Wien und Waldviertel wählen. Die alten Leute in meinem Dorf aber sind angewiesen, dass ihnen jemand was aus der goldenen Supereinkaufsmeile bei Horn (einer anderen Umweltsünde) mitbringt.
Die Wirtschaft schafft – was?
Das Verkehrs- und Regionalforum widerlegt die scheinheiligen Argumente der BefürworterInnen: Eine Autobahn erspart den WaldviertlerInnen weder Geld noch Reisezeit, sondern bringt LKW-Transitverkehr, Lärm und Umweltbelastung und vernichtet dauerhaft 2.000 ha wertvoller Agrarfläche. Die Nordwesteinfahrt von Wien kann zusätzlichen Verkehr nicht mehr aufnehmen und die durch Schnellfahren gewonnene Zeit geht im Stau wieder verloren. Der Beschäftigungseffekt ist beim Autobahnbau niedriger als bei fast allen anderen Arten um dasselbe Steuergeld. Nach einem Autobahnbau gehen Arbeitsplätze verloren (untersucht in der Schweiz, im Südburgenland und dem Lungau). Viele kleine und mittlere heimische Handwerks- und Gewerbebetriebe werden dem steigenden Konkurrenzdruck von Konzernen zum Opfer fallen. Die Milliarden, die eine Autobahn kostet, können im Waldviertel für Bildung, Klimaschutz, Energieautarkie, schnelle Bahnanbindung, Datenautobahn und Förderung von Gewerbe und Landwirtschaft viel besser eingesetzt werden. (www.verkehrsforumw4.at)
Mir erscheinen diese Argumente logisch und die regionale Wirtschaftsbelebung fraglich. Schon allein die Umfahrungen von Seitzersdorf-Wolfpassing und Ziersdorf haben viele örtliche Geschäfte und Bauern in den Ruin getrieben, weil die von Wien ins Waldviertel Fahrenden die Umfahrungen nicht für den Einkauf verlassen. Studien bestätigen, dass Betonpisten den (Schwer-)Verkehr wie ein Magnet an- statt abziehen.
Asphaltcowboys
Trojanische Pferdestärken werden von FPÖ-Verkehrsminister Norbert Hofer unterstützt. Er hat die Erhöhung des Tempolimits auf Autobahnteststrecken damit argumentierte, dass man schließlich nicht Milliarden in den Autobahnausbau investiere, um dann die Möglichkeiten einer Verkehrsbeschleunigung durch Tempobeschränkungen einzuschränken. Die ASFINAG hat angekündigt, heuer 1,2 Milliarden Euro in Autobahnen zu investieren. Das freut die Beton- und Baulobby. Die mit medialem Politgetöse begleitete Tempobeschleunigung macht nichts schneller, weil beim Ein- und Ausfädeln schnellerer Abschnitte es sich erst wieder staut. Für die Strecke zwischen Vitis und Wien lautet die Berechnung des Verkehrs- und Regionalforums Waldviertel folgendermaßen:
»LKWs kostet die Autobahn geringfügig Zeit durch den Umweg, daher wird man auf der B2 ein LKW-Verbot brauchen, um Mautflucht zu vermeiden. PKWs bringt die Autobahn 12 min. nur dann, wenn man nicht bedenkt, dass eine Menge zusätzlichen Verkehrs (Deutschland-Rumänien) zu Stau vor allem auf der Donauuferautobahn, der Nordbrücke, dem Gürtel und der Südosttangente führt. Die Nordautobahn hat über 10.000 Fahrzeuge/Tag zusätzlich auf diese Strecke gebracht, jetzt ist sie am Limit – die Trassen können im Raum Wien nicht mehr verbreitert werden. Weitere ›Nadelöhre‹ und damit Folgekosten entstehen (z. B. Suchdol/Tschechien). Nimmt man an, dass bei noch mehr Verkehr auf der Donauuferautobahn und auf den Autobahnabschnitten bei Horn und Hollabrunn mittelfristig ein Feinstaubhunderter kommen muss (EU-Rechtsumsetzung), verliert der PKW 2 min Reisezeit, was erhebliche ›Mautflucht‹ zurück auf die B2 zwischen Horn und Stockerau (Abkürzen Hollabrunner Eck der Autobahn) auslösen wird.«
Das Verkehrs- und Regionalforum Waldviertel meint, dass »mit dem Geld, das eine Waldviertel-Spangenautobahn kostet, man 60 Jahre lang – also für ein Vielfaches der technischen Lebensdauer der Autobahnbauwerke – ein Jahresticket wie in Wien für den öffentlichen Verkehr anbieten könnte«. Aus sozialen und Klimagründen sollte der öffentliche Verkehr überhaupt weitgehend gratis oder sehr billig sein.