Das Buch Kämpferinnen ist ein erfrischendes Zeugnis feministischer Beständigkeit und beeindruckender Neuentdeckungen.
Von Bärbel Danneberg
Ein überraschender Einstieg schon zu Beginn: Feministische Wissenschaftlerinnen der Generation »Nachachtundsechzig« befragen jene der Vorzeit, also des Jahrgangs 1929 bis 1945, nach ihren Wegen kämpferischer Inanspruchnahme für Veränderung. Ein Wagnis, denn die Fragestellungen differieren trotz gleichlautender Problematiken. Und werden sich die Befragten letztendlich in den Texten wiederfinden? Die Herausgeberinnen Birgit Buchinger, Renate Böhm und Ela Großmann wählten für ihr äußerst spannend zu lesendes Buch verschiedene Vermittlungsebenen: Jung und Alt reflektiert feministisches Wirken aus verschiedenen Zeit- und Lebensperspektiven, und durch die dazugestellten Fotos der Interviewten aus früherer und heutiger Zeit kann die Lesende sich ein wirkliches Bild machen. »Unsere ›Porträtistinnen‹ sind Schriftstellerinnen, Studentinnen, Künstlerinnen, Wissenschaftlerinnen, Fotografinnen, Ärztinnen und Journalistinnen«, schreiben die Herausgeberinnen im Vorwort. »Sie nähern sich den porträtierten Feministinnen langsam, respektvoll. Am Ende waren sie sich einig: Das Eintauchen in Leben und Werk dieser großen Feministinnen war aufregend, hat neue Perspektiven und Erkenntnisse eröffnet und war ein Genuss.«
Bekanntes und Unbekannntes
Einige der zwölf porträtierten Frauen kenne ich persönlich aus meiner eigenen Tätigkeit und andere aus meiner Beschäftigung mit ihren Büchern und Theorien. Und doch taucht immer wieder überraschend Neues auf. Susanne Feigl, porträtiert von Gabi Reinstadler, kenne ich als Kollegin aus ihrer Zeit als Chefredakteurin der sozialdemokratischen Zeitschrift Die Frau. Als Autorin der Frauenberichte und durch ihre Artikel und ihre Dohnal-Biografie ist sie mir ein Begriff. Nicht gewusst habe ich, dass sie sich bereits als Zwölfjährige den Sorgepflichten ihrer kleinen Nichte annimmt, damit ihre früh schwanger gewordene Schwester ihre Ausbildung beenden kann. Erica Fischer, porträtiert von Katherina Braschel, ist so alt wie ich und ich kenne sie von den Aktionen der autonomen Frauenbewegung der späten 1970er und -80er Jahre. Mit Begeisterung habe ich ihr Buch »Aimée & Jaguar« gelesen und sie auf verschiedenen Frauendemos und als AUF-Redakteurin getroffen. Auch die Häme aus manchen feministischen Kreisen über ihre Heirat habe ich in Erinnerung.
Erstaunt hat mich ihre jetzige Haltung zum Thema Sexarbeit, ich selbst habe sie noch als Gegnerin der Prostitution, die für ein gesetzliches Verbot eintritt, gekannt – und so, wie auch bei mir, ist ihre Haltung zu dem Thema angesichts der demütigenden Frauengeschichte(n) heute realitätsbezogener.
Frigga Haug, vorgestellt von pimp ois (einer seit Jahren in Salzburg aktiven feministischen Band und als Zweierbande im Zuge der Coronazeit ins Wohnzimmer verbannt) kenne ich von Begegnungen auf Veranstaltungen, von den internationalen Marx-Fem-Konferenzen von Transform, von feministischen Tagungen, Sommeruniversitäten und vor allem durch ihre Bücher im Argument-Verlag und ihre »Vier-in-einem-Perspektive«, die zur Selbstveränderung anregt. Ihr »JA zur permanenten Unruhe« ist mir ebenso sympathisch wie das Nachspüren, welche Fragen für Frigga Haug noch offen sind: «Fast alle.«
Die porträtierten Feministinnen Christina von Braun (aufgezeichnet von Mira Turba), Heide Göttner-Abendroth (vorgestellt von Gudrun Seidenauer), Maria Mies (vorgestellt von Theresa Lechner) und Christina Thürmer-Rohr (ein Porträt auch von Mira Turba) sind mir als Wegbereiterinnen meiner eigenen frauenkämpferischen (Um-)Wege und als Autorinnen sehr vertraut. Ihre Bücher, Theorien und Filme haben mich durch viele Diskussionen und Artikel begleitet, und meine Bewunderung für sie ist trotz (oder gerade wegen) oft unterschiedlicher Sichtweisen ungeteilt: Sie kämpfen auch im Alter unbeirrt, widerständig, radikal und beharrlich weiter für die Überwindung hegemonial männlicher Macht- und Herrschaftsverhältnisse und gegen strukturelle Gewalt auf Basis von Gleichwertigkeit und Humanität.
Nicht oder ungenügend gekannt hingegen habe ich die feministische Ökonomin der ersten Stunde, Elisabeth Stiefel (Birgit Buchinger & Ela Großmann haben die 91-jährige zum Gespräch getroffen), die Journalistin und Bibliothekarin Marlies Hesse (vorgestellt von Katharina Krawagna-Pfeifer), die Redakteurin und Radio-Sprecherin Ute Remus (von Nicole Schaffer porträtiert), die Historikerin und Wissenschaftlerin Irene Stoehr (Text von Maria-Amancay Jenny) und die Unternehmerin und Autorin Helma Sick (vorgestellt von Sissi Banos). Letztere treibt bis heute die Frage um, »warum sich Frauen immer noch häufig blind und blauäugig gegenüber Geld und finanziellen Dingen verhalten, insbesondere, wenn sie in einer Beziehung leben«. Eine tickende Zeitbombe sieht Helma Sick besonders in der zunehmenden Anzahl von unverheirateten Frauen, die ihren Beruf für die Familie jahrelang teilweise oder ganz aufgeben. »Was glauben Sie, was da passiert, wenn er sich von ihr trennt? Sie stehen im Regen mit – nichts.« Das ist bis heute traurige Wirklichkeit.
Den roten Faden weiterspinnen
Die Wege dieser Frauen im Alter zwischen 91 und 24 Jahren sind sowohl als Interviewte und durch die Fragestellungen von Birgit Buchinger, Renate Böhm und Ela Großmann inspirierend und beeindruckend. Die Abschlussrunde »Schön und bitter«, aufgeschrieben von Renate Böhm, vermittelt die Intention dieses Buches »Damit der rote Faden nicht reißt«. Bis heute stellen die Frauen ihre Arbeiten und sich in den Kontext aktueller gesellschaftlicher Entwicklungen. »Gleichzeitig ist es ernüchternd festzustellen, national und international, wie wenig, wie langsam es vorwärtsgeht, wie viel unverändert ist oder gar zurückfällt.«
Das Kollektiv, »das wir uns sind, fühlt sich gut an«, heißt es zum Abschluss. »Die Diskussionen unter den anwesenden Frauen sind inspirierend und ihre Texte finden wir großartig. Diese jungen Frauen sind so gut, da muss man sich keine Sorgen machen. Da wird etwas weitergehen.«
Kämpferinnen, herausgegeben von Birgit Buchinger, Renate Böhm, Ela Großmann. Mandelbaum Verlag Wien Berlin 2021