Strom und Wärme für alle Menschen – Recht auf Energie in der EU!

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Energiearmut ist ein Missstand, der immer mehr Bewohner_innen der EU-Staaten betrifft. Ein Verbot der üblichen Praxis, Menschen von der Strom- und Gasversor­gung abzukoppeln, wurde sowohl vom Europaparlament als auch vom Europäi­schen Rat verhindert. Die ineffiziente und marktkonforme Energieversorgung gefährdet nicht nur das Leben der Armen, sondern letztlich von uns allen.

Von CORNELIA ERNST UND MANUELA KROPP

Immer mehr Menschen in der EU kön­nen ihre Rechnungen für Strom und Wärme nicht bezahlen und geraten in Gefahr, dass die Versorger ihnen die Lie­ferung von Strom und Wärme abstellen. Das heißt, sie müssen mit kaltem Wasser duschen, die Kälte kriecht durch die Wände, Elektrogeräte laufen nicht – kein Internet, kein Telefon, kein Licht, kein Bügeleisen. Und während einer Hitzewelle im Sommer: keine Klimaanlage. Dann geht der Kreislauf der Kosten erst richtig los: Es fallen zusätzliche Gebühren für die Menschen an, wenn der Strom bzw. die Wärmeversorgung wieder angestellt wer­den soll. Die Versorgung mit Strom und Wärme ist ein soziales Grundrecht und darf nicht aufgrund von unbezahlten Rechnungen angetastet werden. Die linke Fraktion GUE/NGL, die Sozialist_innen und die Grünen im Europaparlament haben sich bei den jüngsten Verhandlun­gen zum europäischen Strombinnenmarkt dafür eingesetzt, das Abklemmen von Strom- und Wärmeversorgung schlicht zu verbieten. Das wäre in der Richtlinie zum Strombinnenmarkt möglich gewesen. Außerdem hat die GUE/NGL gefordert, ein kostenloses Kontingent an Strom und Wärme anzubieten – egal wie stark die Menschen mit ihren Rechnungen im Rückstand sind. Leider haben die konser­vativ-liberale Mehrheit des Europaparla­ments und große Teile des Rats, also der Mitgliedsstaaten, diese beiden Forderun­gen abgelehnt. Die Sozialist_innen unter­stützten die Forderungen der linken Frak­tion GUE/NGL zuerst, haben dann aber im Laufe der Verhandlungen mit dem Rat nachgegeben.

Die jüngsten Daten zeigen, dass es zwi­schen den Mitgliedsstaaten große Unter­schiede gibt und die Menschen unter­schiedlich stark von sogenannter »Ener­giearmut« betroffen sind. Energiearmut liegt vor, wenn Menschen Probleme haben, die Rechnungen für Strom und Wärme zu bezahlen.1 Im Jahr 2016 konn­ten 8,7 Prozent der Menschen in der EU ihren Wohnraum nicht angemessen beheizen. Ein Fünftel der Menschen in Portugal und Zypern, und mehr als ein Viertel der Menschen in Griechenland und Litauen sind von diesem Problem betroffen; die absolute Höchstzahl wird mit fast vierzig Prozent in Bulgarien erreicht.2 Zwischen 2006 und 2012 konnte ein Viertel der Haushalte in Spanien (7 Millionen Menschen) ihre Wohnungen in der Sommerhitze nicht ausreichend küh­len. In Spanien überstieg 2010 die Zahl der vorzeitigen Todesfälle aufgrund von Energiearmut jene aufgrund von Autoun­fällen.3 In einigen Mitgliedsstaaten ist die Lage besonders schwierig: in Bulgarien, wo die Winter sehr kalt und die Sommer sehr heiß sind, können viele Menschen ihre Wohnungen weder ausreichend hei­zen noch angemessen kühlen. In Portugal ist die Witterung zwar milder, aber da dort der Gebäudebestand schlechter iso­liert ist, sieht die Lage ähnlich problema­tisch wie in Bulgarien aus.4

Strom abgedreht

Die europäische Linkspartei European Left hat im Rahmen ihres Europawahlkampfs eine Kampagne zu »Recht auf Energie« gestartet5, denn das Problem ist europa­weit virulent. Auch in reicheren Mit­gliedsstaaten geraten Menschen in diese Situation: In Österreich wird jedes Jahr ca. 28.000 Menschen der Strom abgedreht.6 In Deutschland wird jedes Jahr ca. 300.000 Haushalten der Strom, und ca. 60.000 Haushalten das Gas abgestellt.7 Als die Richtlinie zum Strombinnenmarkt ver­handelt wurde, hat die linke Fraktion GUE/NGL im Europaparlament auch

1 Power to the people: Upholding the right to clean, afford­able energy for all in the EU, Briefing von righttoenergy, March 2019 http://foeeurope.org/Majority-EU-countries-unable-keep-citizens-warm-this-winter-200219

2 Siehe: Flyer »Right to Energy« der European Left https://www.european-left.org/campaigns/right-to-energy/

3 Power to the people: Upholding the right to clean, afford­able energy for all in the EU, Briefing von righttoenergy, March 2019 http://foeeurope.org/Majority-EU-countries-unable-keep-citizens-warm-this-winter-200219

4 Power to the people: Upholding the right to clean, afford­able energy for all in the EU, Briefing von righttoenergy, March 2019 http://foeeurope.org/Majority-EU-countries-unable-keep-citizens-warm-this-winter-200219

5 https://www.european-left.org/campaigns/right-to-energy/

6 J. Pallinger, Wenn das Licht zu Hause ausgeht, Der Stan­dard, 25. Januar 2018 https://derstandard.at/2000072951741/Energiearmut-Wenn-zu-Hause-das-Licht-ausgeht (abgerufen am 21.03.2019)

7 Stefan Schultz, Deutschland lehnt Messungen zu Energie­armut ab, Der Spiegel, http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/strom-deutsch­land-blockiert-messung-von-energiearmut-in-eu-ener­gieunion-a-1209705.html (abgerufen am 21.03.2019)

Gelesen 6727 mal Letzte Änderung am Samstag, 13 April 2019 10:19
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