Dem Volk eine Stimme geben

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»Inseeel, Donauinseeel«. Szenen wie diese sind dank Elizabeth T. Spira vielen Österreicher_innen ins Gedächt­nis geschrieben. Mir ihren tiefgehenden Reportagen sowie ihren berührenden und aufrüttelnden Geschichten über den Alltag und die Liebe hat Spira Österreich nachhaltig geprägt. Es gehe ihr nicht ums Verändern, sondern darum zu ver­stehen, hat sie einmal gesagt. Ihr Vater kämpfte für einen politischen Wechsel in Spanien bei den Internationalen Bri­gaden, aus Österreich musste er als Jude und Kommunist vor den Nazis fliehen. Durch Glück bekam er, der als Deckna­men »Toni« nutzte, ein Visum nach Eng­land. Dort lernte er die Mutter von Eliza­beth kennen, die mit einem Kindertrans­port aus Österreich auf die britische Insel in Sicherheit gebracht worden war.

So kam Elizabeth Toni Spira in Glas­gow auf die Welt. Die ersten Jahre ihres Lebens verbrachte sie in England, bevor sie mit ihren Eltern und ihrer Schwester nach Österreich kam – in jenes Land, welches einen großen Teil ihrer Familie ermordet hatte. Von Geburt an umgeben von Personen, die in der Illegalität gekämpft haben, habe sie gewusst, sie könne keine Heldin werden. Sie sei dazu auserkoren, diese Geschichten zu erzäh­len. Spira wollte verstehen: Die Men­schen und die Erlebnisse, die sie geformt haben – die guten sowie die schwierigen.

Denkmal des Alltags

Ihre journalistische Karriere startete Spira beim Nachrichtenmagazin »Pro­fil«, wechselte dann aber schnell zum ORF. Dort konnte sie sich zu Beginn noch politischen Themen widmen: Über die Ortstafeldiskussion in Kärnten berichtete sie ebenso wie über das Berg­werk Fohnsdorf, sie widmete sich aber auch gesellschaftlich noch heißer umkämpften Themen wie Antisemitis­mus und Abtreibung. Nach einem Bei­trag über die SPÖ im Burgenland, der heftige Kontroversen auslöste, wurde sie von der politischen Berichterstattung abgezogen und in die Kulturredaktion versetzt. Dort entwickelte Spira gemein­sam mit anderen die Idee zu den »All­tagsgeschichten«, die sie fortan gestal­tete. Ihre lebenslange Auseinanderset­zung mit dem Nationalsozialismus und dem Umgang der Österreicher_innen damit kratzte ebenso am »rot-weiß-roten-Lack« wie die »Alltagsgeschich­ten« per se, die Menschen porträtierten, die nicht in das vom offiziellen Öster­reich gerne gezeichnete Bild der glückli­chen Alpenrepublik passten. Sie ver­schaffte so jenen ein Erbe, welche in der Geschichtsschreibung sonst meist nur als Fälle in Statistiken festgehalten wer­den und schenkte ihnen ihre und unsere Aufmerksamkeit. Mit der Nähe zu den Menschen, einem großen Herz und scharfem Verstand hob sie das Alltägli­che aus dem Verborgenen und konzen­trierte sich auf das Wesentliche im Men­schen, ohne Standesdünkel und ungefil­tert. Als Chronistin Österreichs trug Eli­zabeth T. Spira maßgeblich zur Verstän­digung und Aufklärung in einem Land bei, das gerne den schönen Schein wahrt. Damit hat sie nicht nur diesen Menschen, sondern auch sich selbst ein immerwährendes Denkmal gesetzt.

Denise Beer lebt in Europa und arbeitet in Vorarlberg

Gelesen 5959 mal Letzte Änderung am Samstag, 13 April 2019 12:02
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