Ob Blau-Schwarz, Schwarz-Orange, Rot-Schwarz, Türkis-Blau oder jetzt Türkis-Grün – die Experimente der verschiedenen Regierungsfarben der jüngeren Vergangenheit zeigen, dass keine auch noch so verwegene Tönung dem Großteil der Frauen grundlegend gleichberechtigt geholfen hätte.
VON BÄRBEL DANNEBERG
Wer redet denn von »den Frauen«. Natürlich haben Frauen profitiert von feministischem Druck, der auch Regierungskoalitionen weiblich veränderte. Parteipolitisches Karrierestreben eröffnet die Möglichkeit auch für Frauen, gut dotierte Posten zu erhaschen, Geld zu verteilen und Macht zu genießen. Vorausgesetzt, sie bewegen sich im abgesteckten ideologischen Feld ihrer jeweiligen Partei. Diese haben sich jedenfalls geschmückt mit dem weiblichen Attribut in ihren Spitzenrängen, zumindest das haben sie, wenn schon sonst nichts, von der Frauenbewegung abgekupfert. Darin bedienten sich die Schwarzen, Blauen, Orangen oder Türkisen entgegen ihren programmatischen Grundsätzen um einiges ungenierter als die Roten: Frauen garnieren vermehrt auch konservative Spitzenpositionen, und manch eine verwechselt das mit verwirklichter Gleichberechtigung in unserem Land.
Die weibliche Bevölkerungsmehrheit hingegen stößt sich immer wieder den Kopf nicht nur an einer gläsernen Decke, sondern an der Systemgrenze von Patriarchat, Kapital und Arbeit. Wir kennen und beklagen die Einschränkungen für Frauen vor allem im unteren Einkommenssegment oder für jene, die erwerbsarbeitslos, alleinerziehend oder geflüchtet sind, die Gewalt und Erniedrigung erfahren und deren Überlebensgeschick in Achterschleifen verläuft, um wiederholt am gleichen Ausgangspunkt anzukommen. Nach all den mageren Jahren und bitteren Erfahrungen ist frau geneigt zu sagen: Schert euch doch zum Teufel mit eurer Frauenpolitik. Resigniert und müde vom Kampf und den nicht eingelösten Wahlversprechen wenden sich viele ab vom politischen Geschehen, es ist ja letztlich völlig gleich, denken sie, in welcher Farbkombination ihnen noch mehr von dem Wenigen, das ihnen zugestanden wird, abgenommen wird.
Da haben sie uns also genau dort, wo sie uns hinhaben wollen: passiv, schicksals ergeben, demütig und politikmüde. Wer wundert sich über sinkende Wahlbeteiligungen und demokratiepolitische Ignoranz? Wen wundert, dass die Wut über schlechtere Lebensbedingungen ein Ventil bei radikalen Rechtspopulisten sucht? Denn eines muss leider gesagt werden: Die zunehmende weibliche Teilhabe an Regierungsämtern, staunend auch bei den Konservativen wahrgenommen, hat den Frauen leider nur Einschnitte im Arbeits-, Pensions- und Sozialrecht gebracht. Dass die Türkis-Grünen nun den jemals höchsten Frauenanteil ihrer MinisterInnen posten aufweisen, ist zwar löblich, aber wer glaubt noch an frauenpolitische Wunder?
Im Kreislauf der Windeln
In Österreich haben Frauen ein weitaus höheres Risiko als Männer, unter die Armutsgrenze zu rutschen, bestätigen NGO-Schattenberichte. Frauen verdienen hierzulande im Durchschnitt lediglich 60 Prozent des mittleren Einkommens von Männern, Arbeiterinnen sogar nur 45 Prozent. In den vergangenen Jahren hat sich die Einkommensschere nicht verringert. Im Gegenteil. Armut greift immer weiter in die gesellschaftliche Mitte und bedroht insbesondere Alleinerzieherinnen. Neben der schlechten Bezahlung ist der hohe Anteil von weiblichen Teilzeitbeschäftigten ein weiterer Risikofaktor für Armut auch im Alter. Schließlich sind Kinderbetreuung und Familien»pflichten« noch immer vorwiegend Frauendomäne, begleitet von konservativen Modellen der Familienförderung, wie z.B. das unter Blau-Schwarz eingeführte Kindergeld, oder die damalige Kärntner F-Version der Mütterpension von Jörg Haider als Belohnung für Kinderreichtum, oder der Türkis-Blaue und jetzt von Türkis-Grün übernommene Familienbonus-plus im aktuellen Regierungsprogramm. Die ökonomische Frauenwelt unterteilt sich wie gehabt in Kinder oder Karriere. Das Dazwischen ist der Frauenspagat, den viele versuchen und an dem viele, die keine Kohle für private Kinderbetreuung oder Haushaltshilfen haben, verzweifelt zerbrechen. Wer, wie die jetzige Frauenministerin Susanne Raab der Ansicht ist, die Berufsausübung sei eine ebenso wahlfreie Entscheidung wie die häusliche Kinderbetreuung, blendet die Folgen für Frauen aus. Aber gut, unsere Frauen- und Integrationsministerin will nicht als Feministin missverstanden werden.
Für eine Aktion der 20000frauen (www.20000frauen.at) habe ich einmal die Achterschleifen von Müttern an einem Glücks-Windelrad beschrieben – an den Windelmengen und -größen lassen sich die Lebensphasen weiblicher Menschen ablesen:
Phase 1: It’s a girl! Marie! Nackt geboren, betritt sie sogleich gewickelt und gewindelt die Bühne Leben. Den ersten Stuhlgang eines Neugeborenen bezeichnen wir als »Kinds-Pech«. Meist bleibt den Müttern das Pech, die Windeln vom Kinds-Pech und allem, was dann noch folgt, zu reinigen.
Phase 2: Nach den Stoffwindeln (heute wieder öko-logisch in Mode) tauchten die Pampers auf. Mit steigendem Kindesalter wuchs deren Größe. Auch hier hatten meist die Frauen das Pech, sich um trockene Kinderpopos zu kümmern.
Phase 3: Für kurze Zeit war Ruhe im Sturm des weiblichen Windelrades – außer: es betraten weitere ErdenbürgerInnen die Bühne im Leben einer Frau.
Phase 4: Tochter Marie, den Windeln entwachsen, mausert sich langsam zur Frau und wird eingeweiht in die Geheimnisse des blutigen Kreislaufes: Die Wandschränke im Badezimmer sind gefüllt mit Binden, Tampons, Slipeinlagen für Mutter und Tochter. Sie werden einander immer ähnlicher in Phase 4 dieses Kreislaufs, der sich unablässig neu perpetuiert: Das kleine Mädchen, nun Mutter-Frau, erfährt Phase 1, die Mutter, nun Großmutter, erfährt Phase 5.
Phase 5: Während Marie Kinds-Pech-Phase 1 durchlebt, bekommt Mutter, jetzt Großmutter, Familienzuwachs: Urgroßmutter muss von ihr daheim gepflegt werden. Nun, in Pension und im Klimakterium, braucht Mutter-Großmutter zwar weder Windeln noch Tampons oder Binden, doch Urgroßmutter braucht sie. Auch sie hat alle Phasen im Windelrad durchlebt und erlitten und ist nun bei Phase 6 angekommen.
Phase 6: Inkontinenz. Mit steigendem Lebensalter werden die Windeln immer größer. Und die Hoffnungen immer kleiner, dass das Rad der pflegenden Windelgeschichte sich einmal in die andere Richtung drehen möge. Unentwegt dreht es sich im Kreis der Töchter, Mütter, Großmütter, Urgroßmütter: raus aus den Windeln, rein in die Windeln. Kinds-Pech gehabt, Marie! Windelglücksrad? Väter, Männer, Partner, Freunde, Großväter: dreht doch auch einmal eure Runden in diesem Windel-Kreislauf!
Im Hamsterrad des Patriarchats
Es gab einmal eine Zeit, da waren uns die Berichte zur Lage der Frauen in Österreich, die auf Initiative der früheren Frauenministerin Johanna Dohnal in regelmäßigen Abständen erschienen, Ansporn, über Strategien und Lösungskonzepte zur Veränderung der Situation nachzudenken. Ausführlich gaben diese Berichte Auskunft über den Zustand österreichischen Frauenlebens. Das ist schon lange vorbei und wurde von Schwarz-Blau auch schon mal durch einen Männerbericht ab- und dann überhaupt aufgelöst (wie es in dieser Zeit auch einmal einen männlichen Frauenminister gab). Heute gibt es weder noch – und noch nicht einmal ein Frauenstaatssekretariat für allgemeine Frauenfragen wie zu Dohnals Zeit oder ein eigenes Frauenbudget. Diese Frauenberichte waren immer wieder Anlass für Aktionen von Frauen, um bessere Lebensbedingungen zu kämpfen. Damals wurde zumindest noch gestritten um Strategien, Ressourcen und politische Einflussnahme. Auf Enqueten, Frauenveranstaltungen und Demonstrationen ermächtigten sich Frauen, ihre Interessen selbst zu vertreten. Solidarität war damals nicht nur der Name eines Gewerkschaftsblatts.
Heute ist das anders. Heute wird delegiert und Verantwortung abgeschoben, und zwar nach unten – vom Bund zu den Ländern und Gemeinden, von den Sozialressorts zu den karitativen Einrichtungen und letztlich zu den Betroffenen selbst. Heute heißt es, wir haben doch Gender-mainstreaming, wer will, kann die eigene Situation verbessern. Wer nicht will, muss durch Zwangsarbeitsnahmen genötigt werden, jeden noch so beschissenen und schlecht bezahlten Job anzunehmen. Heute sind Frauen in verstärktem Ausmaß Konkurrentinnen am globalisierten Arbeitsmarkt, Bittstellerinnen in einem ausgehöhlten Sozialstaat, sie sind eine unsichtbar gemachte Verschubmasse, die je nach Wirtschaftslage für Sozial- oder andere Dienste eingesetzt oder freigesetzt werden kann. Heute wird der Überlebenskampf von Frauen privatisiert, anonymisiert und individualisiert. Ein, zwei, drei prekäre Jobs – und es reicht vielen noch immer nicht zum Überleben.
Aber auch immer mehr Männer erfahren nun, wie es ist, auf der sozialen Stufenleiter weiter nach unten zu rutschen. Prekäre Beschäftigung ist jetzt zunehmend auch ein Männerschicksal, ebenso die von Türkis-Blau beschlossenen neuen Arbeitszeitmodelle des Zwölfstundentages oder einer wöchentlichen Arbeitszeit von 60 Stunden. Die erste Tat der jüngsten Regierung ist die Abschaffung der von der Vorregierung eingeführten Hacklerregelung unter dem Vorwand, Frauen hätten sowieso nichts davon. Rolle rückwärts …
Im Würgegriff der Politik
Vor 45 Jahren wurde von der UNO-Generalversammlung das Internationale Jahr der Frau ausgerufen. Es folgten UNO-Dekaden der Frau und Frauenweltkonferenzen (bei der letzten 1995 in Peking war ich dabei) mit entsprechenden Aktionsplänen. Entscheidend für politische Veränderungen war damals der außerparlamentarische feministische Druck von Links. Das hat Parteien und Politik angeschoben, sich zu bewegen – und nicht die gutbezahlten Spin Docs aus der Beraterbranche.
Doch immer wieder stoßen Frauen an die Grenzen von Kapital, Arbeit und Patriarchat. Der politische Frauenalltag ist zäh, wie auch der Film »Die Dohnal« von Sabine Derflinger (derzeit in österreichischen Kinos) anschaulich zeigt. »Aus taktischen Gründen leise zu treten, hat sich noch immer als Fehler erwiesen«, heißt es zu Beginn des Films (großartig der musikalische Auftritt von Yasmo dazu!). Das wurde Johanna Dohnal zum Verhängnis, als sie nach einem Gespräch mit Bundeskanzler Vranitzky offen über ihre Pläne sprach: Sie wollte bis Ende 1995 nach der Bundesfrauenkonferenz, nach der Präsentation des Zehn-Jahres-Frauenberichts und nach ihrer Teilnahme an der UNO-Frauenweltkonferenz in Peking aus der Regierung ausscheiden. »Das öffnete die Schleusen für ein leichtes Spiel«, wird aus ihren Tagebüchern zitiert. Aus der Zeitung erfuhr sie, dass sie schon vorher gehen soll. Am 31.3.1995, nachdem Dohnal sich dem Koalitionsabkommen mit der Absage an die Karenz regelung gebeugt hatte, wurde sie vor aller Augen vorzeitig demontiert. Diese Filmszene der Erniedrigung zeigt die nervliche Belastung am Ende ihrer politischen Karriere, begleitet von einer Musik, die an Herzklopfen erinnert.
Die Verzweiflung, das weibliche Ruder im männlichen Strom in der Hand zu behalten, drückt sich nicht zuletzt auch in der jetzigen Mitgliederbefragung von SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner aus, die in den nächsten Wochen von der Basis wissen möchte, ob sie die richtige Person an der Spitze der Sozialdemokratie sei. Das ist der freie Fall ins Messer männ lichen Macht kalküls. Ich hoffe nicht, dass Rendi-Wagner über die Medien von ihrem weiteren politischen Werdegang erfahren wird.