Katholiban und die neue ÖVP: Ein Dramolett in fünf Akten

von

von Karl Reitter

Um Missverständnisse zu vermeiden, sei vorweg klargestellt, dass es zahlreiche Menschen christlichen Glaubens gibt, die sich sozial und humanistisch engagieren. So beteiligten sich viele katholische Organisationen am Appell, endlich Flüchtlinge aus ihren unzumutbaren Bedingungen zu retten und ihnen in Österreich Asyl zu gewähren. In vielen gesellschaftlichen Bereichen gedeiht die Zusammenarbeit zwischen christlichen und marxistischen Kreisen ausgezeichnet und ist von gegenseitiger Achtung und Respekt bestimmt. Diese kleine Geschichte handelt aber von einer ganz anderen Spezies, den Katholiban. Statt christlicher Nächstenliebe wird die Gewöhnung an hässliche Bilder gepredigt und es gilt ehern das Bibelwort »Ihr Frauen, ordnet euch euren Männern unter wie dem Herrn (Christus)« (Eph 5,22). Wir müssten ihnen eigentlich keine besondere Aufmerksamkeit schenken, wenn sie nicht zu den Einflüsterern im Bundeskanzleramt zählen würden. Hier der Report über ihren Aufstieg in der ÖVP in fünf Akten.

Eins: Der Messias erscheint

Im Mai 2017 erklomm er endgültig das Lampenlicht der Öffentlichkeit. Sebastian Kurz wurde Bundesparteiobmann der ÖVP. Gut unterrichtete Kreise behaupten, der junge Feschak sei von der alten Garde der Katholiban gepusht worden. Allen voran vom Ehepaar Schüssel, wobei Krista Schüssel dem Vernehmen nach eine sehr spezifische Rolle spielte.

Zwei: Wo ein Messias ist, sind die Katholiban nicht weit.

Als Weggefährte der ersten Stunde ist Bernhard Bonelli zu nennen, Kabinettchef im Bundeskanzleramt. Und da großen Geistern Österreich oft zu beschränkt ist, betreut er ebenso das International Catholic Legislators Network (ICLN), ein Netzwerk von Politiker:innen des wahren Glaubens. Ursprünglich hieß Bonelli mit seinem Taufnahmen Adametz, nahm aber bei seiner Hochzeit den Namen seiner Braut an. Als Trauzeuge fungierte niemand Geringerer als Sebastian Kurz. Dieses Sakrament der Ehe dürfte unter dem besonderen Schutz der Heiligen stehen, seine Angetraute ist nämlich die Cousine von Raphael Maria Bonelli, der sich selbst bescheiden als »Neurowissenschaftler, Psychiater, Buchautor sowie Vortragender« (www.raphael-bonelli.com) bezeichnet. Raphael M. Bonelli widmet sich nicht nur besonders der Heilung von Homosexuellen, sondern erklärt auch einfühlsam und populär: »Warum Gender-Mainstreaming Männer kastriert und Frauen frustriert«. So viele Bonellis, da ist Verwechslung vorprogrammiert. So erklärte der Weggefährte des »Heilsbringers« (bürgerlicher Name Kurz), Bernhard Bonelli, auch überzeugend, nicht er, sondern sein Cousin Raphael Bonelli sei Mitglied bei Opus Dei, zu Deutsch beim Werk Gottes. Zu weiteren Vertreter:innen dieses Spezies zählt neben Dr. Gudrun Kugler, die es allerdings nur bis in Parlament schaffte, auch Mag.a Aleksandra Ledóchowski, der der Sprung vom Bundesministerium für Familien und Jugend in das Bundeskanzleramt gelang. Auch den Namen Ledóchowski sollten wir uns merken. Denn ihr Ehegatte Jan Ledóchowski zählt zweifellos zu den umtriebigsten Vertreter:innen: So soll er nicht nur regelmäßig in Rom gesehen werden, er hatte auch die Ehre, als langjähriger Präsident der Plattform Christdemokratie ein Gespräch mit dem Gründer des Gebetshauses in Augsburg, Johannes Hartl, zu führen. Dieser erklärte im lockeren Plauderton: »Im Christentum ist eine dialogische Grundstruktur enthalten. Es ist kein Zufall, dass das Christentum so gut mit Demokratie zusammen funktioniert und im Wesentlichen nur christliche Staaten Demokratien entwickelt haben.«1 Ja, die Gesprächskultur der Inquisition oder die Überzeugungsarbeit gegenüber Ketzern und Andersgläubigen muss schon gewürdigt werden, auch wenn der Dialog manches Mal etwas einseitig verlief.

Drei: Harte Prüfungen für die Rechtgläubigen

Die für ihre Ehrlichkeit und Offenheit bekannte ÖVP führte bei der letzten Wien Wahl im Oktober 2020 ein internes Prozedere der Vorzugsstimmen ein. Und tatsächlich, die beiden Katholiban Jan Ledóchowski (Plattform Christdemokratie) und Suha Dejmek-Kahlil (Freikirchen) bekamen 1.758 sowie 1.168 Vorzugsstimmen, was vom Institut für Ehe und Familie (www.ief.at) als »fulminantes Ergebnis« gefeiert wurde. Nur so zum Vergleich: Die ÖVP brachte es auf 148.238 Stimmen. Immerhin über 1 Prozent für Ledó-chowski. Nach dem Triumph folgte die Schmach. Die nach der Wahlordnung vorgereihte Antonia Heiml war jedoch nicht bereit, zurückzutreten und pfiff auf das vorher von ihr unterschriebene Fairnessabkommen, welches das parteiinterne Vorzugsstimmensystem über das der Gemeindewahlordnung stellt. Ihr kommendes Schicksal beim Jüngsten Gericht ist noch ungewiss, Tatsache ist nur ihr Ausschluss aus der ÖVP. Aber Ehre dem Gerechten: Ledóchowski wurde Sprecher für Christdemokratie des Landtagsklubs der ÖVP Wien und kommentierte seinen neuen Job mit Sendungsbewusstsein eines Vertreters des Herrn auf Erden: »Sprecherrollen werden im Normalfall nur von verdienten Gemeinderäten wahrgenommen. In die-ser Funktion kann ich für all die Anliegen eintreten, die so vielen von uns wichtig sind und in vielerlei Hinsicht wirkungsvoller, wie als einfacher Gemeinderat«. (www.ief.at) Über die finanzielle Regelung ist leider nichts bekannt, aber irgendwie wurde der Verlust seines Einkommen aus dem verweigerten Gemeinderatsmandat wahrscheinlich schon ausgeglichen.

Vier: Endlich, Gebete auf höchster Ebene

Im Dezember letzten Jahres war es dann sei weit: Es wurde im Parlament gebetet. Dem wahren Charakter unseres schönen Landes wurde endlich Rechnung getragen. Aufklärung hin, Laizismus her, was soll’s?, die Trennung von Staat und Kirche wurde so und so nie konsequent vollzogen. »Österreich ist auf christlichen Werten aufgebaut. Diese Werte können vom Staat nicht per Gesetz erzwungen und per Mehrheitsbeschluss eingeführt oder abgeschafft werden«, sagt Jan Ledóchowski. (Quelle: zackzack.at) Worum sich das »Gespräch mit Gott«, für Nicht-Katholik: innen »beten«, eigentlich drehte, wurde leider nicht bekannt. Gottlose Atheisten waren sofort zur Stelle, um das Ereignis von Stille und Einkehr herunterzumachen. Und das »in einer Krise und im Advent!« so Jan Ledóchowski am 21. Dezember im DerStandard, und setzt fort: »Diese Gebetsfeier steht in einer internationalen Tradition und ist Ausdruck eines entspannten, reifen Verhältnisses zu Glaube und Religion in unserer Gesellschaft.«

Fünf: Wo ein Messias und Gebete, da sei auch ein Seliger

Eine Partei, in der Gläubige des wahren, wirklichen, christlichen Glaubens sich mühsam, aber doch Gehör schaffen können, eine Partei, die einen Messias an ihrer Spitze ihr eigen nennt, das kann keine Partei wie jede andere sein. Den Habsburgern war das Gottesgnadentum sicher, aber müsste es nicht auch in der ÖVP, die ihn ihrem türkisen Gewand endlich zu sich selbst gefunden hat, Rechtgläubige von vorbildlichem Lebenswandel geben? Wer tot ist, kann sich nicht mehr wehren, also fiel die Wahl auf Leopold Figl. Ob für eine Seligsprechung tatsächlich noch immer Wunder des Verstorbenen nachzuweisen sind, dürfte angesichts der geringen Auskunftsfreude des Vatikans schwer zu eruieren sein. Der Märtyrertod scheidet wohl aus, aber ein »heroischer Tugendgrad« (heroicitas virtutum) wird sich schon nachweisen lassen. Laut Wikipedia sollen bei einer Seligsprechung »etwa 250.000 Euro an Kosten« anfallen. Daran dürfte es wohl nicht scheitern. Es keimt jedoch ein schlimmer Verdacht auf: Es wird sich bei den Katholiban doch nicht gar um eine Parallelgesellschaft handeln?

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Gelesen 7601 mal Letzte Änderung am Montag, 08 Februar 2021 23:18
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