VON MICHAEL GRABER
Es gibt viele Strandbäder in Wien. Sie befinden sich entlang der 20 Kilometer langen Alten Donau, einem ehemaligen Donauarm, der nach der Donauregulierung übriggeblieben ist. Zwischen dieser und der Lobau gibt es ein gewisses Spannungsverhältnis. Wer einen kleinen Komfort genießen will, besucht die Strandbäder, wer es romantischer haben will, geht in die Lobau baden. Früher war das Unterscheidungsmerkmal FKK oder nicht. Seit es im Gänsehäufel einen großen FKK-Bereich gibt, hat sich das egalisiert. Bleibt noch ein Unterschied: das Eintrittsgeld.
Ich bin Gänsehäufler und ein privilegierter noch dazu, denn ich habe eine der begehrten Kabanen – Kabinen mit Vorbau und einem schönen Rasenstück rundherum, ein Gartenersatz, aber ohne Arbeit, ein PensionistInnenrefugium. Man kennt sich und es gibt dort sogar ein kleines Kummerldorf.
Das Gänsehäufel hat dank seiner Größe – immerhin 28 ha – viele Facetten: drei Strände, Wellenbecken, Kinderbecken, Sportplätze, ausgedehnte Liegewiesen, Restaurants Shoppingmall, Klettergarten und anderes mehr. Das beste Restaurant ist das am Weststrand direkt am Wasser mit Blick auf die Skyline der Donaucity, wenige Schritte von der Kabane entfernt. Es ist Platz für über 30.000 BesucherInnen, in der heurigen kurzen Coronasaison wurde die Kapazität allerdings auf 13.500 eingeschränkt. Das Coronaregime bezüglich des Eintritts war zwar ärgerlich, geht aber hoffentlich nächstes Jahr wieder vorbei.
Lange Jahre hatten wir die Kabine Nr. 13, die wegen der Unglückszahl niemand haben wollte. Die lag direkt neben den Tischtennistischen und den Tennisplätzen und erlaubte den Blick auf alle vorbeigehenden Ankömmlinge. Sport hat am Gänsehäufel interessante Änderungen erfahren. Konnte ich als Jugendlicher am großen Fußballplatz mit ehemaligen Kickerkönigen der Wiener Liga ab und zu geduldet, sogar vor Publikum und natürlich barfuß, mitspielen, ist der Platz heute in der Regel fast leer. Dafür tummelt sich alles rund um die Beachvolleyballplätze. Auch der Basketballplatz ist noch frequentiert. Die Kleinsten zieht es zur Hupfburg und die Sprungmatten. Im Wasser ist Surfbrettpaddeln derzeit am gefragtesten.
Natürlich gilt die erste Tätigkeit nach der Ankunft im Bad dem Sprung ins Wasser. Die Wasserqualität ist dank der Schlingpflanzen, die allerdings regelmäßig gemäht werden, in der Regel sehr gut. Ich fühle mich bei Wassertemperaturen zwischen 23 und 25 Grad am wohlsten. Danach steht ein Besuch am anderen Ende der Insel, dem FKK-Gelände an. Dieses hat eine eigene Infrastruktur mit Blocksauna, Massagetischen, Schachfeld, Kaffeehaus und zahlreichen Holzliegen. Es sind insbesondere die Kneterinnen aus Thailand, die mich veranlassen, regelmäßig den weiten Weg von der Kabane ins FKK-Gelände anzutreten. Dort lasse ich mir einen Termin geben. Der Kollateralnutzen besteht auch darin, dort linke FreundInnen zu treffen, die sich bevorzugt im FKK-Gelände tummeln.
Um 20 Uhr ist leider Schluss
Von diesem Ausflug zurückgekehrt, ist Kaffeekochen angesagt, zu dem auch die umliegenden Kabanieros eingeladen werden. Mit entsprechenden Ruhezeiten vergeht langsam der Tag. Um 15 Uhr beginnt der Kasperl seine Vorstellung, alternativ bietet sich auch die Minigolfanlage an. Um 20 Uhr endet der Badetag, im September bereits um 19 Uhr, obwohl dank Sommerzeit die Sonne noch hochsteht. Unzählige Petitionen haben eine Verlängerung der Badezeit gefordert, sind aber an der Sturheit der Bäderverwaltung gescheitert, die offenbar keine Überstunden zahlen oder kein zusätzliches Personal einstellen will. Die heurige Saison ging Coronabedingt nach nur dreieinhalb Monaten am 20. September zu Ende, denn der Mai war ausgefallen. Die Kabane überwintert nun.
Die An- und Abfahrt ist in der Regel unkompliziert, dank Bäderbus und U1. Der Bäderbus wurde allerdings heuer aus unerfindlichen Gründen eingestellt, weshalb sich umso mehr Fahrgäste in den beiden 92er Bussen drängten und deren Frequenz auch an den schönsten Wochenenden nicht erhöht wurde. Der Ausfall des Bäderbusses verlängert den Weg von und zum Gänsehäufel, was für die älteren Besucher eine zusätzliche Erschwernis darstellte. So bleibt doch heuer noch ein etwas bitterer Nachgeschmack.