Eindrücke von Michael Graber über »seinen« Reumannplatzplatz, der anderes zu bieten hat als negative Schlagzeilen in Vorwahlzeiten.
Alle reden vom Viktor Adler Platz, auf dem sich der Viktor Adler Markt befindet. Wegen des Namens ist er ein Synonym für Favoriten geworden und alle Parteien raufen sich, in der Fußgängerzone, die dort vorbeiführt, ihre Kundgebungen abzuhalten. Allerdings hat der Platz mit Viktor Adler und den Anfängen der organisierten Arbeiterbewegung nicht wirklich etwas zu tun. Der Gemeindebau, der den gleichen Namen trägt, steht an der Triester Straße, und das Zentrum der frühen SPÖ, das ehemalige Favoritner Arbeiterheim und das Hotel Favorita, steht an der Laxenburger Straße, und von den wirklichen Anfänge am Wienerberg, wo die »Ziegelböhm« arbeiteten und hausten, ist nichts mehr zu sehen.
Das wirkliche Zentrum Favoritens ist der Reumannplatz, benannt nach einem sozialdemokratischen Bürgermeister anfangs der 20er Jahre des vorigen Jahrhunderts. Dort treffen sich die wichtigsten Verkehrslinien des Bezirks – die U1 (bis 2017 deren Endstation) und zahlreiche städtische und Regionalbusse. Radwege streifen den Platz. Dort steht das monumentale Amalienbad – ein Jugendstiljuwel –, und in den Frühjahr- und Sommermonaten öffnet natürlich der Tichy, das bekannteste Eisgeschäft in Wien, und am unteren Eck befindet sich die größte und frequentierteste Apotheke des Bezirks. Dort endet auch eine der ältesten Fußgängerzonen in der Favoritenstraße. Gleich neben dem Amalienbad besuchen zahlreiche SchülerInnen die höhere Lehranstalt für wirtschaftliche Berufe.
Vor und nach dem Umbau
Der Reumannplatz ist das Kommunikationszentrum Favoritens. An Nichtregentagen ist er das verlängerte Wohnzimmer zahlreicher Familien, die den Kinderspielplatz oder die Bänke und Sitzgelegenheiten nutzen und damit den beengten Wohnverhältnissen zumindest zeitweise entkommen. Gelegentlich spielen StraßenmusikerInnen aus aller Herren und Frauen Länder, aber auch Stammgäste. An den U-Bahneingängen sind ZeitungsverkäuferInnen platziert, die ebenfalls schon jahrelang dort heimisch sind. So war es bis vor kurzem. Denn seit einem Jahr wurde der Platz umgebaut und im September mit großem Pomp »wiedereröffnet«.
Leider nicht zu seinem Vorteil, wie sich rasch herausstellt. Statt mehr Grün, wie versprochen, ziehen weite Betonwege ihre Schneisen durch den Platz. Die Bänke und Sitzgelegenheiten sind am Rande der Betonwüsten platziert und an heißen Tagen unerträglich. Die Grünflächen sind Randerscheinungen, anstatt satter, grüner Grasflächen sind zum Teil spärlich begrünte Kiesböden angelegt. Allerdings, die parksuchenden AnwohnerInnen haben trotzdem den Platz wieder in Besitz genommen, denn die Bänke und Spielplätze sind schon wieder voll genutzt. Immerhin konnte eine BürgerInneninitiative bisher verhindern, dass auf dem Platz eine Nobelgastromeile auf Kosten der Freiflächen errichtet wurde, was ursprüngliche Pläne durchaus vorsahen. In einem Eck stehen nun Fitnessgeräte, von denen noch nicht klar ist, ob sie von den Jugendlichen angenommen werden.
Zwei Fortschritte sind zu nennen: Im Zuge des Umbaus wurde die Fußgängerzone bis zum Tichy verlängert und damit eine Gefahrenzone entschärft, die sich aus dem Gemenge zwischen EiskonsumentInnen, vor allem auch Kindern, und den vorbeifahrenden Autos zusammensetzte. Dies hätte die Stadtverwaltung allerdings schon 30 Jahre früher machen können, als ich als damaliger KPÖ-Bezirksrat einen entsprechenden Antrag in der Bezirksvertretung einbrachte.
Der zweite positive Effekt besteht darin, dass nun vor dem antifaschistischen Mahnmal, das anfangs der 80er Jahre errichtet wurde, ein kleiner Platz eingerichtet wurde, sodass das Monument optisch mehr ins Zentrum des Platzes rückt.
Als »Hauptplatz« einer Zweihunderttausend-EinwohnerInnenstadt ist der Reumannplatz trotz alledem überschaubar, unaufgeregt und relativ ruhig geblieben. So oder so ist es »ihr« Platz, der alteingesessenen und der zahlreichen »migrantischen« Menschen, der Kinder und der PensionistInnen des Bezirks.