KPÖ im Wandel

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Unter der Losung »Was tun!« trat der 38. Parteitag der KPÖ zusammen. Fortan wird eine neue Generation Gesicht und Politik der Partei prägen.

Von Michael Graber und Mirko Messner

Drei Mal musste er verschoben werden, am 19. und 20. Juni konnte er endlich stattfinden. An diesem heißen Wochenende versammelten sich rund 150 Kommunist* innen in der VHS Liesing, um den 38. Par­teitag der KPÖ durchzuführen. Es war damit auch das erste größere Zusammen­treffen der Partei seit Beginn der Corona-Zeit, das endlich auch wieder die Atmo­sphäre des kollektiven Beratens, Diskutie­rens und Entscheidens spürbar werden ließ. Delegierte aus allen Bundesländern und Vertreter*innen befreundeter Organi­sationen waren gekommen. Das Bedürfnis, einander wieder zuzuhören, war an der großen Aufmerksamkeit im Saal abzulesen. Während bei den Parteitagen anderer Parteien, aber oft auch bei Parteitagen der KPÖ in der Vergangenheit, die Musik, also die eigentlich relevanten Diskussionen, in den »Couloirs«, d. h. in den Nebenräumen oder beim Buffet spielte, war das diesmal ganz anders.

Generationswechsel

Es war auch deshalb ein besonderer Parteitag, weil er einen Einschnitt und einen neuen Aus­gangspunkt in der Entwicklung der KPÖ bedeutet. Der Einschnitt ergab sich daraus, dass er mit einem gründlichen Generations­wechsel in den leitenden Gremien verbunden war. Mirko Messner, der seit 2006 Bundesspre­cher der KPÖ war, kandidierte nicht mehr für diese Funktion. In gewisser Weise trat die »Nach-68er-Generation« ab, zu der auch der ehemalige Parteivorsitzende Walter Baier und der langjährige Finanzreferent Michael Graber gehören. Sie wurden vom Parteitag mit viel Applaus aus ihren Funktionen verabschiedet.

Motivierende Wahlerfolge

Eröffnet wurde der Parteitag von Michael Gra­ber. Er verwies unter anderem auf den Plan, das Arbeitslosengeld auf 40 Prozent Nettoer­satzrate zu reduzieren, sowie auf den Hinaus­wurf von einem Drittel der Belegschaft im LKW-Werk in Steyr und die Lohnkürzungen von 15 Prozent für den verbleibenden Rest. Darin zeige sich beispielhaft die antisoziale Brutalität, mit der in den nächsten Jahren zu rechnen sein werde. Umso motivierender sei es, dass der Parteitag an einige bemerkens­werte wahlpolitische Erfolge in den letzten drei Jahren anknüpfen kann: Wiedereinzug in den Salzburger Gemeinderat mit KPÖ Plus, Erringung der Vertretung der Alternativen Liste Innsbruck im Gemeinderat mit Unter­stützung und Beteiligung der KPÖ, Ausbau der Vertretung im steirischen Landtag mit den zwei Mandaten, wobei das Dritte nur knapp verfehlt wurde, sowie das gute Abschneiden bei den steirischen Gemeinderatswahlen. Wahlerfolg bei den Wiener Bezirksratswah­len gemeinsam mit Links mit 23 Mandaten in 15 Bezirken, von denen neun statt bisher fünf von Mitgliedern der KPÖ gehalten wer­den. Der fulminante Wahlerfolg der Liste Schuh-KPÖ in Fischamend bei den Gemein­deratswahlen in Niederösterreich, wo mit 12 Prozent sogar die SPÖ überholt wurde, Stim­men- und Mandatszuwachs des Gewerk­schaftlichen Linksblocks bei den Arbeiter­kammerwahlen usw. Insgesamt, so berich­tete Florian Birngruber dem Parteitag, hält die KPÖ derzeit 115 kommunale Mandate, davon 80 in der Steiermark. Und dann gab es vor wenigen Wochen bei den Wahlen zur Österreichischen Hochschüler*innenschaft (ÖH) den Wahlerfolg von KSV-LiLi mit drei Mandaten und absoluten Stimmengewinnen trotz niedriger Wahlbeteiligung an der Uni­versität Wien, der größten Uni im deutsch­sprachigen Raum. KSV-Lili wurde damit drittstärkste Fraktion, noch vor den ÖVP- Student*innen, und ist erstmals auch im Uni­versitätssenat, dem wichtigsten Gremium der Uni Wien, vertreten. In der Bundesver­tretung der ÖH konnten die beiden kommu­nistischen Listen (KSV-Lili und KSV-KJÖ) ihre Mandate von zwei auf vier verdoppeln.

KPÖ nicht allein zu Haus

Mirko Messner und seine bis 2012 Ko-, danach stellvertretende Bundessprecherin Melina Klaus, die ebenso wie die Stellvertre­tenden Christiane Maringer und Michael Schmida nicht mehr kandidierte, referierten den Rechenschaftsbericht gemeinsam.

Heute, so Messner, unterscheidet sich die politische Landschaft stark von jener in den vergangenen Perioden: Einerseits ist die KPÖ wie alle Linksparteien mit einer globalen Umbruchsituation konfrontiert, in der sich vielfältige Krisen ineinander verflechten und insgesamt durch die ökologische Krise ver­tiefen, und in der die Linke weltweit ihren Platz finden muss. Andererseits ist die KPÖ in der österreichischen politischen Land­schaft nicht mehr allein, was den organisier­ten politischen Raum links von SPÖ und Grü­nen betrifft. Beides vergrößere immens die Anforderungen an die Kommunikationsfä­higkeit der Partei, erfordere neue Ansätze der Organisierung gegen eine Rückkehr zur alten Normalität, für soziale Alternativen, für bedingungslose soziale Existenzsiche­rung.

Melina Klaus thematisierte auch den Begriff der Aktivist*innenpartei. Nach dem Verlust des angestellten Apparats seien Spre­cher und Sprecherin 2006 als Ehrenamtliche angetreten. Auch wenn es nicht ideal sei, so eine Funktion als Ehrenamt auszuüben, hät­ten sie hoffentlich aus der Not eine Tugend gemacht – wobei eine stringente bundespoli­tische Arbeit ohne politischen Apparat zu leisten sich allerdings als fast nicht zu leis­tende Aufgabe herausgestellt hätte. Bewährt habe sich die Aktivist*innenpartei, was die vielfältige, in hohem Maß eigenverantwortli­che Tätigkeit der Kommunist*innen auf regionalen Ebenen betrifft. Jedenfalls, so Klaus abschließend, hätten sie die Partei vor allem als eines geschätzt: als pluralistische Partei. Dies nicht nur zu erhalten, son­dern konstruktiv zu nutzen – diesen Wunsch gab sie weiter.

Neue Generation, neuer Sprecher*innenrat

Adressat dieses Wunsches ist neben dem neuen Bundesvorstand nun auch ein neuer sechsköpfiger Sprecher*innenrat aus jungen, aber politisch erfahrenen Genoss*i nnen. Sie erhielten bei der Wahl in den neuen Bundesvorstand einen gro­ßen Vertrauensvorschuss. Das Gesicht der Partei wird sich dadurch wesentlich ver­ändern, liegt doch das Durchschnittsalter des Sprecher*innenrats bei 38 Jahren. Zwei der neuen Sprecher*innen kommen aus der Jungen Linken, der Nachfolgeor­ganisation der Jungen Grünen nach 2017, deren Bundessprecher*innen sie waren: Sarah Pansy und Tobias Schweiger. Kate­rina Anastasiou war Spitzenkandidatin der KPÖ bei den Europawahlen des Jahres 2019, Natascha Wanek und Günther Hopf­gartner gehörten schon bisher dem Bun­desvorstand der KPÖ an, Rainer Hackauf ist seit Beginn dieses Jahres für die Öffent­lichkeitsarbeit des Bundesvorstands zuständig. Heidi Ambrosch wurde als Frau­envorsitzende bestätigt und Florian Birn­gruber als neuer Finanzreferent und Bun­deskoordinator gewählt. Allesamt ein­stimmig in der konstituierenden Sitzung des Bundesvorstands, die wie im mer am Parteitag selbst abgehalten wurde.

Das Konzept »Organizing«

Ein neuer Ausgangspunkt für die KPÖ besteht in der politischen Orientierung, wie sie am Parteitag rund um das Konzept des »Organizing« beschlossen wurde. Es geht dabei um die Mobilisierung und Akti­vierung der Partei, ihrer Mitglieder und Aktivist* innen auf allen Ebenen – mittels der Formulierung konkreter politischer und sozialer Vorhaben, die zusammen mit ande­ren gesellschaftlichen Kräften erreichbar und durchsetzbar sind und zum Wachsen der Organisation und der Gewinnung neuer Mitglieder beitragen sollen. Dazu sollen neben den Grundorganisationen auch offene Arbeitsgemeinschaften gebildet werden, die sich um konkrete Vorhaben kümmern. Namens des Sprecher*innenrats formulierte Tobias Schweiger das Ziel, bis zum nächsten Parteitag – also in drei Jahren – die Zahl der Mitglieder wieder annähernd auf 2.000 zu bringen. Die KPÖ für Frauen attraktiver zu machen, steht auf der Prioritätenliste ganz oben.

»Wer will, dass die KPÖ so bleibt wie sie ist, will nicht, dass sie bleibt«

Der neue statutarische Vorsitzende der KPÖ und Mitglied des Sprecher*innenrats Günther Hopfgartner fasste seine Positionen in Abwandlung eines Zitats von Erich Fried so zusammen: »Wer will, dass die KPÖ so bleibt wie sie ist, will nicht, dass sie bleibt.« Die Herausforderung bestehe in der Formu­lierung einer »transformatorischen Sozialpolitik«, die die Möglichkeit einer solidari­schen Gesellschaft sicht- und erfahrbar mache. Dazu beschloss der Parteitag auch eine Neufassung des Dokuments mit dem Titel »Solidarische Gesellschaft«, das die programmatische Richtung skizziert.

Parteitage, auch die der Kommunist*innen, haben ihre Rituale und meist auch ein fest gefügtes überkommenes zeitliches Korsett. Große Aufregung herrscht natür­lich dann, wenn plötzlich etwas umgestoßen wird. Als sich nach einigen Wortmeldungen zur Generaldebatte herausstellte, dass keine Frauen dabei waren – es gilt in der KPÖ seit vielen Jahren das Reißverschlusssystem –, forderte die Frauensprecherin eine Auszeit, um den anwesenden Frauen unter den Dele­gierten Zeit und Raum zu verschaffen, sich besser in die Diskussion einzubringen. Daraufhin mussten die Männer eine Zeit lang den Saal verlassen, bis es weitergehen konnte. Die Intervention war erfolg- und lehrreich.

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Gelesen 3712 mal Letzte Änderung am Montag, 12 Juli 2021 15:33
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