Schon 2018 muss das AMS mit weniger Geld auskommen. Die Regierung plant für 2019 erneut, das AMS-Budget um weitere 350 Millionen Euro zu kürzen. Es wäre sachlich die Frage zu stellen, was dies für die weitere Gebarung des AMS bedeutet und wer Nachteile in welchem Ausmaß zu erwarten hat. Zudem wäre ein kritischer Blick auf die bisherige Praxis des AMS angebracht.
VON KARL REITTER
Die im Parlament vertretenen linken Parteien, konkret die SPÖ und die Liste Pilz, kritisieren diese Kürzungen und ergehen sich gleichzeitig mit Lobesreden auf das AMS. Kathrin Glösel behauptet auf dem SPÖ nahen Blog kontrast.at, dass fehlende Kurse die Menschen deswegen in Billiglohnsektoren abdrängen würden. Die Sozialsprecherin der Liste Pilz, Daniela Holzinger spricht von »arbeitsmarktpolitischer Untätigkeit« und behauptet, Kürzungen im AMS Budget würden sogar »Arbeitslosigkeit produzieren«. Die seit Jahren, ja Jahrzehnten geäußerte massive Kritik von Erwerbsloseninitiativen am AMS wird mit keinem Sterbenswörtchen erwähnt. Dass beim AMS einiges schieflaufen könnte, davon kein Wort. Stattdessen wird die Illusion verstärkt, adäquate Arbeitsmarktpolitik könne wie durch Zauberhand Arbeitsplätze schaffen. Tatsächlich wäre die öffentliche Debatte um das AMS eine gute Gelegenheit, auf einige hoch problematische Praktiken hinzuweisen, unter denen die Erwerbsarbeitslosen leiden.
Statt Bescheide auszustellen versendet das AMS Mitteilungen
Die Novelle des ALVG (Arbeitslosenversicherungsgesetz) aus dem Jahre 2007 erlaubt es dem AMS ihre Entscheidungen, etwa die Einstellung des Arbeitslosenbezuges, bloß per Mitteilung zu verkünden. Der Unterschied zwischen Bescheid und Mitteilung ist juristisch gesehen gewaltig. Ein Bescheid muss rechtskonform argumentiert sein und eine Rechtsmittelbelehrung beinhalten. Das heißt, der betreffenden Person muss mitgeteilt werden, in welchem Zeitraum und in welcher Form sie das Recht hat, gegen den Inhalt des Bescheides zu berufen. Eine Mitteilung ist hingegen bloß ein Blatt Papier. Das ermöglicht dem AMS sich in rechtlichen Graubereichen zu bewegen. Wer die oftmals recht willkürlichen Entscheidungen des AMS anfechten möchte, muss erstmals innerhalb von drei Monaten einen Bescheid verlangen. Erst dann kann dagegen berufen werden. Das kostet Zeit, Geld und Nerven. Wir empfehlen trotzdem, keine Mitteilungen des AMS zu akzeptieren, sondern stets einen Bescheid zu verlangen. Dazu findet ihr anbei im Kasten einen Musterbrief. Wäre es also zu viel verlangt, wenn die parlamentarische Opposition die Rede von der Rechtsstaatlichkeit, mit der die Regierung die grausamsten Maßnahmen legitimiert, auch für das AMS einklagen würde und obligatorisch Bescheide fordert?
Zwangszuweisungen zu Kursen, Reform des § 9 und § 10 des ALVG
Seit 2007 gilt auch als arbeitsunwillig, wer sich weigert »einem Auftrag zur Nach(Um) schulung zu entsprechen oder durch ihr Verschulden den Erfolg der Nach(Um)schulung vereitelt, oder ohne wichtigen Grund die Teilnahme an einer Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt verweigert oder den Erfolg der Maßnahme vereitelt« (ALVG § 10, Abs. 1) Ebenso kann das AMS Personen verpflichten, »im Rahmen eines sozialökonomischen Betriebes (SÖB) oder eines gemeinnützigen Beschäftigungsprojektes (GBP)« (ALVG § 9, Abs. 7) tätig zu werden. Im Klartext: Schulungsmaßnahmen und Teilnahme an den berüchtigten »Sozialökonomischen Betreiben«, das sind zweifelhafte Konstruktionen, die offiziell als Leiharbeitsunternehmen agieren, können nicht abgelehnt werden. Niemand wird sinnvolle Qualifikationsangebote ablehnen. In der gesellschaftskritischen Literatur zur Entwicklung des Sozialstaates werden diese Kurse als das erkannt, was sie mehrheitlich sind: Mittel und Methoden zur Disziplinierung der Erwerbsarbeitslosen um freudig jeden Job, sei er noch so schlecht bezahlt, anzunehmen. Nicht fehlende Kurse zwingen Menschen in Niedriglohnsektoren, sondern die Schikanen des AMS.
Sanktionen wegen Terminversäumnissen und Ablehnung von Beschäftigungs- und Schulungsangeboten (§ 10 ALVG)
Der Geschäftsbericht des AMS für 2017 weist insgesamt 111.451 sechsmonatige Bezugssperren auf. Wegen Arbeitsunwilligkeit wurden gerade 237 Sperren ausgesprochen! Der Großteil wird mit »Ablehnung von Beschäftigungs- und Schulungsangeboten« (25.404 Fälle) und »Versäumen der Kontrollmeldung« (55.227 Fälle) begründet. Jedes Jahr sind es über 900.000 Personen, die zumindest kurzfristig mit dem AMS Bekanntschaft machen. Das heißt, über 10 % wurden durch Sperren sanktioniert. Dieser existenzbedrohende Terror muss aufhören. Seit Jahren fordern Erwerbsloseninitiativen, diese Praxis zu beenden.
Mittäter
Aber warum kein Sterbenswort der Kritik an der Gebarung des AMS? Ein Blick auf die Organisation des AMS beantwortet diese Frage. Gewerkschaft und Sozialdemokratie sind bestens in die Verwaltung integriert. Das Präsidium besteht aus: Dr. Stefan Potmesil (Sozialministerium), Rudolf Kaske (ÖGB), Dr. Wolfgang Tritremmel (Industrieellenvereinigung). Im Vorstand agieren Dr. Herbert Buchinger (SPÖ) und Dr. Johannes Kopf (ÖVP) einträchtig miteinander. Im Verwaltungsrat sind unter anderem vertreten: Ing. Alexander Prischl (ÖGB), Willibald Steinkellner (ÖGB), Dr. Gernot Mitter (AK). Auch in den diversen Ausschüssen (Ausländer-, Förder-, Strategie- und Kontrollausschuss) sind Gewerkschaft und Arbeiterkammer paritätisch vertreten. Gewerkschaft, Arbeiterkammer und Sozialdemokratie gestalten seit Jahren die Politik und Maßnahmen des AMS aktiv mit. Kritik, Opposition? Fehlanzeige.