Die allererste Frauenzeitschrift der Zweiten Republik erschien erstmals im Oktober 1945 und letztmals im Mai 1993. Dazwischen liegt ein halbes Jahrhundert Geschichte, die sich in den einzelnen Ausgaben der Stimme der Frau widerspiegelt.
Von BÄRBEL DANNEBERG
In diesen Tagen, in denen Österreich die tiefste Krise seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges durchlebt, wirken die Worte von Hella Prostanecky wie ein Fanal: »Zwölf Jahre des Schweigens liegen hinter uns, zwölf lange, harte Jahr, in denen Männer und Frauen, die ihre Stimme gegen die blutige Herrschaft des Faschismus zu erheben wagten, in Konzentrationslager verschickt, zu Tode gemartert, auf dem Schafott hingerichtet wurden. Viele österreichischen Frauen und Mädchen kämpften, duldeten, litten und starben um ihrer Überzeugung willen, aber sie beugten sich nicht. (...) Die Frauen sind heute eine politische und wirtschaftliche Macht. Sie werden kraft ihrer Mehrheit dem österreichischen Staat durch ihre Stimme bei den kommenden Wahlen das Gepräge geben.« Dieser Auszug ihres Geleitwortes in der ersten Ausgabe der Stimme der Frau am 27. Oktober 1945 war ein Auftrag an künftige Frauengenerationen: Niemals Faschismus, nie wieder Krieg! Als Leiterin des Zentralen Frauenkomitees der KPÖ, das in den ersten zwei Jahren die wöchentlich erscheinende Zeitschrift herausgab, war die damalige Unterstaatssekretärin im Amt für Volksernährung und damit erste Frau in einer österreichischen Regierung, Hella Postranecky, eine der Gründerinnen der Stimme der Frau.
Der lange kalte Schatten
In den ersten Nachkriegsjahren, in denen das Schicksal Österreichs noch ungewiss war, widmete sich die Stimme der Frau thematisch den Überlebensfragen der Frauen und war bemüht, bei ihnen ein demokratisches Bewusstsein zu wecken und zu fördern. »Die Frauen wissen heute, daß es gefährlich ist, die Politik den anderen zu überlassen und abzuwarten, was daraus wird. Sie müssen sich und ihre Kinder für alle Zukunft vor einer Wiederholung all des Furchtbaren sichern. Deshalb müssen sie verlangen, daß sie gehört werden. Sie müssen verlangen, daß man sie mitheranzieht, wenn über das Schicksal Österreichs beraten wird.« (Aus einem Artikel von Ilse Rollet in Stimme der Frau 5/93)
Die ersten Nachkriegswahlen vom 25. November 1945 waren mit fünf Prozent bzw. vier Mandaten für die KPÖ eine Enttäuschung. Hella Prostanecky, die für die KPÖ kandidiert hatte, gesteht diese Niederlage ein und sagt, »die Frauen haben die Vergangenheit gewählt«. Im ersten Jahrgang wird in der Zeitschrift der Auseinandersetzung mit aktuellen politischen Fragen Raum gegeben. »Neben der Behandlung der Nationalratswahlen liegt der Schwerpunkt in der kritischen Berichterstattung über die äußerst schludrig durchgeführte Entnazifizierung in Österreich und die personelle Kontinuität bei so mancher Ämtervergabe.» (Ilse Rollet)
Die Gründung des Internationalen Demokratischen Frauenbundes 1945 in Paris wird in der Stimme der Frau ausführlich erwähnt. 1946 wird der Bund Demokratischer Frauen Österreichs (BDFÖ) gegründet, der zum Ziel hatte, überparteilich mit Frauen zusammenzuarbeiten, »ohne Rücksicht auf Religion, Stand und Herkunft«. 1948 tritt der BDFÖ dem Internationalen Demokratischen Frauenbund bei, der 80 Millionen Frauen aus 30 Ländern der Welt (auch aus dem sozialistischen Lager) vertritt und eine Vertretung in der UNO hat. Diese Hinwendung zu einer Weltorganisation mit einer eindeutig ideologisch-politischen Ausrichtung ging nicht ohne Widersprüche vor sich. So etwa haben Frauen der SPÖ einen Friedensappell des Weltbundes an die UNO, den prominente linke Frauen wie Lina Loos, Eva Priester oder Grete Schütte-Lihotzky als erste unterschrieben haben und der dann von 100.000 Frauen unterstützt wurde, nicht unterzeichnet. Der lange Schatten des Kalten Krieges machte eine Zusammenarbeit von Frauen unterschiedlicher Weltanschauungen schwer.
Krieg und Frieden
Die 1950er und 1960er Jahre waren noch immer von den Kriegsfolgen geprägt, der Suche nach Vermissten und den weiblichen Alltagsproblemen. Wiederkehrende Themen in der Stimme der Frau sind Familien- und Frauenrechtsfragen wie Geburtenkontrolle, die Tragödien durch den § 144, der Schwangerschaftsabbrüche mit Gefängnisstrafen belegte, Rat bei zerrütteten Ehen, auch Missbrauch und Kinderschändungen kehren in den Artikeln wieder wie auch rechtliche Gleichstellung der Angehörigen von Vermissten, Adoptions- oder Pensionsfragen. Die erste BDFÖ-Frauenberatung fand am 25. April 1953 im Café Schwarzenberg statt, in der besonders heftig das österreichische Familienrecht kritisiert wurde, das noch aus dem Postkutschenjahr 1812 stammte. Weitere Schwerpunkte: die Frauenarbeit (Hausfrauenarbeit ist Berufsarbeit, so ein Artikel im Mai 1953), Berichte über den Kampf gegen Arbeitslosigkeit, für gleiche Bezahlung (z.B. bei den Tabakarbeiterinnen), Widerstand gegen die Preiserhöhungen und den Mietenwucher. Was sich weiter inhaltlich durch dieses Jahrzehnt zieht: Der Kampf um den Frieden, internationale Frauensolidarität und gegen rechtsradikale Wiederbetätigung. Im März 1954 wird vom Kongress der österreichischen Frau in den Sophiensälen mit über 800 Delegierten und Gästen berichtet. Ein Konzert im Großen Konzerthaussaal mit den Sängerknaben anlässlich des Kongresses wird von Radio Wien übertragen.
Weiteres durchgängiges Thema dieses Jahrzehnts: Der Kampf um die Freilassung der Rosenbergs, die von den USA wegen angeblicher Atomspionage zum Tod verurteilt wurden. Ethel und Julius wurden trotz weltweiter Solidarität am 19. Juni 1953 in Sing-Sing auf dem elektrischen Stuhl hingerichtet.
Die Internationale Friedensbewegung, Frauenkongresse in Wien, Tagungen der Internationalen Demokratischen Frauenföderation und Aktivitäten, die den Frauenzusammenschluss anstreben, nehmen Raum ein in den Berichten. Aber auch: Atomkraft für den Menschen und eine Kampagne gegen Schmutz und Schund. 1953 sind große Anstrengungen zu sehen, Frauen für die Wahlgemeinschaft Österreichische Volksopposition am 8. Februar zu gewinnen, für die auch Grete Schütte-Lihotzky und Agnes Primocic kandidiert haben.
Praktische Alltagstipps werden ab Mitte der 1950er Jahre zunehmend mit neuen Technologien im Haushalt vorgestellt – Küchengeräte, Staubsauger, Radiogeräte... Im Juli 1956 ist der 1. Preis eines Stimme der Frau-Preisausschreibens eine elektrische Waschmaschine sowie 200 Nylon-Tischtücher... Ständige Inhalte: Schnittmusterbögen, Haushalts- und Ernährungstipps, Romanfortsetzungen und Schönheitstipps – jede Frau will schön sein (Jänner 1954). Am 14. März 1953 wird der Tod Stalins mit seinem Titelbild auf der Stimme der Frau betrauert und deswegen der Gschnasball abgesagt. Im Februar 1954 findet der Gschnasball in der Hofburg statt.
Im Oktober 1955 werden zehn Jahre Stimme der Frau gefeiert. Der Kampf gegen die Teuerung und ein Warnstreik in Vorarlberg spielen eine große Rolle in den Berichten. Über den Abschluss des Staatsvertrages habe ich nichts gefunden. Die Zeit bis Ende der 1970er Jahre bleibt noch einer genaueren Aufarbeitung vorbehalten.
Kollektives Miteinander
Die 1970er und 1980er Jahre bis zu ihrer Einstellung 1993 waren für die Stimme der Frau bewegte. Ich war, aus Westberlin kommend und durch die 68er Bewegung sozialisiert, von 1974 bis 1977 Redaktionsaspirantin und von 1977 bis zu ihrer Einstellung im Mai 1993 Chefredakteurin der Zeitschrift. In meiner Erinnerung sind die 1980er Jahre die fruchtbarsten verbunden mit den gravierendsten Veränderungen. Zum einen haben sich die Technologien verändert. Ich habe noch im Bleisatz, danach im Offsetverfahren Zeitung gemacht. Der Computer kam erst Ende der 80er, Anfang der 90er Jahre in die Redaktion, der kleine Mac-Classic, was hatte ich Angst vor dem! Und wie viele Texte waren »plötzlich weg«. Zuvor war Vordenken eines Artikels wichtigstes Hilfsgut neben der Schere zum Austauschen von Schreibmaschinenzeilen im Manuskript. Die Beliebigkeit eines schnell getippten Gedankens war beschränkt, vielleicht auch kein großer Nachteil.
Zum anderen haben wir in den 1980er Jahren in der Stimme der Frau ein Redaktionskollektiv aus unterschiedlichen Frauen ins Leben gerufen. Diese Zeit habe ich als die produktivste erlebt. Es war ein allgemeiner Aufbruch, die autonome Frauenbewegung hat uns gefordert, wir haben uns inhaltlich mit Themen beschäftigt, die bei älteren Leserinnen Irritationen hervorgerufen haben. Ich erinnere mich an einen Artikel, den ich Ende der 1970er Jahre geschrieben und in welchem ich die Tücken von Teilzeit und prekären Arbeitsverhältnissen beschrieben habe. Heute haben wir das traurig-bestätigende Resultat mit 200.000 von Altersarmut betroffenen Frauen.
Wir haben uns mit bis heute hochaktuellen Themen wie weibliche Sexualität, Putzfrauendebatte, sexuelle Belästigung und Gewalt, Hausgeburt, Gen-Technologien, Wechseljahre usw. auseinandergesetzt – neben den altbewährten wie Antifaschismus, Friedensbewegung, Arbeitswelt, internationale Frauenbewegung. Gravierende Änderungen gab es ab 1991 – die Auseinandersetzungen in der KPÖ spielten in die Redaktion hinein, finanzielle Mittel wurden gekürzt. Anstelle des Bundes Demokratischer Frauen, der bislang Herausgeberin war, gab ein Herausgeberinnenkreis, der vorwiegend aus der autonomen Frauenbewegung bestand, die Zeitschrift heraus. Diese Zeit war geprägt von feministischen Standortbestimmungen und intellektuellen Debatten und der Anfang vom Untergang des Anspruchs, »allen Frauen« ein Sprachrohr sein zu wollen.
Die letzte Ausgabe erschien im Mai 1993, nachdem die finanziellen Mittel der KPÖ im Zuge der DDR-»Abwicklung« von der deutschen Treuhandgesellschaft enteignet wurden und auch mir »meine Stimme« genommen wurde. Das von autonomen Frauen gegründete Nachfolgeprojekt (sic!) gibt es heute auch nicht mehr. Was es neben dem BDFÖ schon noch gibt: feministische Medien wie die an.schläge (in denen ich manchmal schreibe), die Frauensolidarität, das AEP in Innsbruck und andere alternative Medien, die »jung« sind im Vergleich zu so einer alten Dame wie der Stimme der Frau.