Sprechstunde: CORONA, CORONA!

von

VON DR. MARTINA WITTELS

Zu Beginn der Pandemie wurden wir belächelt, als wir mit FFP1-Masken auf die Station gingen, um unsere Patientinnen zu versorgen. In einem anderen Gebäude, das einem anderen Spitalsträger zugeordnet ist, sahen wir Beschäftigte mit Masken, die um das Kinn gebunden waren oder an den Ohren baumelten, wenn jemand näher­trat, wurde die Maske mit einer gelang­weilten Mine über den Mund geschoben, oben hing die Nase heraus, als hätten sie vergessen, den Hosenschlitz zu schlie­ßen. Nach kurzer Zeit waren mehrere Pflegekräfte und einige Patientinnen Covid positiv getestet. Ein paar Alte star­ben. Erst da verstand man langsam, dass es Ernst war mit der Pandemie. Die Mas­ken wurden nun korrekt getragen. Es gab zwar nur einen Mundnasenschutz, der weder Träger noch deren Gegenüber ausreichend schützt, aber FFP1- oder FFP2-Masken gab es zu wenige, und so wurde der Einsatz der qualitativ minder­wertigen Masken mit den Empfehlungen des NHS (National Health Services) von England, eines der totgespartesten Gesundheitssysteme, gerechtfertigt.

Wir schauten erschüttert nach Italien, hörten und sahen unsere weinenden Kollegen und Kolleginnen, wie sie berichteten, dass sie älteren Personen wertvolle Therapien verweigern muss­ten, da die wenigen Intensivbetten belegt und den Jüngeren vorbehalten waren. Ab wann? Ab 60 Jahren, ab 70, ab 80 Jahren? Ab welchem Alter wird es keine Therapie mehr geben, wenn gewählt werden muss? In den letzten 2020-Wochen kann es auch in Österreich so weit kommen, dass alle verfügbaren Intensivbetten vergeben sein werden.

Aufgrund von drohendem Personal­mangel wurde jetzt beschlossen, dass medizinisches Personal, auch wenn es Covid positiv getestet ist, unter bestimmten Bedingungen arbeiten soll. Doch man hörte von einer gemeinsamen Arbeit, bei der eine Covid positive Kolle­gin einer bis dahin gesunden Kollegin, beide mit Masken, ein paar Stunden gegenüber stand. Nach wenigen Tagen war die Kollegin infiziert, schmeckte und roch nichts mehr.

Einer gesunden 45-jährigen Kärntne­rin ohne jede Vorerkrankung mussten, um Covid zu überleben, Lungen trans­planiert werden. Ein 69-jähriger sport ­licher und gesunder Arzt ist trotz zwei­wöchiger Beatmung und bester intensiv­medizinischer Betreuung an Covid gestorben. Haben wir wirklich geglaubt, dass die Luft zwischen den Gasthausti­schen stagniert und wie eine Art Spiral­nebel nur um uns selbst kreist? Kein Tracken und Tracen konnte behilflich sein, die wichtigen Infektionscluster auf­zuspüren und die Zahlen in eine ordent­liche Statistik zu pressen.

Mittlerweile wird medizinisches Per­sonal abberufen, umverteilt, damit es zur Verfügung stehe, wenn auch jene, die es bis heute nicht glauben wollen, dass Corona existiert, eingeliefert wer­den. Am 18. Oktober wurde in Varese, Lombardei, eine Messe gelesen für die 179 toten Ärztinnen und Ärzte, die durch ihre Arbeit am Krankenbett an Covid 19 verstorben sind.

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Gelesen 4255 mal Letzte Änderung am Dienstag, 29 Dezember 2020 11:03
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