Von Lisbeth N. Trallori
Angekündigt hatte sich bereits Anfang dieses Jahres eines der gängigen kommerziellen Institute aus der Ukraine namens »Biotexcom«, einen Kinderwunsch-Infotag in Wien in einem Hotel am Ring abzuhalten. Frau/Mann konnte sich dazu online anmelden und die bevorzugte Technologie ankreuzen: Wünscht das werte Publikum eine Eizellenspende, Samenspende, Embryonenspende oder eine Leihmutterschaft? Ein eher seltsamer Vorstoß einer ukrainischen Klink hierzulande, zumal die Leihmutterschaft bekanntermaßen einem berechtigten Verbot unterliegt, das allerdings, wie noch zu zeigen sein wird, schleichend untergraben wird. In Europa ist die Frage der Leihmutterschaft umstritten, aber die meisten Länder verfügen über eine gesetzliche Barriere. International bündeln sich feministische Bestrebungen, die sogenannte »Leihmutterschaft« weltweit abzuschaffen. Und das zu Recht. Wenn frau sich vor Augen hält, welche gravierenden Auswirkungen in der Realität damit verbunden sind, dann wird evident, dass eine globale Abschaffung der »Leihmutterschaft« absolut notwendig, aber unter kapitalistischen Bedingungen mehr als fragwürdig erscheint. Für gewöhnlich gibt es kaum Einblicke in die damit verbundenen Problemlagen, und in medialen Berichten werden durchwegs scheinbare Erfolgsseiten aufgeschlagen oder es werden exzentrische Hollywood-Stars gezeigt, die auf ihrem Shopping-Trip so nebenbei die Uteri anderer Frauen für neun Monate eingekauft haben. Die Life-Style-Propaganda in allen Medien und der Lobbyismus der Fruchtbarkeitsindustrie haben dafür gesorgt, dass diese Technologien in der Mitte der Gesellschaft angekommen sind. »Rent a womb« – ist in USA eine gängige Formel geworden, insofern erscheint der Ausdruck »Mietmutterschaft« realitätsgerechter.
Zellulärer Warenverkehr
Der Ansturm auf weibliche Eizellen gestaltete sich ebenso rasant wie die Ausweitung der Repro-Technik und im Einklang mit dieser. Die ständige Nachfrage führte zu einem internationalen Warenverkehr mit zellulärem Biomaterial und zu einem regelrechten Fortpflanzungstourismus. Um internationale Kundschaft anzulocken, verweist die ukrainische Privatklinik in ihrer Selbstdarstellung ganz klar auf die Fülle von weiblichen Ressourcen, die in diesem Land verfügbar scheinen. Im Originaltext heißt es dazu: »Anders als in den meisten hoch entwickelten Ländern mangelt es in der Ukraine nicht an Eizellenspenderinnen.« Damit wird offen geprahlt, dass unzählige Frauen jederzeit für die chirurgische Eizellentnahme zur Verfügung stehen, zumal diese Techniken und die »Leihmutterschaft« in diesem Land ohnehin nur verwaltungsrechtlich geregelt sind. Und weiter: »Ausländische Kliniken verwenden z.B. die Eizellen einer einzigen Spenderin für mehrere Patientinnen. Unsere Klinik dagegen ist in der Lage, jeder Patientin eine individuelle Spenderin zu bieten. Diese wird von der Patientin persönlich anhand von Bildern und vielen weiteren Kriterien ausgewählt.«
Allerdings übernimmt hier das Wort »Spenderin« die Funktion einer Schutzbehauptung, denn es geht vielmehr um kommerzielle Transaktionen - unter welchem Titel auch immer. Des Weiteren ist anzumerken, dass das Herausholen von Eizellen aus dem weiblichen Körper ein langwieriges und zumeist schmerzhaftes Prozedere mittels variabler, chirurgischer Techniken ist, das eine hormonell aufgeputschte Hochproduktion von Eizellen voraussetzt. Empörend ist dabei das von der Fruchtbarkeitsindustrie offensichtlich propagierte Herrin-Magd-Verhältnis, das in der angekündigten Katalogauswahl sich niederschlägt: Die eine wählt aus, die andere muss liefern, lautet die Anweisung. Einmal davon abgesehen, beweisen filmische Sequenzen über die Leihmutterschaft in der Ukraine (wohl ungewollt), dass oftmals Problemen bei der Einnistung der Eizelle in die Gebärmutter der austragenden Frau auftauchen. In der Klinik wird dann eine andere Frau als »Mietmutter« herangekarrt und unter Vertrag genommen, so ist jedenfalls die Praxis, die eine »sichere« Erfüllung des Kinderwunsches verspricht. Tatsache ist, dass mit den Daten ordentlich getrickst wird, aber das nur nebenbei.
Hoffnung auf Glückssträhne
»Biotexcom« verfügt über eine eigene PR-Maschinerie, die gezielt versucht, einen Dammbruch herbeizuführen. Schätzungsweise kann »Biotexcom« in den letzten drei Jahren Einnahmen von mehr als 30 Millionen Euro verzeichnen. Diese Firmengruppe hatte bereits über das Web Seminare in deutschsprachigen Ländern organisiert, um ihr Geschäftsmodell auch mit All-inclusie-Paketen zu bewerben. Die Leihmutterschaftsprogramme kosten in den USA etwa ab 100.000 Euro, hingegen in der Ukraine zwischen 30.000 und 40.000 Euro. Wie sollte es unter den Bedingungen dieses Fruchtbarkeitsmarktes jemals um eine »freie« Entscheidung gehen?
Agenturen, Ärzte und kinderwünschende Personen stehen den ihren Uterus zur Vermietung offerierenden Frauen gegenüber, aber sie alle eint die Hoffnung auf eine Glücksträhne, sei es durch ein gekauftes Baby oder durch den Geldbetrag einer (wenn auch schlecht) bezahlten Schwangerschaftsarbeit. Diese vermeintliche Wunsch- und Glückserfüllung um jeden Preis ist zu einer tragenden Ideologie des Neoliberalismus geworden. Vertragsmäßig werden Pflichten der angemieteten Frauen festgelegt, so etwa wie diese während der Schwangerschaft sich zu verhalten haben, das inkludiert Untersuchungen wie Gentests, Präimplantationsdiagnose, Geschlechterselektion bis zu Gymnastik-, Diät- und Ruhevorschriften. Die Geburt selbst erfolgt über Kaiserschnitt, die austragende Frau hat sich allen Vorschriften zu fügen. Als Kuriosum sei angemerkt, dass zudem jegliche Bindung der Mietmutter zu dem werdenden Baby strikte unterbunden wird, indem spezielle psychologische Programme zur Desensibilisierung zur Anwendung kommen. Erst wenn das »richtige« Kind, klarerweise nur gesund und nicht behindert abgeliefert wird, dann geht es zur Bezahlung des vereinbarten Restbetrags des Honorars oder einer sog. »Aufwandsentschädigung«. Die Bestell-Babies austragenden Frauen als auch die Babies selbst sind Gegenstand von Verträgen, sie werden folglich als Objekte mit Warencharakter behandelt.
Wachsam bleiben!
Wie bereits Gena Corea in ihrem Band »MutterMaschine« (1986) vorausgesehen hat, entstand im Zuge avancierter Repro-Technologien eine neue Spezies von Frauen, die sie als »Kaste von Gebärerinnen« bezeichnet. Historisch verweist sie auf die Sklaverei schwarzer Frauen, denen man jederzeit ihre Kinder wegnehmen und weiterverkaufen konnte. Sklavinnen hatten keinen Anspruch auf ihre Kinder, sie waren rechtlos. Und Gena Corea erinnert an die Pläne der Nazis, eine Art von »Brutbordellen« einzurichten, ähnlich der Strategie, den sogenannten »rassisch wertvollen« Nachwuchs in den Heimen des »Lebensborn« heranzuzüchten. Möglicherweise sind feministische Analysen längst vergessen, möglicherweise auch durch Erfolgsstories der Repro-Industrie und deren Lobbyismus verdrängt worden.
Eine Klarstellung hierbei ist nicht allzu schwer, es genügt, sich der Deklaration der Frauen- und Menschenrechte zu entsinnen, dann wird evident, dass das ganze Prozedere um die »Mietmutterschaft« genau diesen Rechten widerspricht. Weder mit Frauen, noch mit Kindern sollte ein Handel betrieben werden, denn es geht dabei um Menschen und um keine Kaufsujets. Doch weit gefehlt! Gerade in diesem Prozedere geraten nach der Eizelle, dem Embryo auch das auszutragende Baby im Körper einer genetisch fremden Frau in den Rang eines Geschäftsobjekts. Explizit aber unterliegt der Verkauf von Kindern, egal zu welchem Zweck, einem Verbot - verankert in der UN-Kinderrechtskonvention. Rechte aber dürfen nicht von wirtschaftlichen Interessen ausgehöhlt werden, wiewohl es in der Praxis passiert. Die internationalen Standards für Adoption sind ein deutliches Zeichen dafür, wie Kinder geschützt und nicht als Warengüter angesehen werden können, wenn sie zu »Wunschfamilien« kommen.
Aufzutreten gegen das »reproduktive Unrecht«, wie es die aus Indien stammende Expertin Sheela Saravanan nennt, erscheint unumgänglich, da die körperliche und psychische Integrität von Mietmüttern durch das (vermeintliche) Recht auf Reproduktion der Bestelleltern einerseits und durch das Profitstreben der Agenturen zur Vermittlung der Leihmutterschaft andererseits zutiefst verletzt wird. Aus einem Wunsch selbst entsteht noch lange kein Recht. Vielmehr aber haben Kinder das international geschützte Recht, möglichst bei ihren leiblichen Eltern aufzuwachsen, was ihnen bekanntlich verunmöglicht wird.
Nachdem gegen die Werbekampagne von »Biotexcom« und gegen deren zweifelhafte Praktiken eine Anzeige erstattet wurde, hat diese Klinik ihre angekündigte Präsenz und ihren Infotag Mitte Februar im Wiener Ringhotel abgesagt. Nicht zuletzt ist das der Aufmerksamkeit einer Initiative zu verdanken, die gegen die kommerzielle Vereinnahmung und Ausbeutung von Frauen und Kindern auftritt und für die Einhaltung der Menschenrechte votiert.
Buchtipp
Lisbeth N. Trallori: Der Körper als Ware. Feministische Interventionen. Mandelbaumverlag 2015