Vor einigen Jahren stand ich nach einer Gerichtsverhandlung mit einer Anwältin vor der Justizanstalt (JA) Josefstadt und sie sagte zu mir: »Ihnen ist klar, dass da drinnen ein rechtsfreier Raum besteht.« Das wurde mir zu dieser Zeit gerade klar und bei regelmäßigen Gefängnisbesuchen finden sich dafür zahlreiche Beispiele, die von kleineren Schikanen bei der Essensausgabe bis zur groben Missachtung von Menschenrechten reichen. Informationen darüber kommen selten an die Öffentlichkeit und werden noch seltener wahrgenommen.
Text von MONIKA MOKRE und MARTIN PREISACK
Gegen diese Situation formieren sich in manchen Ländern seit langer Zeit Gefangenengewerkschaften; auch in den deutschsprachigen Ländern gab es immer wieder Bemühungen, Gewerkschaften in Gefängnissen zu gründen. In jüngerer Zeit gelang dies in Form der Gefangenengewerkschaft/Bundesweite Organisation (GG/BO), die 2014 in der JA Berlin-Tegel gegründet wurde und Solidaritätsgruppen in acht deutschen Bundesländern umfasst.
In Österreich hörten im November 2015 drei streitbare Gefangene in der JA Karlau von der deutschen Initiative – Herwig Baumgartner, Georg Huß und Oliver Riepan – und gründeten daraufhin eine Gewerkschaft nach dem deutschen Vorbild.
Die österreichische Gewerkschaft übernahm den Namen GGBO vom deutschen Vorbild und fügte noch den Zusatz »R.A.U.S.« hinzu. Das steht natürlich für den Wunsch vieler Gefangener, rauszukommen, ist aber auch die Abkürzung für »richtig artgerecht untergebrachte Strafgefangene«. Die »artgerechte Haltung der Untergebrachten« wurde genauso von der Vollzugskammer des OLG Linz ausformuliert. »(…) es zeigt die überaus humanistische Denkweise an den Gerichten, denn Gefangene werden in Österreich wirklich wie die nahezu noch rechtloseren Tiere gehalten«, so Oliver Riepan, einer der Gründer der GG/BO R.A.U.S. zur Namensfindung.
Zur »artgerechten« Unterbringung gehört aber offensichtlich nicht die Gründung einer Gewerkschaft – die wurde vom Justizministerium untersagt, da sie im Strafvollzugsgesetz nicht vorgesehen ist. Die offizielle Gründung als Verein hat daher noch nicht stattgefunden, ist aber gerade in Arbeit; die Statuten wurden gerade von Oliver Riepan entworfen.
Aber der Kampf für die Rechte der Gefangenen fand auch schon bisher ohne die Erlaubnis des Ministeriums statt, allerdings dadurch erschwert, dass die drei Gründer voneinander getrennt wurden. Herwig Baumgartner wurde in die JA Göllersdorf und Oliver Riepan in die JA Mittersteig verlegt. Georg Huß wurde bedingt entlassen und zugleich als deutscher Staatsbürger mit einem zehnjährigen Aufenthaltsverbot für Österreich belegt. Trotzdem blieben aber alle drei im Rahmen ihrer Möglichkeiten aktiv und auch die deutsche GGBO unterstützt die Aktivitäten in Österreich.
Über die deutsche Gewerkschaft wurden auch Kontakte mit Aktivist_innen draußen hergestellt und so gibt es seit Herbst 2016 eine Solidaritätsgruppe der GGBO-R.A.U.S., die Kontakt mit den Gefangenen hält und ihre Forderungen unterstützt.
Gesetzlicher Arbeitslohn und Versicherung
Die wichtigsten Forderungen der deutschen Gewerkschaft betreffen die Arbeitsverhältnisse im Knast und dieses Thema wurde auch als erstes in Österreich aufgegriffen. Die Justizanstalten werben in der Öffentlichkeit und bei Firmen mit den Produktionsmöglichkeiten im Gefängnis, der hohen Produktqualität und den gut geschulten Arbeitskräften. Zugleich aber arbeiten Gefangene für Hungerlöhne und sind weder kranken- noch pensionsversichert. Aus der Sicht des Justizministeriums hat das alles seine Richtigkeit, denn Gefangenen unterliegen der Arbeitspflicht, daher handelt es sich nicht um ein reguläres Arbeitsverhältnis. Aus der Perspektive der Gefangenen bedeutet das, dass sie oft nicht mehr als 1,40 bis 1,90 Euro pro Stunde verdienen, keinen Anspruch auf Krankenstand haben und keine Pension erhalten – was für Langzeitgefangene den sicheren Weg in die Altersarmut bedeutet.
➜Die GGBO-R.A.U.S. fordert angemessene Arbeitslöhne und volle Versicherung.
Gesundheitsversorgung
Die Justiz argumentiert, dass eine Krankenversicherung nicht nötig ist, da die Gefangenen in der Anstalt ärztlich versorgt werden. Doch diese Versorgung ist reichlich fragwürdig. Sogar ansteckende Krankheiten wie Hepatitis C werden nicht behandelt, andere, »draußen« fast ausgestorbene Krankheiten wie die Krätze, werden trotz Erstuntersuchung in die Anstalt gebracht.
➜Die GGBO-R.A.U.S. fordert die Aufnahme von Gefangenen in die Krankenversicherung und adäquate medizinische Versorgung.
Diskriminierung im Gefängnis
In der ohnehin elenden Situation im Knast werden manche noch schlechter als andere behandelt; dies gilt insbesondere für Migrant_innen, die sich zahlreich im Gefängnis wiederfinden, weil öfter als bei Österreicher_innen U-Haft verhängt wird, keine Bewährungsstrafe ausgesprochen wird etc. Im Gefängnis bekommen sie oft wichtige Informationen nicht in ihrer Muttersprache, dürfen keine »fremdsprachige« Post oder Besuche empfangen und werden von allen »Privilegien« ausgeschlossen, auf die andere Gefangene zumindest eine Chance haben, wie etwa Ausbildungen oder Sportmöglichkeiten.
Gerade am Beispiel von Migrant_innen wird auch deutlich, dass es zwar eine Pflicht zur Arbeit, aber kein Recht auf Arbeit gibt. Denn trotz der schlechten Bedingungen ist es vielen Gefangenen lieber, irgendetwas zu tun und ein bisschen zu verdienen, als den ganzen Tag in der Zelle zu verbringen. In überbelegten Anstalten gibt es aber nicht Arbeit für alle – und Migrant_innen bekommen dann im Normalfall keinen Arbeitsplatz. Doch auch andere Gefangene werden laufend diskriminiert, insbesondere Homo- und Trans sexuelle.
➜Die GGBO-R.A.U.S. fordert die Gleichbehandlung aller Gefangenen.
Versammlungs-, Presse- und Informationsfreiheit
Die wichtigste Forderung der Gefangenengewerkschaft betrifft aber Versammlungs-, Presse- und Informationsfreiheit als Grundbedingung dafür, dass Gefangenen für ihre Rechte eintreten können. Zur Verdeutlichung dieser Forderung wird die Gefangenengewerkschaft bei der Wahl zum Europäischen Parlament 2019 mit einer eigenen Liste antreten, auf der sich auch Kandidat_ innen finden werden, denen das aktive und passive Wahlrecht aufgrund ihrer Verurteilung entzogen wurde.
Unterstützung für diese Wahlkandidatur oder auch in vielen anderen Angelegenheiten wird dringend benötigt. Zugleich bemüht sich die Gefangenengewerkschaft auch um weitere Kontakte zu Gefangenen, um sie in ihren Kämpfen zu unterstützen.
Monika Mokre ist Politikwissenschaftlerin und Mitglied der Solidaritätsgruppe der Gefangenengewerkschaft Österreich.
Martin Preisack, Mitglied der Solidaritätsgruppe der Gefangenengewerkschaft Österreich.
------------
GGBO-R.A.U.S.
Gefangenengewerkschaft Österreich
c/o Migrating Kitchen
Schwarzhorngasse 1/ Ecke Bacherplatz
1050 Wien
ggboraus-soli-wien @autistici.org
www.facebook.com/ gefangenengewerkschaft.oesterreich/
--------
Migrating Kitchen
Wir treffen uns jeden dritten Donnerstag im Monat (also z. B. am 18.10.) um 18 Uhr in der Migrating Kitchen.
Darüber hinaus veranstalten wir am 23. November um 19 Uhr eine Präsentation des »Handbuch Strafvollzug – Fakten – Rechtsgrundlagen – Mustersammlung« mit dessen Autorinnen Johanna Schöch und Alexia Stuefer, ebenfalls in der Migrating Kitchen.