Druck von links gegen die »Kammerjäger«

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LEO FURTLEHNER gibt einen Überblick über die Arbeiterkammerwahlen 2019.

Zwischen 28. Jänner und 10. April 2019 werden – gestaffelt nach Bundeslän­dern – von den rund 3,64 Millionen Mitglie­dern die 840 Mandate in den Vollversamm­lungen der neun Arbeiterkammern neu vergeben. Das Wahlrecht für die gesetzliche Interessenvertretung der Lohnabhängigen ist zwar vergleichsweise demokratisch, jedoch nicht frei von Verzerrungen.

So sind alle in einem umlagepflichtigen Betrieb unselbständig Beschäftigten – das sind de facto alle ausgenommen die soge­nannte Hoheitsverwaltung – wahlberech­tigt. Geringfügig Beschäftigte, Lehrlinge, Präsenz- und Zivildiener, Karenzierte oder freie Dienstnehmer_innen müssen sich vielfach aber erst selbst in das Wählerver­zeichnis reklamieren.

Während die formale Voraussetzung für eine Kandidatur – die Unterschrift von mindestens fünf Kammerrät_innen oder 300 Wahlberechtigten – in allen Ländern gleich ist, sind die Mandate unterschiedlich teuer. So »kostete« 2014 ein Mandat in Oberösterreich 1.901 Stimmen, in Vorarl­berg hingegen nur 602 Stimmen. Ursache dafür ist, dass die Zahl der Mandate – zwi­schen 50 im Burgenland und 180 in Wien – nicht der unterschiedlich wachsenden Zahl der Beschäftigten angepasst wurde.

Ergebnisse der letzten AK-Wahl 2014

Bei der Wahl 2014 war – bei einem Rück­gang der Wahlbeteiligung von 44,8 auf 39,9 Prozent – großer Wahlverlierer der ÖAAB, der von bundesweit 217 auf 182 Mandate zurückfiel, aber seine Mehrheit in Vorarl­berg und Tirol behaupten konnte. Hinge­gen gelang es der FSG die Verantwortung für die Regierungspolitik auf den schwar­zen Koalitionspartner abzuwälzen und sich von 473 auf 495 zu steigern. Zugewinne konnten auch die FP-Arbeitnehmer von 72 auf 79 und die AUGE von 37 auf 46 Mandate verzeichnen, die sonstigen Listen fielen von 38 auf 30 Mandate zurück.

Abschneiden des Gewerkschaftlichen Linksblocks

Der Gewerkschaftliche Linksblock (GLB) konnte 2014 seine Stimmen gegenüber 2009 von 9.972 auf 14.750 erhöhen was eine Stei­gerung von 0,87 auf 1,35 Prozent bedeutet, was das beste Ergebnis nach Stimmen seit 1989 und das beste Ergebnis nach Manda­ten seit 1974 bedeutet. Mit der Verdoppe­lung der Mandate in Wien und der Steier­mark sowie dem Einzug in die AK-Vollver­sammlungen in Salzburg nach 45 Jahren und in Oberösterreich nach 25 Jahren konnte sich der GLB von drei auf acht Man­date steigern und ist damit derzeit bundes­weit die fünftstärkste Fraktion. Wermuts­tropfen waren 2014 die Stimmverluste in Tirol und Niederösterreich und dass es nicht gelang in Kärnten anzutreten, erfreu­lich hingegen, dass der GLB erstmals seit 25 Jahren wieder im Burgenland kandidieren konnte.

Entsprechend seinem Wahlmotto »Mut zum Widerspruch« übten die GLB-Vertre­tungen bei insgesamt 46 Vollversammlun­gen der vier Länderkammern mit 159 Anträgen und zahlreichen Wortmeldungen ihre Funktion als linke Opposition enga­giert aus, nahmen gegen unsoziale Maß­nahmen und Belastungen durch die dama­lige rot-schwarze wie auch seit Ende 2017 die schwarz-blaue Regierung Stellung und wiesen die wachsenden Angriffe auf die Arbeiterkammer zurück. Gleichzeitig ermunterte der GLB zum Widerspruch in Betrieb und Gewerkschaft sowie durch außerparlamentarischen Protest den Inte­ressen der Lohnabhängigen eine Stimme zu verschaffen.

Von »Mut zum Widerspruch« zu »Mut zum Widerstand«

In einem mit dem Regierungswechsel von 2017 sozial wie politisch verschärften Klima tritt der GLB mit dem Slogan »Mut zum Widerstand« in acht Bundesländern an, diesmal wieder in Kärnten, nicht aber im Burgenland. Als Sonderfälle sind Tirol – wo der GLB Teil des Wahlbündnisses »Gewerk­schaftliche Linke« ist – und die Steier­mark – wo wie schon 2014 wieder als GLB-KPÖ kandidiert wird – zu sehen. Seine inhaltlichen Schwerpunkte hat der GLB in einem Wahlaufruf sowie in seinem Forde­rungsprogramm »Mit 13 Punkten zu einem besseren Leben!« zusammengefasst.

Sozialdemokratischer Verbalradikalismus

Mit dem Regierungswechsel zu Schwarz-Blau wurde die SPÖ – wie schon zwischen 2000 und 2006 – aus der Regierung ver­drängt. Grund genug für die übermächtige SPÖ-Fraktion kräftig gegen die ungeliebte Regierung Dampf abzulassen, ein Verbalra­dikalismus, den man in SPÖ-Regierungszei­ten vermissen musste. Was die FSG freilich nicht hindert weiterhin der vom »Partner« de facto schon aufgekündigten Sozialpart­nerschaft nachzuweinen und – wie die letz­ten KV-Verhandlungen gezeigt haben – nach wie vor magere Kompromisse zu schließen, die als Erfolg hochgejubelt wer­den.

Die »Kammerjäger« kommen

Freilich hat sich die Lage für die Arbeiter­kammern mittlerweile verschärft. Bereits im Wahlkampf 2017 gerieten die in Öster­reich als öffentlich-rechtliche Institutionen verankerten Kammern mit kräftiger media­ler Unterstützung verstärkt ins Visier der neoliberalen »Kammerjäger« der NEOS sowie der FPÖ. Insbesondere die Pflichtmit­gliedschaft ist dabei das Objekt der »Begierde«.

Was formal gegen alle Kammern gerich­tet ist, zielt freilich de facto vor allem darauf, die Arbeiterkammer als Interessen­vertretung der Lohnabhängigen zu demon­tieren. Die Abschaffung der Pflichtmitglied­schaft würde die AK mit 3,64 Millionen Mit­gliedern, 432,6 Mio. Euro Kammerumlage und 2.609 Beschäftigten in ihrer Substanz erschüttern. Eine freiwillige Zugehörigkeit würde die Mitgliederzahl und damit auch den Handlungsspielraum drastisch reduzieren.

Zwar musste die FPÖ bei den Koalitionsver­handlungen Federn lassen, noch war der ÖVP die Abschaffung der populistisch verteufelten »Zwangsmitgliedschaft« doch zu steil. Zumal damit einige ihrer wichtigsten Bastionen wie Wirtschaftskammer, Landwirtschaftskammer und Ärztekammer in Frage gestellt worden wären. Ein Regierungsultimatum an die AK zur »Effizienzsteigerung« bis Ende Juni 2018 ließ man verstreichen.

Ein möglicher Hebel ist nun die Senkung der AK-Umlage – durchschnittlich etwa sie­ben Euro im Monat, maximal 14,44 Euro, 816.000 Mitglieder sind ohnehin befreit – populistisch als »Senkung von Lohnneben­kosten« verkauft und jetzt im Zuge der Steu­erreform-Debatte wieder aufs Tapet gebracht.

Ähnlich wie bei der Sozialversicherung winkt man mit einer »Entlastung« durch Bei­tragssenkung: die rund 900.000 von der Lohnsteuer befreiten Niedrigverdiener_ innen auch von der AK-Umlage zu befreien, hätte einen Einnahmenausfall von rund 50 Mio. Euro zur Folge. Eine Senkung der Umlage (derzeit 0,5 Prozent des Bruttobezu­ges) um nur ein Zehntel Prozent würde die Kammern gleich um 20 Prozent der Mittel, jährlich um 86 Mio. Euro schwächen.

AK bleibt!

Der Vorwurf des »Reformunwillens« negiert freilich, dass mit dem AK-Gesetz von 1992 eine umfassende Reform erfolgte und die AK heute eine der vertrauenswürdigsten Institu­tionen der Republik ist. Zur Disposition ste­hen Beratung und Vertretung zu Arbeits- und Sozialrecht und Konsumentenschutz, aber auch die Funktion der AK als »Think Tank« für Gewerkschaften, NGOs sowie die Mitsprache bei der Gesetzgebung und in der Selbstverwaltung der Sozialversicherungen – bekanntlich für die aktuelle Regierung ein Dorn im Auge.

Gelesen 6680 mal Letzte Änderung am Mittwoch, 27 März 2019 15:53
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