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Überförderungen

von

von Margit Appel

Der Rechnungshofbericht zeigt eine teilweise Überförderung von Unternehmen im Rahmen der Covid-19-Hilfen auf. Manche wollen auch im jüngst ausbezahlten Klimabonus und Teuerungsausgleich wieder eine Überförderung sehen und rufen auf, ihn zu spenden. Welche Zugänge zeigen sich?

Nun bestätigt auch der Endbericht des Rechnungshofes über die Cofag-Gebarung was schon der Rohbericht zeigte: eine teilweise Überförderung von Unternehmen im Rahmen der im Jahr 2020 ausbezahlten Covid-19-Hilfen. Bei einzelnen Unternehmen entstanden so höhere Gewinne als im Vergleichszeitraum vor der Pandemie. Obwohl der Zugang zu den Hilfen, ihre Ausgestaltung und die erreichbaren Beträge im EU-Ländervergleich sehr großzügig gestaltet waren, taten sich Unternehmen auch noch mit »unerwünschtem Optimierungsverhalten«, wie es im RH-Bericht heißt, hervor. Denn: beim Umsatzersatz, so fasst Luise Ungerboeck den RH-Bericht zusammen, mussten weder der tatsächliche Umsatzausfall, ein Liquiditätsengpass noch Zahlungsschwierigkeiten »belegt oder plausibilisiert« werden – die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Branche reichte aus, um die finanziellen Hilfen beziehen zu können.

Wie? In einem Staat in dem ohne »Bedürftigkeitsprüfung« im »untersten sozialen Netz«, das ja wohl so genannt wird, weil es um Menschen in konkreten Notsituationen geht, keine Hilfen fließen, scheinen Unternehmen bevorzugte »Kunden« des Staates zu sein. Die Geschäfte, Restaurants, Hotels und Produktionsbetriebe waren ab dem Frühjahr 2020 gut hörbar sehr unzufrieden mit der Regierungsgebarung in Sachen Kurzarbeitsbeihilfen, Umsatzersatz, Fixkostenzuschuss, Ausfallsbonus und Co. Alles ging zu langsam, war zu bürokratisch, mutete Anträge zu und war jedenfalls zu wenig. Vieles an dieser Kritik mag richtig gewesen sein, befand man sich doch in einer neuartigen Krisensituation, die die Regierung und die Institutio-nen des Staates in vielfältiger Weise forderten. Dass die Kritik so vehement ausfiel und ihr nicht der Atem ausging, lag am hohen Organisationsgrad der Betroffenen. Die Lobbies waren da. Man brauchte nur den professionellen Apparat der diversen Interessensvertretungen tätig werden lassen und sich mit den Sozialpartnern kooperativ stellen. In einer solchen Krisensituation würden doch alle so handeln!

Alle? Die jetzt beschlossene Valorisierung der Sozialleistungen ist kein Kind der Covid-19-Pandemie, sondern der Inflation und der Energiekrise. Das Arbeitslosengeld wird nicht valorisiert, Disziplinierung für die im erwerbstätigen Alter muss sein. Die meist schlecht bezahlten »SystemerhalterInnen« im Handel, der Pflege, im Spital, in der Reinigung, im Kindergarten müssen sich weiter »risikoavers« verhalten, das heißt sie können gegen unfaire und belastende Arbeitsbedingungen kaum auftreten, weil sie sich den Einkommensverlust, den Arbeitslosigkeit bedeutet, nicht leisten können. Überförderung? Bei diesen Gruppen weit und breit nicht in Sicht. Gut organisierte, durchschlagskräftige Lobbies? Einige tapfere selbstorganisierte Gruppen von Erwerbslosen, lauter werdende Gewerkschaften im Bereich Pflege, Gesundheit, Elementarpädagogik, Plattformen für die Interessen Alleinerziehender, in der Armutskonferenz organisierte Armutsbetroffene. Nicht gerade die »Klientel«, die von dieser Regierung vorrangig beachtet wird.

Da müsste es wohl zu begrüßen sein, wenn jetzt wenigstens für jene, die schon gar nicht mehr aus und ein wissen und sich an eine soziale Hilfsorganisation wenden müssen, Erfreuliches winkt. Die Caritas hat mit ihrem Aufruf, den Klimabonus zu spenden, wenn man ihn selbst nicht braucht, scheinbar großen Erfolg. Wie eine Kolumnistin der Stadtzeitung Falter vermelden kann, seien schon weit über 100.000 Euro eingenommen worden – sie mache gerne Werbung für diese Aktion: »Damit es für manche nicht gar so grimmig wird«. Grimmig ist es aber schon! Etwa für die 25 Prozent der Haushalte, die laut WIFO und Fiskalrat schon vor der Inflations- und Energiepreiskrise von ihrem Einkommen ihre Alltagsausgaben nicht mehr decken konnten, über 30 Prozent sind es mittlerweile. Die 200 Personen, die bislang ihren Klimabonus und Teuerungsausgleich der Caritas gespendet haben, werden da nur wenig zum Ausgleich beitragen. Die Falter-Kolumnistin zählt auf, welche bekannten Leute sich in »500 Euro Klimabonus. Brauch i das? Oder Caritas?«-Spots in den Dienst der scheinbar guten Sache gestellt haben. Hilde Dalik, Ursula Strauss, Barbara Stöckl, Michael Ostrowski, Josef Hader, Dirk Stermann deklarieren sich somit als überfördert. Nicht weil sie in der Covid-19-Pandemie als Kulturschaffende zu viele Covid-Hilfen bezogen haben oder unter Umständen vom »Familienbonus« oder der Extra-Familienbeihilfe profitieren, sondern weil sie – so wie alle Menschen, die ihren Hauptwohnsitz 2022 für mindestens sechs Monate in Österreich haben – einen Ausgleich erhalten haben für die eben ein geführte CO2-Steuer.

Die Aktion der Caritas hat eine falsche Stoßrichtung. Sie unterläuft eine neue politische Maßnahme und eine staatliche Leistung, die als jährlich auszuzahlender Ausgleich für die anfallenden Kosten durch die CO2-Steuer ausgestaltet ist: ein Instrument, an das wir uns gerade gewöhnen sollen, ja müssen, weil es ein wichtiger Baustein einer Transformation ist, die uns weg bringen soll von den fossilen Energieträgern. In den Folgejahren wird dieses Instrument zur Akzeptanz dringlicher klimapolitischer Maßnahmen dann gestaffelt sein nach der regionalen Verfügbarkeit öffentlichen Verkehrs. Nicht nach sozialen Gesichtspunkten. Man möge aber nicht so tun, als ob Menschen mit sehr gutem Einkommen oder Vermögen nicht gerne staatliche universelle Leistungen in Anspruch nehmen würden und das ist ja auch in Ordnung so. Egal ob Fami lienbeihilfe, Gratisschulbuch, SchülerInnen- und Studierendenfreifahrten, erst recht Steuergestaltungsmöglichkeiten wie Familien bonus oder AlleinverdienerInnen-Absetz betrag, PensionistInnen-Ermäßigungen, u. a. m.: vom großen Opting-Out hat man nichts gehört und es wäre auch bedenklich, weil der Sozialstaat mit seiner Vielzahl an Leistungen umso besser akzeptiert ist, umso mehr Belastungen der unterschiedlichsten Art (Unfall, Krankheit, Verantwortung für Kinder, Pflege, Formen von Einkommensverlust, …) für alle ausgeglichen werden.

Die scharfen Verteilungsfragen, die sich im Zuge der Transformation, in der wir drin sind, stellen, brauchen verteilungspolitische und keine wohltätigkeitsbasierten Lösungen. Wenn Einzelpersonen einfach so Geld, das sie nicht zum Leben brauchen, spenden – an welche Organisation auch immer – ist das ihre private Sache. Das machen viele Leute, die gar kein besonderes Einkommen haben auch. Wenn sich soziale Organisationen in ihrem Bemühen um die Erhöhung des Spendenaufkommens auf das klischeehafte Bild von der Gießkanne drauf setzen und damit das unsägliche Argument von der fehlenden Treffsicherheit bespielen, ist das mehr als unglücklich: es ist eine seltsam unpolitische Vorgangsweise für eine Organisation, die ansonsten anwaltschaftlich sehr wohl für politische Lösungen eintritt und eintreten muss.

Überförderte Unternehmen und zu Unrecht geförderte Nichtregierungsorganisationen, KlimabonusspenderInnen und um Spenden werbende Organisationen, politisch Verantwortliche sowieso sind alle angefragt, aus der ihnen jeweils aufgegebenen Verantwortung heraus und nach ihrem Vermögen zu einer strukturellen – das heißt systematischen und dauerhaften – Lösung der bestehenden und sich gerade wieder als drängend erweisenden Verteilungsprobleme beizutragen.

Margit Appel, Politikwissenschafterin, als freie Autorin und Referentin in der politischen Erwachsenenbildung tätig.

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Gelesen 1523 mal Letzte Änderung am Mittwoch, 14 Dezember 2022 15:19
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