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31 März

BGE und Care-Arbeit als Potential

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Geschlechtergerechte Arbeitsteilung und Bedingungsloses Grundeinkommen (BGE) sind ein Potential, hinsichtlich Geschlechtergerechtigkeit braucht es aber mehr. Von Margit Appel

Eine Zukunft ohne gendern gehört zu den Zielen von Bundeskanzler und ÖVP-Parteivorsitzenden Karl Nehammer für eine nächste Regierungsperiode. Gemeinsam mit Arbeitsminister Martin Kocher betätigt er sich gerne beim Anpatzen von alleinerziehenden Müttern und teilzeitbeschäftigten Frauen: jammern die einen völlig unangebracht über zu wenig Geld für gesundes Essen, stehen die anderen dem Arbeitsmarkt nicht ausreichend zur Verfügung und gefährden die Standortchancen der österreichischen Wirtschaft. Kein guter Zeitpunkt, sich über eine geschlechtergerechtere Arbeitsteilung Gedanken zu machen?

Simone de Beauvoir hat darauf hingewiesen, wie wichtig es ist, neue Optionen zu schaffen, statt sich lediglich zwischen bestehenden Alternativen zu entscheiden (zit. nach Zerilli 2010,250). Wichtig wofür? Die Freiheit der Frauen, die Freiheit anderer gesellschaftlich abgewerteter Gruppen, letztlich für die Freiheit aller. Was sind die bestehenden Alternativen? Man kann zwischen frauen- und arbeitsmarktpolitisch rechtskonservativ, frauen- und arbeitsmarktpolitisch linkskonservativ, frauenpolitisch links /arbeitsmarktpolitisch linkskonservativ oder frauenpolitisch liberal / arbeitsmarktpolitisch neoliberal ausgeprägten (partei-)politischen Strömungen wählen oder wohl besser: sich damit arrangieren. Neue Optionen schauen anders aus.

Care-Ausblendung

Was diese bestehenden Alternativen gemeinsam haben, ist eine – in Graden unterschiedlich starke – Ausblendung des demokratiepolitischen Problems, das durch die Festlegung von un- oder unterbezahlter Care-Tätigkeiten auf Frauen bzw. andere marginalisierte Gruppen entsteht. Joan Tronto macht zu Recht eindringlich darauf aufmerksam, dass wir in einer Ordnung leben, in der statushohe Personen Care-Arbeit an andere abschieben können: Männer an Frauen; Angehörige der Oberschicht an Armutsbetroffene; jene, die sich aus ihrer rassistischen Haltung heraus als höherwertig verstehen an jene, die in ihren Augen weniger wert sind. »Unter dem Gesichtspunkt der Gerechtigkeit in einer demokratischen Gesellschaft sollten wir auch vorsichtig sein mit solchen Markierungen von Menschen als Geeignete für banale Arbeiten ...Solche Markierungen bewirken vielschichtigen Schaden. Vor allem signalisieren sie, dass markierte Menschen besser für Betreuungsarbeit geeignet,also nicht gleichwertig sind. Dies ist eine ernste Gefahr in einer demokratischen Gesellschaft« (Tronto, 2013 : 112. Übers.: Red.) Weder ist also die Arbeitsteilung zwischen Männern und Frauen, noch zwischen sozio-ökonomisch und statusmäßig privilegierten und weniger privilegierten Gruppen eine Frage persönlicher Präferenzen, noch lediglich eine Frage von Frauen-, Familien, Migrations-, Sozial-, Arbeitsmarkt-oder Wirtschaftspolitik. Die Frage der gerechten Verteilung von un- und unterbezahlter Care-Arbeit ist ein manifestes demokratiepolitisches Problem! Eine neue Option zum Bestehenden zu schaffen ist dringlich geboten – egal wie viel politisch-gesellschaftlichen Gegenwindes gerade gibt.

Von einem BGE ist kein Wunder hinsichtlich Geschlechtergerechtigkeit zu erwarten. Ein BGE ohne gut ausgebauten Infrastrukturen für Wohnen, Energie, Mobilität, Gesundheit, Kinderbetreuung, Bildung macht nur halb soviel Sinn. Ein BGE erfordert zusätzliche sozialstaatliche Leistungen für Menschen mit besonderen Bedarfen. Grund-Infrastrukturen, Sozialleistungen für besondere Bedarfe und BGE zusammen enthebenden Großteil der Menschen nicht dauerhaft von der Notwendigkeit, ein Einkommen aus selbstorganisierter oder am Arbeitsmarkt angebotener Erwerbsarbeiterzielen zu müssen – und der Großteil der Menschen wird das nicht nur müssen, sondern auch wollen.

Ermöglichungsstrukturen

Ist das BGE dann überhaupt eine neue Option? Die Debatte um das BGE, wenn sie denn mit einer geschlechtergerechten Perspektive geführt wird – was bei weitem nicht immer der Fall ist – politisiert Bedingungslosigkeit. Das ist das wichtigste emanzipatorische Potential des BGE und die neue Option, die es darstellt. Nancy Fraser spricht in ihrem Buch »Allesfresser. Wie der Kapitalismus seine eigenen Grundlagen verschlingt« (Fraser 2023) von einem Gesellschafts- und Wirtschaftssystem, dass eine eigenen »Ermöglichungsstrukturen« kannibalisiert. Eine dieser »Ermöglichungsstrukturen« ist die gesamte un- und unterbezahlte Care-Arbeit. Mit meinen Worten ist diese »Ermöglichungsstruktur« Care-Arbeit ein riesiger »Sektor der Bedingungslosigkeit« (Appel / Prainsack 2024). In diesem Sektor erbringen jene, wie schon beschrieben, die für die Erbringung von Care-Arbeiten als besonders geeignet markiert wurden, gesellschaftlich abgewertete Tätigkeiten, mit denen sie aber existentielle Bedürfnisse von Menschen erfüllen. In dieses anachronistische System ist Bedingungslosigkeit strukturell eingeschrieben. Erstens indem von den Care-Tätigen erwartet wird, ihre Bedürfnisse gegenüber der bedingungslosen Erfüllung der Bedürfnisse anderer zurückzustellen. Zweitens in dem gesellschaftliche Normvorstellungen und politisches Regime Forderungen Care-Tätiger nach Verbesserung der Arbeitsbedingungen, der Einkommen, der Aufwertung und Anerkennung, der gerechteren Verteilung nicht vorsehen bzw. weitestgehend verhindern wollen.

Sorge-Kämpfe

Seit mehreren Jahren gibt es sie aber dennoch, die »Sorge-Kämpfe« (Artus et al, 2017): in der österreichischen Sozialwirtschaft, der Berliner Krankenhausbewegung, den Streiks der deutschen und österreichischen Elementarpädagog*innen, der Selbstorganisation der österreichischen 24-Stunden Betreuer*innen in der IG-24 und – zivilgesellschaftlich breiter – in Initiativen wie Care Revolution, den Schweizer Frauenstreiks, dem österreichischen Bündnis Fair sorgen. Ziel dieser »Sorge-Kämpfe« ist es, die bestehenden Alternativen zurückzuweisen, endlich für sich selbst zu sprechen und das selbst zu gestalten, wovon man unmittelbar betroffen ist.Diese Absage an die ausbeuterische Qualität von Bedingungslosigkeit stärkt die Chancen, die emanzipatorische Qualität von Bedingungslosigkeit,wie sie in der Idee des BGE angelegt ist, für die Kämpfe um eine (geschlechter-)gerechtere Arbeitsteilung fruchtbar zu machen. Gerade haben wir in Deutschland im Vorfeld der Einführung des Bürgergeldes Machtkämpfe erlebt, die glasklar gezeigt haben, wie erfolgreich bedarfsgeprüfte Leistungen als politisches Spaltmaterial eingesetzt werden können. Keinesfalls ist damit eine neue Option im Sinne Simone de Beauvoirs in die Welt gebracht. Mit einem radikal bedingungslosen, existenzsichernden, individuellen Grundeinkommen, von allen als Rechtsanspruch zu beziehen, die legal im Land leben sehr wohl. Viele gilt es davon noch zu überzeugen, gerade auch jene, deren Arbeitsvermögen vom Allesfresser Kapitalismus kannibalisiert wird.

MAG.A MARGIT APPEL, Politologin und Erwachsenenbildnerin, freie Autorin und Referentin. Engagiert im Netzwerk Grundeinkommen und sozialer Zusammenhalt – BIEN Austria und in der Armutskonferenz.

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