Seit Jahrzehnten findet in Kärnten das mittlerweile vielleicht größte neofaschistische Treffen Europas statt – unter freundlicher Beobachtung der österreichischen Exekutive und vor den Augen ebenfalls jahrzehntelang ahnungslos sich gebender Regierungen, egal welcher Farbe oder Farbmischung. Seit allerdings im vergangenen Jahr die Kärntner Initiative »erinnern&handeln-spomin&dejanja« die erste Gegenkundgebung durchgeführt hat, regt sich zunehmende internationale Aufmerksamkeit und verstärkter Widerstand dagegen.
Anmerkungen von MIRKO MESSNER.
Es ist noch nicht lange her, da hatten einige Gemeindemandatare der Südkärntner Gemeinde Bleiburg/Pliberk nichts gegen das Ustaša-Treffen am nahegelegenen Loibacher Feld einzuwenden, denn immerhin würde, so ihre Hoffnung, die lokale Gastronomie einen schönen Batzen durch zusätzlichen Schnitzelverkauf verdienen. Heute klingt es anders: Die Treffen am Loibacher Feld seien der Bevölkerung »nicht mehr zuzumuten«, die Gemeinde komme in Verruf; ein Antrag des »Bleiburger Ehrenzugs« auf Umwidmung zusätzlicher, an das private Gedenkgelände angrenzender Fläche wurde vom Gemeinderat einstimmig abgelehnt.
Auch die katholische Kirche hatte jahrzehntelang den Mantel des zustimmenden Schweigens über den Skandal gebreitet. Vor kurzem aber hat sie bzw. die Gurker Diözese von ihrer kirchenrechtlichen Befugnis Gebrauch gemacht und der kroatischen Bischofsmesse im Rahmen der Veranstaltung des »Bleiburger Ehrenzugs« ihre Zustimmung entzogen, um, wie mitgeteilt wurde, Distanz zu »faschistischem Gedankengut« zu signalisieren. Die rechten Medien und Kleriker in Kroatien sind außer sich. Eine Messe wird es am 18. Mai dennoch geben, gehalten eben von einem Vertreter niederen Ranges.
Alle Jahre wieder
Der österreichische FPÖ-Innenminister ist dem Beispiel der Kärntner Kirche allerdings nicht gefolgt und hat das alljährliche verfassungsfeindliche Ustaša-Treffen in Kärnten bis heute nicht untersagt. Und so wird auch in diesem Mai auf dem Loibacher Feld bei Bleiburg/Pliberk der Rechtsextremen-Event des sich so nennenden »Bleiburger Ehrenzugs« stattfinden. Gefeiert & angebetet wird die Ehre der Nazi-Kollaborationstruppen des Ustaša-Staates Nezavisna država Hrvatska (NDH), die sich in den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs aus gutem bzw. schlechtem Grund nach Österreich in die Arme der Briten – eben auf das Loibacher Feld – geflüchtet hatten, um der befürchteten Rache der jugoslawischen Volksbefreiungsarmee zu entgehen (die faschistischen Chefs mit Ante Pavelić an der Spitze hatten so wie unzählige Nazis ihr Ticket für die Rattenlinie nach Südamerika in Anspruch genommen). Auf dem Loibacher Feld wurden sie von den Briten allerdings entwaffnet, der jugoslawischen Armee ausgeliefert und von dieser auf jugoslawisches Territorium verbracht, wo ein großer Teil von ihnen erschossen wurde; auf dem Loibacher Feld selbst bzw. in Bleiburg fand kein Massaker statt; das hindert die Ustaša-Epigonen in keiner Weise an der Legendenbildung unter dem Titel »Massaker von Bleiburg«.
Nach der Gründung des »Bleiburger Ehrenzugs« in Österreich durch Ustaša-Veteranen aus halbseidenem Milieu dümpelten die jährlichen Treffen ab 1955 ohne größere Resonanz dahin, was sich erst nach der Zerreißung Jugoslawiens schlagartig änderte; der Event am Loibacher Feld stieg in die erste Liga der europäischen Rechtsextremen-Treffen auf, mit Teilnehmerzahlen, die auch in die Zehntausende gehen können.
Dieser Aufstieg hatte neben dem Zerfall Jugoslawiens einige weitere Voraussetzungen:
Rechter Klerus, rechte Mitte und Herr Karl
Erstens, die Unterstützung durch den reaktionären Teil des kroatischen katholischen Klerus. Den zentralen Teil der unter »Totengedenken« firmierenden Veranstaltung am Loibacher Feld bildet die katholische Messe im Zentrum der Gedenkanlage. 2018 wurde die Messe vom kroatischen Erzbischof Želimir Puljić gehalten, der drei Jahre zuvor ein Referendum für die Legalisierung des Ustaša-Grußes Za dom spremni (»Für die Heimat bereit«) innerhalb des Militärs vorgeschlagen hatte. Der von Puljić repräsentierte Teil der kroatischen Amtskirche setzt das Kroatische mit dem Katholischen gleich und bringt es gegen Liberalismus, Kommunismus, Atheismus usw. in Stellung. Auf diesem Umweg wird die historische Kollaboration des klerofaschistischen Teils der kroatischen Kirche mit den Nazismus und den Ustaša legitimiert; Für jene kroatischen Katholiken sowie alle anderen, die sich im antifaschistischen nationalen Befreiungskampf engagiert und im Widerstand gegen die Nazis und die Ustaša Gesundheit und Leben riskiert oder verloren haben, ist somit kein Platz unter dem Schutzmantel der von Puljić und seinesgleichen repräsentierten kroatischen katholischen Kirche.
Zweitens, die Patronanz der kroatischen Regierung bzw. der heutigen neokonservativen bzw. rechten Regierungspartei HDZ (Hrvatska demokratska zajednica, »Kroatische Demokratische Union«); diese macht nicht nur staatliche Gelder für den Event locker, sondern beehrt den Event am Loibacher Feld durch persönliche Präsenz von Vertretern bzw. Amtsträgern – 2016 war unter anderen ihr neofaschistischer Kulturminister Zlatko Hasanbegović dabei –, so diese der Aufmerksamkeit internationaler Medien nicht ausweichen wollen wie die derzeitige Präsidentin Kolinda Grabar-Kitarović, die eine stille Kranzniederlegung einige Tage vor dem Rummel vorzuziehen pflegt. Das Engagement der HDZ entwickelt sich vor dem Hintergrund eines nachhaltigen reaktionären Wandels in der politischen Kultur Kroatiens; die Ustaša-Tradition wird ausgegraben, geputzt und in die Mitte der Gesellschaft gesetzt, mit dem Zug zum Hegemonialen. Die Bleiburger Legende spielt in diesem Zusammenhang eine sichtbare Rolle: unzählige Straßen in kroatischen oder dalmatinischen Orten sind nach den »Bleiburger Opfern« benannt.
Und drittens: die jahrzehntelang gepflegte Toleranz der großkoalitionären oder kleinkoalitionären oder von einer Partei allein getragenen österreichischen Politik gegenüber dem Ustaša-Treffen, wurzelnd zunächst in ihrer eigenen nationalsozialistischen Befangenheit und zementiert durch den antikommunistischen Konsens zu Zeiten des Kalten Krieges bzw. in der österreichischen politischen Kultur. (Was auch erklärt, wie es möglich wurde, dass z. B. ein Redakteur der faschistischen Ustaša-Zeitung Hrvatski narod namens Stipe Tomičić, hierorts besser bekannt als Alfons Dalma, nach dem Krieg zuerst Chefredakteur der Salzburger Nachrichten und dann Chefredakteur im staatlichen Österreichischen Rundfunk werden konnte, um dann 1969 mit dem Dr.-Karl-Renner-Publizistikpreis ausgezeichnet zu werden.) Heute würde ein Verbot der Veranstaltung des Bleiburger Ehrenzugs die ÖVP-Führung in Widerspruch zur HDZ bringen. Folgerichtig hat Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka am 9. April dem kroatischen Parlamentspräsidenten Gordan Jandroković sein Verständnis für »die Position Kroatiens« bekundet. Sind ja beide, ÖVP und HDZ, Mitglieder derselben EU-Fraktion (EVP – Europäische Volkspartei). Und indem über die FPÖ der lange Arm der Neofaschisten, deutschnationalen Burschenschaften und Identitären direkt in die Regierung hineinreicht, käme regierungsamtliches Handeln im Sinne des antifaschistischen Auftrags der österreichischen Verfassung einem politischen Selbstmord nahe.
Warum der Krieg an seinem Ende beginnt
Der europaweite Diskurs, in den das Ustaša-Treffen eingebettet ist, ist der des Geschichtsrevisionismus und des »Totalitarismus«, d. h., der Tendenz zur Gleichsetzung des Faschismus bzw. Nationalsozialismus mit dem Kommunismus und seiner »titoistischen« Variante. Der Ustaša-Auflauf geht allerdings über diese Gleichsetzung hinaus, indem seine Protagonisten Faschismus und Nationalsozialismus einfach ausblenden, gleichzeitig damit natürlich auch die Kollaboration mit den Nazis, und indem sie die »kroatische Tragödie« mit dem Massaker an den Ustaša-Angehörigen zu Kriegsende beginnen lassen. Mit anderen Worten: die vorangegangenen Glieder der Kausalkette sollen aus der Erinnerung gelöscht werden, weil diese auch die Erinnerung an die eigene Epigonenrolle bzw. an die Verbrechen des Ustaša-Terrorregimes einschließen. Und weil es nur so möglich ist, die Nazi-Kollaboration umzudichten in ein Anliegen zur Rettung der kroatischen Nation; also die Dinge auf den Kopf zu stellen, letztlich den antifaschistischen Charakter Jugoslawiens und den Kampf der jugoslawischen Partisanen und Partisaninnen zu delegitimieren – und mit ihm in einem Aufwaschen überhaupt den Kampf der Alliierten gegen das Naziregime. So geht Geschichtsrevisionismus.
Das alljährliche Treffen des »Bleiburger Ehrenzugs« am Loibacher Feld ist nicht nur kein Totengedenken, sondern ein Raum der politischen Agitation nationalistischer und rechtsextremer Gruppierungen aus Kroatien auf österreichischem Staatsgebiet – aber nicht nur, denn was diesen Event kennzeichnet, ist das Einvernehmen kraotischer Ustaša-Epigonen mit reaktionärem Klerus und Neokonservativen. Eine Art europäisches Festival der Kollaboration der rechten bürgerlichen Mitte mit den Neofaschisten, ganz im Zeitgeist des Brückenbaus zwischen rechts und rechtsextrem in einer zunehmenden Zahl europäischer Staaten inkl. Österreich. Deklarative Abgrenzung von unverhohlener nationalsozialistischer oder faschistischer Symbolik geht dabei einher mit der ungebrochenen Nutzung entsprechender Codes und Signale, wie derzeit von Identitären, FPÖ und Strache beispielhaft vorexerziert. Das Innenministerium hat, um den Druck öffentlicher Proteste abzufedern, unlängst mit einem neuen Abzeichengesetz das Tragen zweier Ustaša-Symbole verboten. Der Obmann des Ehrenzugs hat das begrüßt. No na. Eine Unzahl von Varianten dieser Symbole steht weiterhin zur freien Verfügung.
Die diesjährige Kundgebung der Kärntner Initiative »erinnern&handeln – spomin&dejanja« am 11. Mai in Bleiburg/Pliberk ist einen wichtigen Schritt weitergekommen bei der Internationalisierung ihres Anliegens. Nicht nur die nationalen antifaschistischen Verbände aus der Alpen-Adria-Region und aus Kroatien sind am 11. Mai dabei. Auch die europäische Föderation der Widerstandsverbände ist Mitveranstalterin. Der neofaschistische Event am Loibacher Feld ist mittlerweile auf Beratungen in vielen europäischen Hauptstädten zum Thema geworden, zuletzt am 3. Mai beim FIR-Konvent in Budapest, auf dem auch der Sprecher der Kärntner Initiative Andrej Mohar zugegen war.
Links zum Thema:
www.erinnern- handeln.at
https://www.no-ustasa.
at/wp-content/themes/ understrap/pdf/ Mythos_Bleiburg.pdf