Die Demokratie hat es zurzeit nicht leicht. In Europa, wo man sich die demokratischen Grundprinzipien nur zu gerne an die Brust heftet, kämpfen die hegemonialen VertreterInnen der marktkonformen Postdemokratie neoliberaler Ausprägung mit einem europaweiten Rechtsruck, der sich gewaschen hat.
Die Postdemokratie einerseits hat den Respekt vor demokratischen Entscheidungen weitgehend abgelegt. Die Wahlspektakel innerhalb der europäischen Staaten und ihre europaweite Variante, die Wahl der Abgeordneten zum Europaparlament, erinnern in ihrer Präsentation eher an die Olympischen Spiele oder die Fussballweltmeisterschaft – vielleicht wurde auch deswegen die Legislaturperiode des Nationalrats auf fünf Jahre verlängert, um solche Vergleiche weniger greifbar zu machen. Steht das Ergebnis einer Wahl oder eines Referendums (oder selbst nur die Entscheidung, ein solches durchzuführen) einmal fest, ist das keine Garantie für die Umsetzung. Mit der sogenannten Euro-Krise kamen zumindest für einige Zeit technokratische Regierungen z. B. in Italien ans Ruder der Macht. In Griechenland führte 2011 massiver Druck innerhalb der EU dazu, dass Papandreou sein Referendum zur Sparpolitik kurzerhand absagen musste. In der Ukraine wurde ein gewählter Präsident nicht durch Neuwahlen, sondern durch eine noch immer undurchsichtige und internationale Unterstützung genießende Protestbewegung beseitigt und durch einen Nachfolger ersetzt, dessen Legitimation nicht nur deshalb auf wackeligen Beinen steht. In Griechenland wurde 2015 abermals ein Referendum gegen das neueste Sparprogramm angekündigt, diesmal sogar durchgeführt und mit großer Mehrheit gewonnen, blieb aber ohne entsprechende politische Folgen. Und natürlich wird nicht nur in Europa dieses Spiel gespielt. Gerade kommt in Brasilien der neoliberale Flügel, der bei den letzten drei demokratischen Wahlen bei weitem keinen Zuspruch der Mehrheit fand, ohne demokratische Legitimation durch die BrasilianerInnen an die Macht.
Das Ziel von Orban, Le Pen, Strache und Co. wiederum lautet, internationale Projekte zum Wohle des »Volkes« überhaupt wieder einzustampfen und gleichzeitig die noch bestehenden Bastionen der Rechtsstaatlichkeit und Gewaltentrennung wieder aufzuheben. Wohin solche Bestrebungen führen, ist aus der europäischen Geschichte sattsam bekannt.
In Österreich haben wir das zweifelhafte Glück, dass in diesen Tagen beide Entwicklungen an den demokratischen Fundamenten knabbern. Einerseits haben wir nun bald einen neuen Kanzler und eine teilweise neue Regierungsmannschaft, deren konstituierende Elemente auf nationaler Ebene niemals auf einem Wahlzettel standen. Welche Politik diese neue Regierung, die aus parteiinternen und wahlstrategischen Gründen neu aufgestellt wird, unter der Führung von Christian Kern umsetzen wird, steht nicht in den Sternen, sondern kann aus der bisherigen Praxis der Regierungskoalition abgelesen werden oder daraus, dass ein immer stärkerer Flügel der SPÖ, der nun auch die neue Regierungsmannschaft absegnet, kein grundsätzliches Problem damit hat, mit der extremen Rechten zu koalieren. Auch wenn man die neuen Personen nicht voreilig be- oder verurteilen soll, so ist das gesamte Prozedere doch äußerst fragwürdig. Am 22. Mai schließlich stehen die Chancen nicht schlecht, dass ein Exponent des europäischen Rechtsrucks die Wahl zum höchsten Amt im Staat gewinnt.
Die Demokratie hat zurzeit ein Ablaufdatum, auch in Österreich. Die Schlagzeilen der letzen Wochen bestätigen: Es riecht schon etwas streng.