Gedanken über die Begegnungen beim Bestreben einer Wahl zu ihrem Recht mitzuverhelfen, aufgezeichnet von HELGA WOLFGRUBER
Das Sammeln von 2.600 amtlich beglaubigten Unterstützungserklärungen war für KPÖ PLUS – European Left die Voraussetzung für den Antritt zur EU Wahl. Dieses Ziel konnte mit über 3.200 Unterschriften erreicht werden – auch durch das Sammeln vor den Bezirksämtern. Dies ist wohl eine von den AktivistInnen nicht sehr geschätzte Aufgabe, sonst würde sie nicht von so vielen gemieden werden. Neben persönlichen Gründen ist es auch das undemokratische, reformbedürftige Wahlrecht, das den oft als demütigend erlebten Sammelakt zu einer Herausforderung macht.
Im öffentlichen Raum fremde Menschen anzusprechen, von ihnen etwas zu erbitten, in der Hoffnung sie mögen dies auch erfüllen, ist kein stressfreies Unterfangen. Zu viele Gefühle begleiten das einsame Stehen vor dem Tor des Bezirksamtes: Angst vor Zurückweisung, eine Abfuhr als persönlichen Misserfolg zu verbuchen, Wut über entwertende Äußerungen, Enttäuschung über erfolgloses Bemühen oder die Sorge, das Ziel nicht zu erreichen.
Und als wen nimmt mich der oder die Angesprochene wahr? Werde ich als Bettlerin, eine werbende Straßenverkäuferin oder als Weltverbesserin gesehen? Wen spreche ich überhaupt an und wie beginne ich meine Frage? Ob bewusst oder unbewusst wirksam – viele dieser Überlegungen gestalten die Begegnungen und fungieren als Motivationskiller oder fördern die Lust am Weitermachen. Trotz grundsätzlichem Interesse an Kommunikation oder Streitgesprächen und trotz Neugierde auf unerwartete Reaktionen der Angesprochenen ist es etwas anderes, das meine Identifikation mit dem Sammeln erschwert. Es ist ein veraltetes System der Wahlordnung. Muss jede Unterstützung im Mouseklick und Fingerprint Zeitalter wirklich persönlich abgegeben werden? Hat die Runde der »Elefanten« Sorge, dass einige »Ameisen« zu Störfaktoren in ihrem Machtrevier werden könnten? Daher die Hürden für einen Antritt kompliziert und hoch halten? Und wäre es nicht demokratischer, wenn alle Antrittswilligen, also auch Großparteien die gleichen Voraussetzungen hätten?
Vor dem Einschlafen habe ich mir noch einmal einige Begegnungen in Erinnerung gerufen und ich habe mir viele mögliche Antworten/Reaktionen auf mögliche Fragen/Äußerungen für den nächsten Tag überlegt. Und gleichzeitig gehofft, dass wir es schaffen. Die Reaktionen waren sehr bunt – oftmals begleitet von guten Wünschen, niemals von Entwertung und kaum von stiller Ignoranz. Letztlich war das, neben jeder unterzeichneten Erklärung, für mich die Ermutigung auf den oder die nächste/n Fremde/n zuzugehen und mantraartig zu beginnen …
Hier eine Auswahl von Volksstimmen beim Sammeln der Unterschriften:
»Ich unterschreibe. Die Linken sind sowieso harmloser als die Rechten.«
»Ich bin dafür, dass alle antreten dürfen.«
»Bin staatenlos, weil Palästinenser, schade …« Es entwickelte sich ein angeregtes Gespräch über Palästina.
»Leider kein Ausweis dabei.«
»Hab gerade keine Zeit, weil Amtstermin. Aber geben sie mir ein Formular mit.«
»Wofür treten sie überhaupt an – was wollen sie verändern?«
»Ich habe das Formular für den Austritt in der Tasche. Können sie vertreten, dass die neoliberale EU noch mehr zerstört? Die KPÖ Steiermark unterstützt doch sicher nicht diesen neoliberalen Zirkus.«
»Nix mit links – aber auch nicht mit rechts.«
»Ich habe gedacht, ich kann heute schon wählen – na ja, macht nix, wenn ich unterschreibe, bin ich wenigstens nicht umsonst hergekommen.«
»Die Richtung ist nicht richtig, aber Vielfalt ist wichtig.«
»Was, die KPÖ ist wieder auferstanden?«
»Andere Richtung. Tut mir leid.«
»Das ist zwar nicht meine Richtung, aber ihr Engagement gefällt mir. Hauptsache Leidenschaft. Was man macht ist beinahe egal.« (Dass ich diese Äußerung nicht unwidersprochen ließ, versteht sich.)
Eine Frau unterschreibt bereitwillig das Formular. »KPÖ – ja sicher.« Sie kommt aber noch einmal zurück und fragt: »European left, heißt das eh Europa links und nicht Europa verlassen? Okay, dann unterschreibe ich.«