WOHNEN: Wem gehört Graz?

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In der Kernzone von Graz liegt der sogenannte »Pfauengarten«. Ein Areal, das lange im Besitz der Stadt war und vor Jahren an einen privaten Investor verkauft wurde. Nach dem Bau von Luxuswohnungen will dieser nun auch Einfluss auf den öffentlichen Park vor dem Gebäude – den Grazer Stadtpark – nehmen, wie TRISTAN AMMERER, Bezirksvorsteher von Gries, für die Volksstimme berichtet.

Die Privatisierung öffentlicher Räume und das immer stärkere Auftreten von Inves­tor*innen in Fragen städtischer Entwicklung werfen überall dort, wo sie stattfinden, eine zentrale Frage auf: Wem gehört die Stadt? Meist wird diese Frage von jenen gestellt, die den genannten Entwicklungen etwas entge­genzusetzen versuchen. Von jenen, die oft ver­geblich gegen Gentrifizierungsdruck kämpfen oder erleben müssen, wie in Städten sämtliche Spielregeln außer Kraft gesetzt werden, wenn Investor*innen ihre Projekte umsetzen.

In Graz haben wir eine solche Entwicklung an dem besonders anschaulichen Beispiel »Pfauengarten« erlebt. Der sogenannte »Pfau­engarten« bildete eine eigenständige Grünflä­che zwischen Karmeliterplatz und dem Grazer Stadtpark. Bei Bauarbeiten für eine Tiefgarage stellte sich heraus, dass der »Pfauengarten« über einer archäologischen Fundstätte unge­ahnten Ausmaßes lag. Siedlungsreste, bis in die späte Hallstattzeit datiert, wurden dort entdeckt. Manch eine*r sprach vom entdeck­ten »Ur-Graz«.

Sittenbild einer Privatisierung

Der »Pfauengarten« befand sich schon lange in städtischem Besitz. Geraume Zeit stand die Frage im Raum, was mit dieser Grünfläche geschehen soll. So wurden Anstrengungen unternommen, das Gelände in ein mehrstöcki­ges Museum zu verwandeln, um die wahr­scheinlich wichtigste archäologische Fund­stätte in Graz öffentlich zugänglich zu machen. Diesen und anderen Bemühungen wurde vor mehr als zehn Jahren durch den überraschenden Verkauf des ganzen Geländes an einen Großinvestor ein jähes Ende gesetzt. Als wäre dies nicht genug, wurden dem Inves­tor auch beinahe 200 Meter der historischen Stadtmauer, um den Symbolpreis von 1 Euro und das Versprechen, sie in Stand zu halten, verkauft.

Ganz entgegen den Auflagen von Stadt und Land kam es ganz anders. Gewinner eines Architekturwettbewerbs wurde 2008 ein Ent­wurf, der die Auflagen nicht frecher missach­ten kann. Weder bekam der Karmeliterplatz seinen städteplanerischen Abschluss, noch wurde die maximal zulässige Bebauungsdichte eingehalten. Auch vom ursprünglichen Grün­raum soll nichts erhalten bleiben. Um die Missachtung der ursprünglich erteilen Aufla­gen zu legitimieren, mussten Ausnahmegenehmigungen her, die von der Stadt auch flugs erteilt wurden.

Schockierten Denkmalschützer*innen und Öffentlichkeit wurde derweil verlaut­bart, dass im »Pfauengarten« Luxus-Woh­nungen und Luxushotels errichtet werden sollen. Dies alles in einem monumentalen Beton-Bau mit einer rostbraunen Metall-Außenverkleidung und dem Anschein, eine möglichst katastrophale Klimabilanz zu erzielen.

Vom »Pfauengarten« zum Stadtpark

Doch es blieb nicht beim »Pfauengarten«, mit dem Stadtpark war in Folge auch das Wohnzimmer der Grazer*innen selbst bedroht. Wer sich eine Weile in Graz aufge­halten hat weiß, dass der Grazer Stadtpark von nahezu der ganzen Stadt genutzt wird. An lauen Sommerabenden machen es sich auf den Wiesen, die rund um den Pfauen­garten liegen, oft mehrere Tausend Men­schen gemütlich.

Aus Befürchtung, dass Eigentümer*innen von Luxuswohnungen sich von den bis dato ungestört feiernden Grazer*innen vor ihrer Haustüre gestört fühlen könnten, begann eine breite Mobilisierung. Unter Parolen wie »Der Stadtpark ist nicht Vorgarten der Reichen!« wurde gegen das Projekt mobili­siert. Umgesetzt wurde es dennoch ohne Rücksicht auf die Proteste.

Viele Grazer*innen zogen daraus eine bit­tere Lehre: Die Stadt gehört den Bürger*innen nicht, sondern jenen, die fähig sind, sich diese zu kaufen. Das Projekt »Pfauengarten« wurde schließlich über einen Zeitraum von mehr als zehn Jahren durchgesetzt, ohne dass auf Bedenken der Bevölkerung oder Proteste Rücksicht genommen worden wäre.

Größenwahn von Investor*innen gegen den Widerstand der Bevölkerung

Doch auch heute, 2019, ist das Projekt »Pfauengarten« noch nicht zur Ruhe gekommen. Die von Aktivist*innen geäu­ßerten Befürchtungen, die Bezieher*innen der Luxuswohnungen würden gegen die Parkkultur vorgehen, haben sich als Pro­phezeiungen entpuppt. Mehrere Woh­nungseigentümer*innen im »Pfauengarten« decken das gesamte nahe Umfeld mit Kla­gen und Anzeigen ein. Das betrifft zum einen die Event- und Clubkultur, reicht aber sogar bis zur Betreibergesellschaft der Tief­garage am »Pfauengarten« selbst.

Die Lehre aus dem Projekt »Pfauengarten« ist, dass sich in Graz Investor*innen auffüh­ren können, wie auch immer sie wollen, und dies mit Rückendeckung der Stadt. Blickt man in Berichte zur Grazer Stadtentwick­lung, meint man sich in einen Themenpark verirrt zu haben: Murgondeln, Plabutschgon­deln, Schlossberggondeln – keine noch so kleine Erhebung, für die die Stadt nicht schon Pläne für ein Gondelsystem verlaut­bart hätte. Sogar eine Schifffahrtsgesell­schaft entlang der in Graz extrem schnell fließenden Mur ist im Gespräch. Dazu gesel­len sich Projekte wie das Murkraftwerk, die sich gerade in Bau befindliche Augarten-Bucht, ein Verkehrskonzept, dass an den Grenzen des ersten Bezirks einfach aufhört, oder die zuletzt verlautbarte Idee einer gigantischen Bienenstock-Autogarage unter dem historischen Eisernen Tor in der Alt­stadt. Diesen Projekten gemein ist, dass sie gegen den hartnäckigen Widerstand der Bevölkerung durchgesetzt werden. Das ewige Lied in einer Stadt, die dem Größenwahn von Investor*innen und einem dafür nur allzu empfänglichen Bürgermeister verfallen ist.

Wachstum für wen und in welche Richtung?

Graz hat soeben Hamburg als am stärksten wachsende Stadt des deutschsprachigen Raums überholt. Die wirklich dringenden Fragen aber bleiben in Graz völlig unbeant­wortet. Wie bewältigt die städtische Infra­struktur, deren Ausbau seit Jahrzehnten sta­gniert, den massiven Bevölkerungszuwachs? Wie gehen wir mit den mehr und gefährli­cher werdenden Hitzetagen um? Und natür­lich: Was wollen wir gegen die Luftver­schmutzung unternehmen, die inzwischen weit im gesundheitsschädigenden Bereich liegt?

In diesen Fragen bleibt die Stadtregierung, insbesondere der Grazer Langzeit-Herrscher Siegfried Nagl bis heute jede Antwort schul­dig. Die Investor*innen freuen sich zwischen­zeitlich schon, mit dem Nord-Gries einen weiteren Bezirk als Spielwiese zur Gentrifizierung vorzufinden. Hauptsache der Rubel rollt. Der »Pfauengarten« lässt grüßen.

Gelesen 6378 mal Letzte Änderung am Samstag, 13 April 2019 11:12
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