Die Regierung setzt auf »Othering« (Anders-Machung) und Fremdzuschreibungen statt auf Dialog und Respekt vor Diversität
Sattsam bekannt ist, dass die Bundesregierung Themen, die die Gesellschaft spalten, dazu benutzt, um von den wirklichen Sorgen, die sie uns tagtäglich mit ihrer Sozial- und Wirtschaftspolitik beschert, abzulenken. Auch ist es kein Geheimnis, dass es »der Islam« ist, an dem sie ihre Spaltungs- und Entsolidarisierungspolitik festmacht, auf dass muslimische Menschen ungeniert diskriminiert und ihre Lebenspraxis abgewertet werden darf.
Aktuell geht es wieder einmal um das Kopftuch. Soeben in Begutachtung befindet sich nämlich ein von FPÖ-Rosenkranz, Mölzer jr. u. a. eingebrachter Initiativantrag zur Änderung des §43a SchUG (Schulunterrichtsgesetzes). Dieser sieht ein Verbot des Tragens »weltanschaulich und religiös geprägter Kleidung« bis zum 10. Lebensjahr vor, was zur »sozialen Integration von Kindern gemäß den lokalen Bräuchen« führen soll.
Bei Verstoß sind die Schulleiter*innen dazu verpflichtet, die betreffenden Eltern bei der Bildungsdirektion zu denunzieren. Die Eltern werden danach zu einem Gespräch in die Bildungsdirektion vorgeladen und »über ihre Verantwortung aufgeklärt«. Kommen sie dieser »Einladung« nicht nach oder wird neuerlich gegen die Regelung verstoßen, ist eine Strafe von 440 Euro bzw., bei Uneinbringlichkeit, eine Ersatzfreiheitsstrafe von bis zu vier Wochen fällig. In der Begründung heißt Es zählt, wie eine Bekleidung »von Abgesehen von der ungustiösen Bestrafungspolitik, der offenen Missachtung der Rechte muslimischer Eltern und der ungenierten Abwertung dessen, was als »fremd« wahrgenommen werden soll, basiert derlei Gesetzgebung auf plattesten Zuschreibungen. So gälte es, für Gleichberechtigung und Selbstbestimmung muslimischer Mädchen zu sorgen, die als grundsätzlich von Unterdrückung bedroht imaginiert werden.
Aus meiner langjährigen Berufspraxis an öffentlichen Schulen weiß ich, dass es für das Selbstbewusstsein eines Mädchens egal ist, ob es Kopftuch trägt oder nicht bzw., ob sie Muslima ist oder nicht. Faktoren wie soziale Herkunft, Gewalt gegen Frauen, (finanzielle) Abhängigkeit der Mütter usw. spielen eine Rolle, wenn es darum geht, wie ein Mädchen in der Welt steht. Unterstellungen und Pauschalisierungen, wie sie mit dieser geplanten Gesetzesänderung in Stein gemeißelt werden sollen, ziehen Grenzen zwischen Menschen und errichten Mauern im Denken und in der Wahrnehmung. Viel sinnvoller wäre es, unsere Regierung würde sich um soziale Gerechtigkeit, antirassistische Gesetzgebung und Frauenrechte kümmern.
Es muss jeder Frau selbst überlassen sein, wieviel von ihrem Körper sie öffentlich zur Schau stellen will. Die Autonomie ihrer Entscheidung gilt es zu sichern und zu respektieren. Es kann nämlich durchaus sein, dass eine Frau die Verhüllung als Selbstschutz (vor männlichen Blicken und Übergriffen) empfindet. Auch dies muss (denk-)möglich sein. Wo steht geschrieben, dass die in der westlichen Kultur übliche frühzeitige Sexualisierung und Zurschaustellung des Frauenkörpers der beste Weg ist, für ein Mädchen in der Welt zu sein? y einem objektiven Betrachter« gesehen wird; dabei kommt es nicht auf die Absicht des Trägers an, sondern ist es entscheidend, wie diese »von Dritten rezipiert« wird. Deutlicher kann man einen monokulturellen Hegemonieanspruch kaum mehr festschreiben. Es zählt nur, was ich sehe und denke, deine Sicht bedeutet nichts, gar nichts.