Sie weiß, dass alles auch ganz anders sein könnte – starsky ist eine Pionierin in der Kunst der Projektion. Seit über 30 Jahren ist sie Visualistin, Aktivistin und fem:art:ivistin. Ihre vielfältigen Arbeiten umfassen unter anderem feministische Text-Interventionen auf den Traunstein, an die Orte der Macht, deren Phraseologie sie dekonstruiert, wie Bundeskanzleramt, Präsidentschaftskanzlei, Parlament u.v.m. Mit der Volksstimme spricht die polymediale Künstlerin starsky über patriarchale Strukturen und feministischen Widerstand, stur und goschert sein und die solidarische Dynamik von Geben und Nehmen.
Aufgezeichnet von Heide Hammer
Deine Arbeiten atmen Widerstand – woher kommt Dein Sich-Nicht-Anpassen-Wollen?
STARSKY: Meine Kunst ist auch Emanzipation. Ich habe es vorgezogen die ersten 15 Jahre meines Berufslebens nicht in der Kunstszene, sondern in der subkulturellen Szene zu verbringen. Viele Jahre war ich auf jedem Set die einzige Frau. Dort habe ich mir Strategien erarbeitet, dem allgegenwärtigen Sexismus, der permanenten sexistischen Erniedrigung etwas Starkes entgegenzusetzen. Das Maß an rassistischer, sexistischer Scheiße, die ich dort zu hören bekam, hat es erforderlich gemacht. Eine Strategie war, extra goschert zu sein und mich durchzusetzen. Ich habe mir eine Stärke erarbeitet und denke: Ich bin eine Frau mit Nerven aus Stahl und ich bin stolz auf das, was ich geschafft habe.
Der Herzinfarkt, den ich im letzten Jahr erlitten habe, macht aber wieder ganz andere, neue Strategien erforderlich. Davor habe ich 30 Jahre lang allen Widerständen standgehalten. Eine drohende Delogierung in Kombination mit Corona-bedingt zwei Jahre lang keine Einnahmen, kein Geld und keine Auftritte zu haben, plus Alleinerzieherin eines pubertierenden Kindes zu sein, plus vor der Entscheidung entweder Essen oder Wohnen zu stehen, war einfach zu viel. Gut unterfüttert von einem jahrzehntelangen Grenzgang und einer jahrelangen Überlastung. Jetzt lerne ich neue Wege aus meiner Sturheit, auf die ich auch stolz bin, denn ich gehe nie den einfachsten Weg und ich gebe mich nicht geschlagen. Aber das hat einen Preis, vielleicht auch einen zu hohen Preis. Der einfachste Weg im Patriarchat wäre reich heiraten oder zumindest als Paar aufzutreten. Am Rande des Mannes kann eine Frau bestehen, allein bleibt sie in gewisser Weise immer Außenseiterin. Du bleibst draußen, selbst wenn du die Spielregeln kennst und lernst, dich darin zu bewegen.
Diese Sturheit oder Konsequenz ist nicht nur eine persönliche, es ist eine politische Entscheidung. Ich will und muss mich als Künstlerin, Erfinderin und Pionierin in einer patriarchalen, kapitalistischen Welt positionieren. Meine berufliche Biographie ist zwar besonders und außergewöhnlich, zugleich bin ich aber nur ein Beispiel, nur eine von vielen tollen Frauen, die sich mit all diesen destruktiven Dynamiken herumschlagen müssen. Solche wie ich finden nicht leicht einen Platz in dieser Gesellschaft, daher werde ich auch nicht müde, diese Strukturen anzugreifen.
Das Kunstfeld ist zudem hoch kompetitiv. Gibt es für dich Kooperationen, Arbeitszusammenhänge, die halten?
STARSKY: Ich verweigere die Konkurrenz. Ich bin eine gute Netzwerkerin, eine die geben und teilen kann. Mit manchen Menschen arbeite ich seit Jahrzehnten zusammen. Eine meiner Strategien ist es auch, Frauen reinzuholen: Frauen stehen in meinen Produktionen immer in der ersten Reihe. Es gilt konsequent gegen dieses patriarchale Prinzip zu arbeiten, dass es nur EINE geben darf. Vielmehr gilt: Sei die Revolution, die du sehen willst. Das bedeutet auch, andere Arbeitsverhältnisse zu schaffen. Ich bin immer auf der Suche nach Verbündeten. Manche Dinge lerne ich mühsam, schmerzhaft und spät. Zum Beispiel, dass das Teilen nicht mit allen möglich ist, dass ich bisweilen mehr aufpassen muss, denn bei Kooperationen mit Sauger:innen, mit Leuten, die nur nehmen können, ist es schade um die Projekte und Ideen, die dann zugrunde gehen. Hingegen mit FIFTITU%, eine meiner wichtigsten Verbündeten, mit Feminismus und Krawall, OBRA, eop, IMA, IntAkt und vielen eigensinnigen Einzelpersonen pflege ich jahrelange, fruchtbare Bündnisse und Zusammenarbeiten.
Viele deiner Arbeiten sind gleichsam immateriell, es gibt bei deinen Lichtinstallationen eine Aufführungspraxis, wo das Publikum zugleich Teil der Inszenierung ist. Die Dokumentation ist somit wirklich eine Momentaufnahme, die auch niemand kaufen und besitzen kann?
STARSKY: So ist es! Aus Prinzip! Dieses Prinzip habe ich nun aufgeweicht: Meine Hauptwerke sind flüchtig. Dennoch gibt es Dokumentationen und es wird Prints von den schönsten Momenten zu kaufen geben. Es wird eine »Alles für Alle«-Edition günstig zu erstehen geben: von 21 bis 44 cm, immer unter 500 Euro. Für größere Arbeiten muss erst der Anti-Arschloch-Test bestanden werden. Meine Arbeiten sind stark und mitunter einfach schön, dennoch sind sie nicht für jedermann zu haben.
Ich habe strukturell bedingt mein Leben darauf aufgebaut, arbeitsfähig zu sein. Krank sein konnte ich mir nicht leisten. Der Herzinfarkt hat mich eines anderen belehrt. Jetzt will ich auch Unterstützung von einer Community, von der Gesellschaft; ich fordere und brauche Solidarität aus einer geteilten politischen Überzeugung. Denn Kunst ist für die Welt gemacht, ist ein Geschenk an die Welt. Kunst ist Experimentieren, Vordenken – was sein könnte. Ich fühle mich dann am wohlsten, wenn meine Kunst im öffentlichen Raum passiert, für alle gleichermaßen zugänglich ist und niemand dafür zahlen muss.
Was hältst du vom Bedingungslosen Grundeinkommen? Oder würdest du z. B. kommunale Anstellungen von Künstler:innen bevorzugen?
STARSKY: Es gibt vieles an der Kunst, das keinen Warencharakter hat. Es ist Missbrauch der Kunst, sie zur Ware zu machen. Es ist ein Missbrauch von Frauen, von Künstlerinnen, die klug sind und ihre Kunst machen wollen, dass sie schön und sexy sein müssen, unterwürfig, lieb und nett, und auf ihren Körper reduziert werden. Ich arbeite gerne und viel mit dem Körper, lehne aber diese patriarchale Sexualisierung des weiblichen Körpers grundlegend ab! Zugleich habe ich meinem Körper viel zugemutet. Ein Grundeinkommen halte ich für eine Notwendigkeit, es würde extrem viel Angst aus der Gesellschaft nehmen. Es würde Allen ermöglichen, Erfahrungen zu machen, die ich aus Sturheit und Blauäugigkeit gemacht habe. Ich habe Lohnarbeit immer verweigert, ich funktioniere nicht in Hierarchien. Das Einpassen und Anpassen an eine Institution habe ich einerseits elegant verweigert, meine äußere Erscheinung provoziert viele und steht wohl auch für diese Verweigerung. Eine Professur an einer Kunstuni wäre adäquat. Vor gut zehn Jahren hatte ich für ein Jahr eine Gastprofessur an der Kunstuniversität Linz, das würde ich jederzeit wiederholen, auch um etwas von meinem Zugang, und meiner Tätigkeit als Pionierin weiterzugeben. Ich stelle mein Leben auch gerne in den Dienst der Revolution. Der Sturz des Patriarchats – die Goldene Revolution – kann kommen, ich bin bereit. Dann hätte ich das Gefühl, ein sinnvolles Leben gehabt zu haben! In diesem Sinne scheint mir das Bedingungslose Grundeinkommen unabdingbar und ich präferiere noch dazu die radikalste Form: eine weltweite Variante davon.
Was ist nun der Preis der Kunst und was bringt uns der Goldenen Revolution näher?
STARSKY: Der Preis für die Kunst, der in dieser Gesellschaft zu zahlen ist, ist hoch – zu hoch! Kunst, Soziales, Kümmerndes, Sinnstiftendes, Visionäres, Utopisches, Forschendes, Entwickelndes, Erfindendes wird zu wenig wertgeschätzt! Zu wenig bezahlt! Zu wenig gewürdigt! Ich halte das Grundeinkommen für eine Notwendigkeit, um Gleichberechtigung zu erzielen. Auch Quoten halte ich für unabdingbar – Preise, z. B. Staatspreise oder Kunstpreise sollten bis auf weiteres nur an Frauen verliehen werden – bis wir eine 50:50 Verteilung erreicht haben!
Was in unserer kapitalistischen Welt oft fehlt, ist Selbstbestimmung und Entscheidungsfreude. Wir werden nicht dazu animiert, selbst zu denken, selbst nachzufragen, gut wahrzunehmen und aus der eigenen Wahrnehmung heraus gute Entscheidungen zu fällen. Eigensinnig zu sein, nichts zu machen, nur weil es jemand von dir verlangt, habe ich sehr viel geübt und gelernt. Auch musste ich mir angewöhnen, meinen künstlerischen Wert nicht von der Bezahlung abhängig zu machen. Ich bin noch heute auf der Suche nach dem Nadelöhr, das es ermöglicht, ohne die verlangte Anpassungs- und Unterwerfungsleistung üppigste Bezahlung zu lukrieren.
Hast du keine Angst?
STARSKY: Angst ist eine bedeutende Emotion, es geht jedoch um den Umgang damit. Ich mache immer gerne Sachen, die mich ein bisschen ängstigen. Ich bin auch früh viel allein gereist. Die technische Versiertheit habe ich mir selber angeeignet, obwohl ich mich am Anfang ein wenig vor der Technik gefürchtet habe. Dann habe ich schnell bemerkt, dass die Technik viel einfacher ist als die Kunst, sehr viel durchschaubarer. Typen haben immer die Technik in die Hand bekommen. Technik ist immer ein Spiegel der Zeit, du erkennst das Jahrzehnt, in dem eine bestimmte technische Lösung entwickelt wurde. Ich stoße recht schnell an die Grenzen der Technik und sinne danach, sie zu erweitern, zu verändern. Daher habe ich auch einige technische Erfindungen gemacht, wovon es teilweise, weil das Geld fehlte, nur Konzepte gibt, teils gibt es Prototypen. Manches habe ich auch erst 20 Jahre später mit Freund:in nen und einer kleinen Förderung umgesetzt. Die technische Entwicklung hat rasant Fahrt aufgenommen, das Patriarchat hat sich in dieser Zeit ungefähr drei Millimeter bewegt.
Jeder Schritt, der diese Verhältnisse zu Fall bringt, ist wichtig. Wir müssen die Dinge beim Namen nennen. Das Patriarchat muss als Verbrechen definiert werden. Alles hat mit Macht, aber nichts mit Lust zu tun. Krieg, Patriarchat und Kapitalismus müssen als Verbrechen benannt und definiert werden. Es muss Gerichtshöfe geben, wo die Verbrechen des Krieges (nicht Kriegsverbrechen), des Patriarchats und des Kapitalismus als solche eingeklagt werden können. Der Oberste Gerichtshof muss jener für Menschenrechte sein. Die Menschenrechte müssen als oberstes Gesetz fungieren und es gibt nichts, was diese große Errungenschaft overrulen kann. Europa, die Erfinderin der Menschenrechte scheitert ja leider an ihren Grenzen. Ich denke auch darüber nach, was wir gegen den Krieg in der Ukraine tun könnten. Vielleicht könnten wir in Kiev einen riesigen Menschenteppich aus lauter westlichen Wohlstands körpern bilden. Mal sehen, ob dieser auch so leicht zu bombardieren ist.
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