Die Geschichte einer Bankidee und der Schaden für die Bewegung alternativer Ökonomien, aufgezeichnet von KARL REITTER.
Im Zuge der Finanzkrise von 2008 entstand im ATTAC-Umfeld die Idee, auch in Österreich die Gründung einer Bank anzustreben, die sich ethischen Kriterien verpflichtet fühlt und bewusst auf Spekulationsgeschäfte verzichtet. Derartige Banken gibt es in einigen europäischen Staaten. In der Schweiz ist Alternative Bank Schweiz (ABS) aktiv, in Deutschland die GLS Bank (Gemeinschaftsbank für Leihen und Schenken) mit ursprünglich anthroposophischen Wurzeln.
Das Projekt startete in Österreich unter dem Namen Demokratische Bank. Ab 2010 wurden die ersten Vorgespräche geführt, 2013 das Projekt, damals noch ein Verein, in Bank für Gemeinwohl unbenannt. Kennt man die Hintergründe, so zeigt sich die Problematik dieser Umbenennung. Christian Felber, führend bei der Entwicklung der Bankidee beteiligt, ist auch der Erfinder der sogenannten Gemeinwohlökonomie und Mentor der gleichnamigen Organisation Gemeinwohlökonomie, abgekürzt GWÖ. Seine Idee ist einfach: Alle kapitalistischen Unternehmungen sollen per Gesetz zu einer wiederkehrenden Gemeinwohlprüfung verpflichtet werden, die die bisherige Bilanzlegung ersetzt. Das Ergebnis dieser komplexen, mehrdimensionalen Prüfung soll je nach Resultat entweder zu steuerlichen Begünstigungen und rechtlich-finanziellen Besserstellungen führen, oder eben umgekehrt zu mehr steuerlicher Belastung und logistischen Nachteilen. Auf diesem Weg soll nach und nach ein grüner, sozial verträglicher und gezähmter Kapitalismus entstehen. Da die tatsächliche gesetzliche Einführung wohl etwas auf sich warten lässt, wenn ich das etwas ironisch ausdrücken darf, wirbt die GWÖ massiv für diese Ideen und Spenden, bietet eine Ausbildung zur GemeinwohlprüferIn an und präsentiert eine Liste von Unternehmungen, die sich bisher freiwillig dieser Prüfung unterzogen haben. Objektiv und ohne jede Polemik ist allerdings festzuhalten, dass die GWÖ seit Jahren auf gleichbleibendem Niveau dahindümpelt.
Genossenschaftsgründung und FMA
Die Umbenennung der Demokratischen Bank in Bank für Gemeinwohl rückte das Bankprojekt in die Nähe der GWÖ. Im Bankprojekt selbst führte dies zu Spannungen zwischen der Pro-GWÖ-Felber Gruppe und jenen AktivistInnen, die diesen Ideen fernstanden.
2014 wurde eine Genossenschaft gegründet und aktiv um Mitglieder geworben. Mit Hilfe des eingehobenen Genossenschaftsanteils, Minimum 200,– Euro, sollten die finanziellen Mittel für die Bankgründung aufgebracht werden. Die Genossenschaftsgründung startete vielversprechend, insgesamt konnten über 5.000 Mitglieder gewonnen und fast 4 Millionen Euro an Genossenschaftskapital angesammelt werden. 2017 geriet dieses Projekt allerdings in die Krise. Das Reservoir jener, die bereit waren, Geld in die Genossenschaft einzuzahlen und Mitglied zu werden, war offenbar ausgeschöpft. Das vorhandene Genossenschaftskapital reichte für ein Ansuchen um eine Banklizenz nicht aus. Daher wurde bei der Finanzmarktaufsicht (FMA) um eine Lizenz für ein Zahlungsinstitut angesucht. Ein Zahlungsinstitut darf zwar keine Kredite vergeben, ist aber berechtigt, Konten zu führen. Dieser Antrag wurde von der FMA abgelehnt. Offiziell lautete die Begründung: unvollständige und mangelhafte Unterlagen. Worin diese Mängel tatsächlich bestanden, wurde vom Vorstand des Bankprojekts nicht transparent gemacht. Die unter der Hand verbreitete Meinung, die FMA hätte im Interesse der großen Banken einen unliebsamen Konkurrenten aus dem Feld geschlagen, erscheint mir wenig glaubhaft. Nur um etwa die Dimensionen zu skizzieren: Die Bank für Gemeinwohl wollte mit 15 Millionen starten, die Bilanzsumme allein der BAWAG PSK beträgt 46.070 Millionen. Auch der Versuch, mit der deutschen GLS Bank zu kooperieren, scheiterte. Soweit, so schlecht.
Ein weiteres Problem bestand in den inzwischen ausgegeben Summen für Miete, Werbung und vor allem Gehälter, insbesondere für jene des nicht gerade schlecht dotierten Vorstands. Von den etwa vier Millionen einbezahlten Genossenschaftsbeiträgen waren 2,8 Millionen bereits wieder verbraucht. Alternative ökonomische Projekte können scheitern, das ist keine Schande und die Suche nach Sündenböcken ist keine Lösung. Skandalös war jedoch das Verhalten des Vorstands, nachdem klar geworden war: das Projekt ist gescheitert und kann nicht weitergeführt werden.
Anstatt die Genossenschaft in Würde aufzulösen und den Mitgliedern zumindest einen Teil der einbezahlten Genossenschaftsanteile zurückzuzahlen, wurde die Flucht nach vorn angetreten. Der Vorstand ließ in den von ihm formal korrekt einberufenen Generalversammlungen erstmals die einbezahlten Genossenschaftsanteile weitgehend entwerten und dafür als Draufgabe einen Mitgliedsbeitrag beschließen. So nach dem Motto: Wir können zwar keine Bank gründen, das Ziel der Genossenschaft ist verfehlt, aber wir machen trotzdem munter weiter. Nochmals, das Vorgehen dürfte formal juristisch korrekt gewesen sein. Aber sehr weitreichende Maßnahmen in ellenlangen Newslettern anzukündigen, wohl wissend, dass jene, die mit der Entwicklung nicht einverstanden sind, in der Regel mit den Füßen abstimmen, zu derartigen Generalsammlungen also gar nicht erscheinen, ist nicht als ein genossenschaftlichen Gepflogenheiten gemäßes Vorgehen zu qualifizieren.
Flucht nach vorn
Das Hemd des eigenen Arbeitsplatzes war näher als der Rock der Bankgründung, das ursprüngliche Ziel. In dieser Situation machte sich auch die Nähe zur GWÖ und die damit verbundene personelle Verquickung mit Felber-Fans im wahrsten Sinne des Wortes für den verbliebenen Vorstand bezahlt. Christian Felber höchstpersönlich verkündete in Videobotschaften neue Ziele und Horizonte. Auf der aktuellen Webseite wird nun das Weiterbestehen durch drei »Dienstleistungen« legitimiert: Es gebe weiter eine Crowdfunding Plattform, es würden Vorträge und Workshops zu ökonomischen Themen durchgeführt und man beteilige sich aktiv am politischen Diskurs, um »die gesetzlichen Rahmenbedingungen für die Geld- und Finanzwirtschaft am Gemeinwohl auszurichten«1, sprich die Ideen des Herrn Felber zu verbreiten. Und dafür waren über vier Millionen Euro und unzählige Arbeitsstunden nötig?
Den Schaden haben nicht nur die GenossenschaftlerInnen, den Schaden hat die Bewegung für alternative Ökonomien insgesamt. Wer wird nach dieser Erfahrung nochmals bereit sein, sich ideell und vor allem finanziell an einem alternativen Bankprojekt zu beteiligen?