Die Kälte des Februars Foto: Gerlinde Grünn

Die Kälte des Februars

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Von Gerlinde Grünn

In Linz beginnt’s, behauptet ein Tourismuswerbespruch der 1970er Jahre. Zumindest der Februaraufstand der organisierten Arbeiter:innen gegen den Austrofaschismus nahm in Linz seinen Anfang. Nächstes Jahr werden seither 90 Jahre ins Land gezogen sein und so manche Gedenkveranstaltung wird ins Haus stehen. Die letzten Zeitzeug:innen sind gestorben und die mündliche Tradierung der Ereignisse ist erloschen.

Geblieben sind historische und literarische Texte und Gedenkorte. Unweit des Linzer KPÖ-Haus in der Melicharstraße befindet sich der Bulgariplatz – wohl den wenigsten ist heute bewusst, an welches Ereignis dieser große, verkehrsdurchflutete Platz erinnert. Eine Schutzbundtruppe unter der Führung des Brauereiarbeiters Anton Bulgari sollte hier die vom Süden herziehenden Bundesheereinheiten am Eindringen in die aufständige Stadt hindern. Es kam zu einem Schusswechsel, dem zwei Bundesheerangehörige zum Opfer fielen. Als am nächsten Morgen die Niederlage des Aufstandes klar war, wurden fünf Schutzbündler vor das Standgericht gestellt. Einer davon – Anton Bulgari – am 22. Februar 1934 im Hof des Landesgerichts gehängt. Damit folgte das Gericht der Weisung pro Bundesland mindestens an zwei Aufständlern ein Exempel zu statuieren. In Steyr traf das Todesurteil Josef Ahrer.

Auch die KPÖ Linz pflegte in den letzten Jahren hier vor einer Gedenktafel für Bulgari ihr Februargedenken mit einer Kundgebung abzuhalten. Die SPÖ hatte das Denkmal für Anton Bulgari in den 1980er Jahren anbringen lassen und alljährlich anlässlich des Februargedenkens werden zwei Kränze aus roten Nelken samt Schleifen angeliefert. Unlängst kam Anton Bulgari sogar in einem Artikel des Landesblatts zu zweifelhaften Ehren. Der Historiker Sandgruber bemängelte in einem Rundumschlag gegen den frisch erschienenen Linzer Straßennamenbericht den Umstand, dass der ehemalige Polygonplatz nach einem Aufständler und Soldatenmörder benannt wurde. Dieses Madigmachen einer Platzbenennung nach Bulgari ist wohl vor allem dem Umstand geschuldet, dass in diesem Bericht so manch Unrühmliches des ÖVP-Säulenheiligen Heinrich Gleißner ans Licht kam. War er doch zur Zeit des Februaraufstands Landesführer der Vaterländischen Front und bester Mann des autoritären Kanzlers Dollfuß in Oberösterreich. Die Landes-ÖVP kam angesichts der zwar schon bekannten, aber nun erneut publizierten Tatsachen in gehörige Erklärungsnot, zumal auch eine mögliche Mitgliedschaft Gleißners in der NSDAP ruchbar wurde. Wer der Frage nachgeht, ob heute die Ereignisse des Februar 1934 noch eine Rolle spielen, braucht also nicht lange zu suchen.

»Die Gedenkkultur nicht in entleerten Ritualen erstarren zu lassen«
Der lange Schatten des kalten Februars wirkt bis heute nach, auch wenn das Wissen um die Ereignisse heute nur noch einer Minderheit geläufig ist. Erich Hackl verweist im Buch Im Kältefieber zurecht auf die bewusst verursachte Geschichtsvergessenheit, die den Aufstand der österreichischen Arbeiter:innen gegen den Faschismus kleinschreibt und damit den Traditionsstrang einer klassenkämpferischen und widerspenstigen österreichischen Arbeiter:innenbewegung aus der Erinnerung zu tilgen versucht. Umso wichtiger ist es, die Erinnerung hochzuhalten und die Gedenkkultur nicht in entleerten Ritualen erstarren zu lassen. Die KPÖ Oberösterreich leistet seit Jahren durch die Herausgabe von historischen Dokumentationen zu Themen des Widerstands ihren Beitrag zur Tradierung des Wissens. Die Basis dafür schuf Peter Kammerstätter, der mit seinem unermüdlichen jahrzehntelangen Wirken mündliche und schriftliche Quellen zu Geschichte der oberösterreichischen Arbeiter:innenbewegung zusammentrug. Besonderes Anliegen dabei ist es auch, den Anteil der Kommunist:innen am Februaraufstand zu dokumentieren. War es ja die KPÖ, die als eine der ersten Organisationen am 26. Mai 1933 von der autoritären Regierung Dollfuß verboten wurde. Bei den Februarkämpfern in Linz war unter den 14 Todesopfern auf Seiten des Schutzbundes auch der 19-jährige Franz Mayer, Mitglied des Kommunistischen Jugendverbandes. Er wurde bei den Kämpfen am Jägermayerhof tödlich verwundet. Seine Mutter Josefine Pangerl schilderte seine Grablegung dem Verscharren eines Hundes gleich, da weder Trauergäste noch Kerzen gestattet waren. Sein heute schon aufgelassenes Grab am Linzer Barbara-Friedhof war lange Jahre auch Stätte des Februar-Gedenkens der KPÖ. GLB-Arbeiterkammerrat Thomas Erlach gelang 2020 die Aufnahme von Franz Mayer in die Geschichtsgalerie des Bildungshaus Jäger-mayerhof der AK.

Da Linz auch eine Hochburg kommunistischer Schriftsteller:innen war, die politische Ereignisse auch in ihrem literarischen Werk verarbeiteten, findet man auch hier einiges zum Februaraufstand. So verfasste etwa Karl Wiesinger den Roman Standrecht und von Franz Kain gibt es Erzählungen über die Februarereignisse. Das wohl eindrücklichste Werk ist das Gedicht »Februarkämpfer« der Linzer Kommunistin und Schriftstellerin Henriette Haill, das 1934 verfasst, einen authentischen Ausdruck der Stimmung nach der Niederlage des Aufstands vermittelt. So heißt es in der letzten Strophe: »Und was auch alles kam und war, der blutige Februar hat uns ins Herz getroffen. Wir halten noch die Faust geballt, die Rechnung ist noch nicht bezahlt, die Wunde stehen noch offen.«

Februarkämpfer

Von Henriette Haill
(1904–1996)

Im unvergessenen Februar

als die Geduld zu Ende war

da griffen wir zu den Waffen

wir wollten keine Knechte sein

wir standen für das Letzte ein

und hatten’s nicht geschafft.

Wir ließen uns zu lange Zeit,

die Macht der Feinde war zu breit,

wir gingen ins Verderben.

Als uns die schwere Stunde rief

im Haß der Feinde Kugel pfiff,

da hieß es stehn und sterben.

Als man uns tief zu Boden schlug,

weil wir nicht einig, stark genug,

da mußten wir es büßen.

Die rote Fahne lag im Kot,

sie häuften auf uns Leid und Spott

und traten uns mit Füßen.

Nur keine Milde war ihr Sinn,

auf unserm Blut stand ihr Gewinn,

sie waren nicht bescheiden.

Sie labten sich an unserem Schmerz,

und zielten froh nach unserm Herz

und hängten uns mit Freuden.

Auf Leichen stiegen sie empor,

und öffneten gar weit das Tor

der Not im eigenen Lande.

Und Schlag auf Schlag und

Trug auf Trug,

das war ein böser Funkenflug

zum großen Weltenbrande.

Und was auch alles kam und war,

der blutig zwölfte Februar

hat uns ins Herz getroffen.

Wir halten noch die Faust geballt,

die Rechnung ist noch nicht bezahlt,

die Wunden stehn noch offen.

Text: Henriette Haill, 1934 Melodie: Christian Buchinger, 1984

Gerlinde Grünn ist Gemeinderätin in Linz, zuletzt erschien ihre Besprechung der Ausstellung über Friedl Dicker-Brandeis in der Volksstimme 05-2022.

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Gelesen 1636 mal Letzte Änderung am Mittwoch, 01 Februar 2023 18:52
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