19 Dezember

Ein ungewöhnliches Buch eines ungewöhnlichen Menschen

von

Moritz Margulies hinterließ nach seinem frühen Tod als Vierundfünfzigjähriger im Jahr 1964 ein Konvolut an Briefen, die er seinem Freund aus Czernowitzer Tagen, seiner Geburtsstadt, in den Jahren zwischen 1957 und 1961 geschrieben hatte. Die Briefe blieben unbeachtet bis seine Tochter Jeanette, anlässlich der Ehrung ihrer Mutter Ida Margulies, die ebenfalls Widerstandskämpferin war, durch die Benennung eines Platzes im vierten Wiener Gemeindebezirk, wieder darin stöberte. Sie erkannte ihre Bedeutung und veröffentlichte die Briefe in dem Buch Moritz Margulies – Eine Kunde meiner Existenz. Briefe eines Widerstandskämpfers im Mandelbaum Verlag.

Diese elf Briefe hielten den Lebensweg von Moritz Margulies fest, eines Lebens, das ihn in den 30er Jahren in die Reihen der KPÖ führte, nach deren Verbot in den Untergrund zwang und schließlich in den Widerstand gegen den deutschen Faschismus mündete. Margulies lernte, wie er selbst schrieb, 14 Gefängnisse und Lager kennen, konnte mehrmals flüchten und entging oft nur durch Zufall dem drohenden Tod.

Margulies kam als Siebzehnjähriger im Jahr des Arbeiter*innenaufstands 1927 nach Wien, löste sich vom zionistischen Einfluss seiner Jugend, fand Anschluss an die Arbeiter*innenbewegung und trat der KPÖ bei. Die Schilderung seines politischen Kampfes vor und nach 1933 (dem Jahr des Verbots der KPÖ), den Februarkämpfen 1934 und gegen das Schuschnigg-Regime vermitteln ein authentisches Bild der Atmosphäre in der Arbeiter*innenschaft jener Jahre. Die illegale KPÖ übertrug dem 25-jährigen Margulies wichtige Leitungsfunktionen in Wien und schließlich für ganz Österreich. Nachdem ein junger Schutzbündler namens Fels, den er kannte, am 12. Februar von einem Polizeibeamten mit dem Bajonett erstochen wurde, nannte er sich Fels-Margulies. Unter diesem Namen war er in der KPÖ bekannt.

Vom Widerstandskämpfer zum Polizeioffizier

1936 machte Moritz Margulies erstmals mit dem Gefängnis Bekanntschaft, es folgten Jahre der Haft, Flucht, Widerstand in Belgien und Frankreich, Internierung und Befreiung. Die Erzählungen darüber in den Briefen vermitteln ein eindrucksvolles und erschütterndes Bild dieser Zeit des Krieges, der Verfolgung, des Lebens in den Gefängnissen und Lagern, aber auch der Solidarität unter den Häftlingen und Lagerinsassen, den illegalen Helfer*innen im Widerstand und insbesondere der Kommunist*innen.

Die Briefe von Moritz Margulies brechen mit der Inhaftierung im Nazigefängnis in der französischen Stadt Castres in Südfrankreich 1944 ab. Die Flucht aus diesem Gefängnis schildert der kommunistische Arzt und Spanienkämpfer Dr. Emanuel Edel in einem dem Buch beigeordneten Beitrag, der mich besonders berührte, da Dr. Edel mein Hausarzt als Kind und Jugendlicher war.

Über die Zeit nach der Befreiung enthalten die Briefe nur wenige Andeutungen. Das ist schade, denn Fels-Margulies marschierte mit dem in Jugoslawien im Rahmen der Tito-Partisanen gebildeten 2. Österreichischen Freiheitsbataillon ins befreite Wien ein, wurde hoher Polizeioffizier, Mitbegründer der Polizeigewerkschaft und Obmann der Parteiorganisation der KPÖ in der Polizei, Funktionen und Aufgaben, denen sich Fels-Margulies bis zu seinem frühen Tod kämpferisch wie sein ganzes Leben widmete.

Das Buch enthält auch begleitende Würdigungen des Bundespräsidenten Van der Bellen und von Eva Blimlinger.

Moritz Margulies – Eine Kunde meiner Existenz. Briefe eines Widerstandskämpfers,

Wien: Mandelbaum Verlag

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