Bettina Rosenberger ist Geschäftsführerin des Netzwerk Soziale Verantwortung, wir haben sie zum Lieferkettengesetz befragt. Von Barbara Steiner.
Was ist das Netzwerk Soziale Verantwortung, wer ist dabei und was ist die Aufgabe des Netzwerkes?
BETTINA ROSENBERGER: Das Netzwerk Soziale Verantwortung (NeSoVe) ist ein Zusammenschluss aus NGOs und Arbeitnehmer:innenvertretungen. Bereits seit 2006 setzt sich NeSoVe für eine verbindliche Regulierung von Unternehmen ein, damit Menschenrechte und die Umwelt entlang von globalen Lieferketten geschützt werden.
Eure Kampagne »Menschenrechte brauchen Gesetze« setzt sich für ein Lieferkettengesetz ein. Was ist das, warum braucht es das?
BETTINA ROSENBERGER: Vom T-Shirt bis zum Kaffee, Produkte, die wir alle tagtäglich benützen und konsumieren, basieren noch immer auf ausbeuterischen Arbeitsverhältnissen entlang globaler Lieferketten. Die Verfolgung von Gewerkschafter:innen in Bangladesch, die unsere T-Shirts nähen, ist auch unser Kaffee. Für unsere Schokolade arbeiten noch immer rund 1,5 Millionen Kinder unter ausbeuterischen Arbeitsbedingungen auf westafrikanischen Kakaoplantagen. Damit muss Schluss sein! Deshalb brauchen wir ein Lieferkettengesetz, das sicherstellt, dass Unternehmen entlang ihrer Lieferketten weder Menschenrechte verletzen noch die Umwelt zerstören.
Wo gibt es bereits ein Lieferkettengesetz und wie schätzt du den Vorschlag dazu auf EU-Ebene ein?
BETTINA ROSENBERGER: In Frankreich gibt es bereits seit 2017 ein Lieferkettengesetz, allerdings gilt dieses nur für Unternehmen ab 5.000 Mitarbeiter:innen. Positiv zu bewerten ist, dass das französische Lieferkettengesetz eine zivilrechtliche Haftung beinhaltet. Nur mit einer zivilrechtlichen Haftung kann gewährleistet werden, dass Betroffene von Menschenrechtsverletzungen im Globalen Süden auch entschädigt werden. In Deutschland wurde im Sommer 2021 ein Lieferkettengesetz beschlossen, dieses wird 2023 in Kraft treten. Zunächst wird es nur für Unternehmen ab 3.000 Mitarbeiter:innen gelten, ab 2024 werden auch Unternehmen ab 1.000 Mitarbeiter:innen betroffen sein. Das deutsche Lieferkettengesetz sieht jedoch keine zivilrechtliche Haftung vor.
Die EU-Kommission stellte nach mehrmaligen Verschiebungen im Februar 2022 einen Richtlinienentwurf für ein EU-Lieferkettengesetz vor. Der Entwurf ist ein erster Schritt in die richtige Richtung und beinhaltet auch eine zivilrechtliche Haftung. Er betrifft Unternehmen ab 500 Mitarbeiter:innen und einem Jahresumsatz von 150 Millionen Euro und in Hochrisikosektoren Unternehmen ab 250 Mitarbeiter:innen und einem Jahresumsatz von 40 Millionen Euro. Jedoch gibt es im Entwurf zahlreiche Schlupflöcher, die es Unternehmen derzeit ermöglichen würden, sich ihrer Verantwortung zu entziehen. Zudem ist bekannt, dass zahlreiche Unternehmensverbände lobbyiert haben, um das EU-Lieferkettengesetz abzuschwächen. Das EU-Lieferkettengesetz muss die Perspektive von Betroffenen im Globalen Süden in den Mittelpunkt stellen. Gemeinsam mit über 100 NGOs und Gewerkschaften aus ganz Europa fordern wir im Rahmen der neuen europaweiten Kampagne Justice is Everybody's Business ein EU-Lieferkettengesetz, das Menschenrechte, die Umwelt und das Klima effektiv schützt!