Die Musiker*in und Aktivist*in Dafina Sylejmani in einem Interview mit Heide Hammer über Musik, Liebe, Politik und vieles dazwischen.
Du bist unter verschiedenen Namen bekannt: Duffy, Dacid Go8lin oder Femme DMC. Könntest du deine verschiedenen Identitäten kurz beschreiben? Was machst du unter welchem Label?
DAFINA SYLEJMANI: Duffy koordiniert alles. Dacid Go8lin rappt und macht Musik. Go8lins ist alles, es gibt kein Genre. Ich möchte eine Sinfonie schreiben können, Leute produzieren, alles machen. Ich hatte nie Musikunterricht. Früher fand ich das bedauerlich, jetzt aber weiß ich, dass ich so viel freier bin. So bricht man eher Normen. Meine Songs, meine Beats hören sich sehr trippy an, sie sind eine Mischung von allem Möglichen. Femme DMC ist ein kollektiver Name, es ist ein Movement, es ist weder Verein noch Label, es ist wie eine Schule, die stark macht und das Potenzial jeder Künstlerin in den Vordergrund hebt. Femme DMC gibt es seit 23. Oktober 2015, die erste Generation waren Frauen, die ich schon kannte: Bella Diabolo, Soul Cat, DJ Countessa. Für die zweite Generation – Lady Il-ya, EC, Zion Flex (aus Großbritannien) und VJ-M-Jane, die Visuals machte – gab es die erste Show nach zwei Monaten. Die Verbreitung lief über Mundpropaganda und die Leute haben uns von Anfang an gefeiert, weil es so echt war, alle superstark auf sehr verschiedene Art. Heute bin ich der Motor von Femme DMC und an meinem Beginn in Wien war da Denice Bourbon, die mich gebucht hat und mir geholfen hat, Femme DMC auf die Beine zu stellen und mich ins kalte Wasser gestoßen hat, um die starke Frau zu werden, die ich heute durch diese Erfahrungen geworden bin. Ich bin auch schon mit 39 Grad Fieber aufgetreten, es ist eine große Verantwortung und jenseits von Egoismus. Ich weiß, dass es als Frau schwierig ist, Räume zu betreten, besonders jene Räume, die weitgehend von Männern und ihren Codes dominiert werden. Deshalb ist es so wichtig, miteinander zu lernen und andere zu unterstützen. Wir müssen uns zusammenschließen, auch mit Männern, zugleich braucht es Frauenräume. Klar gibt es zwischendurch irgendwelche Dramen, jeder Mensch entwickelt sich in seiner eigenen Geschwindigkeit und es gibt auch Konflikte.
Im Rap spielt die Sprache eine wichtige Rolle. Du machst viele dreisprachige Songs (Albanisch, Englisch, Deutsch). Erklärst du deinem oft einsprachigen Publikum, worum es geht? In welchen Sprachen träumst du?
DAFINA SYLEJMANI: Drei Sprachen machen mich vollkommen, machen die Energie eins. Deutsch ist eine sehr genaue Sprache, am Anfang wurde ich oft missverstanden. Jahrelang hatte ich damit Probleme, es geht vielen Migrant*innen so. Mittlerweile haben sich diese drei Sprachen in mir ausgebreitet. Ich träume nicht in Worten, mehr in Bildern und Gefühlen, ich denke ebenso. Sprache ist Macht, ich bin eine Bereicherung für Österreich. Ich komme aus einem superstarken Land, bin im Krieg aufgewachsen. Teilweise tue ich mir schwer, empathisch für so kleine Probleme zu sein. Das Leben, das ich gehen musste, hat viel zu viel von mir verlangt. Wir sind oft so unsicher, entfernen uns voneinander. Wie soll ich gut für die Welt sein, wenn ich mich nicht selbst liebe? Aber wie? Irgendwann auf meinem Weg der Politisierung dachte ich auch, jeder weiße Mensch ist scheiße. Wenn ich mich nur auf das Schlechte konzentriere, dann dringt auch keine Energie durch. Diese negativen Gefühle verhindern Austausch, Beziehung und alles wird immer schlimmer. Das Ergebnis waren bei mir zum Beispiel Panikattacken. Dann wählte ich eher einen albanischen Zugang: Im Kosovo feiern dich die Leute, wenn du unsere Sachen magst – Cultural Appropriation (Kulturelle Aneignung), ja klar.
Dir gelingt es, auch sehr schmerzhafte Erfahrungen – Krieg und Flucht ebenso wie das Ende einer Liebesbeziehung oder den Tod einer Kolleg*in – in deiner künstlerischen Arbeit zu thematisieren. Ist das nochmal schmerzhaft? Vielleicht sogar heilsam?
DAFINA SYLEJMANI: Ich hatte eine erste Panikattacke 2017 und ich habe erst 2020 angefangen, über 2017 zu schreiben. Für manche Sachen brauche ich einfach länger, weil ich nicht alles gleich verarbeiten kann. Früher war ich in einem eher aggressiven mood, jetzt bin ich vielfach bewusster. Als ich dachte, ich sterbe, tat es mir leid, meinen Auftrag nicht erfüllt zu habe. Denn Femme DMC ist ein Auftrag, den ich für diese Welt leisten kann, dem Geschlechterkampf die Musik zu geben, Frauen zusammen, egal woher und egal wo, Räume einzunehmen, Frau sein neu zu entdecken, neu zu erschaffen; patriarchale Vorstellungen von dem, was es heißt, Frau zu sein, zu kontrastieren. Deshalb müssen wir unsere eigenen Räume einnehmen. Trennungen, Spaltungen halten uns klein. Ich kann nicht jede*n glücklich machen, aber die Verantwortung des Motors geht über mich hinaus, es geht nicht um mich. Den Opferstatus, den Frauen ebenso wie andere marginalisierte Personen und Gruppen einnehmen, müssen wir auch wieder verlassen, sonst spielen wir dasselbe Spiel immer weiter. Solange du das Privileg hast, über dich und deine Gefühle zu sprechen, bist du kein Opfer. Diese ständig negativen Gefühle machen auch etwas mit dem Rest der Welt, unser Handeln hat Effekt auf die Welt. Ich muss mir eine Antwort geben können auf die Frage: Warum erlebe ich so viel Scheiße? Meine Antwort lautet heute: Deinen Schmerz trage ich nicht. Ich habe meinen eigenen, den kann ich niemand umhängen. Die Erkenntnis lautet also: Raus aus der Opferposition/ -rolle. Ich will endlich meine Macht spüren, den Effekt, die Resonanz, die ich erschaffe, die dann auch zurückkommt.
Du hast hunderte Songs gemacht. Sind manche super, mache gut und manche mau? Arbeitest du rund um die Uhr oder machst du auch mal nichts? Und was ist mit dem Groupies?
DAFINA SYLEJMANI: Ich finde alle meine Songs super gut. Ich habe auch schon drei Songs für Filme verkauft. Als Künstler*in geht es darum, Resonanz zu erzeugen, es geht darum zu machen, nicht zu urteilen. Es geht nicht um mich, es geht um die Message, Story Telling in den Lyrics. Ich schreibe immer dann, wenn ich mich nicht verstanden fühle. Die meisten Songs sind persönliche Geschichten. Das, was mir gefällt, ist nicht unbedingt das, was dem Publikum gefällt. Am Anfang konnte ich vor einem Auftritt zwei, drei Wochen nicht schlafen, war super fertig. Heute mache ich keinen fixen Plan, ich habe alle meine Beats dabei, die Texte im Kopf, schließlich habe ich sie geschrieben, die zugrundeliegenden Geschichten erlebt. Das Ziel ist eine Welle, worin sich die Menschen selber spüren. Es ist schwer in Österreich, Menschen in Bewegung zu bringen. Dabei geht es auch um Magie – Menschen sollen sich spüren, abschalten, loslassen, sich selbst fühlen, ihre Energie, den Herzschlag, die Schwingungen, ihre Gedanken. Ich bin ein*e Alchimist*in, ich liebe es, aus dem Minimum ein Maximum herauszuholen. Ich mache Musik nicht wegen der Groupies. Ich hasse es, sexualisiert zu werden. Offenbar erleben wir eine sexuelle Revolution, eine Glorifizierung von Sexualität und zugleich hassen sich viele Frauen, können sich nicht fallen lassen. Ich habe mein Tinder-Profil jetzt auf Musik umgestellt, eine kleine Werbeplattform. Und ja, doch – ich mach auch mal nichts, muss auch mal raus. Dabei hasse ich es, wenn etwas nicht fertig ist. Ich hasse nichts mehr, als wenn ich Zeit vergeude, daher schau ich schlechte Filme auch bis zum Ende. Liebe ist ganz kompliziert, niemand gehört dir, Menschen teilen die Zeit. Liebe bedeutet, wir gehen einen Weg gemeinsam, so lange es geht, wir bauen uns gegenseitig auf. Kein Zwang, keine Abhängigkeit, das ist für mich keine Liebe, eine offene Beziehung ist für mich keine Liebe. Es geht darum, sich gemeinsam fliegend zu machen. Ich hatte einige toxische Beziehungen und zum Glück auch einige wunderbare. Ich hasse es, auf Dates zu gehen, ich will nichts Konventionelles. Ich muss mich auf den ersten Blick verlieben.
Du warst bei vielen do! Demos auf der Bühne, bist eine der wenigen »Embeded Artists« von LINKS. Du bist im Wien-Wahlkampf oftmals aufgetreten, hast im 8. Bezirk kandidiert. Aus welcher politischen Überzeugung heraus machst du das? Warum LINKS?
DAFINA SYLEJMANI: Politik kann man nur in den Institutionen machen. Es ist ein Privileg, politisch korrekt zu sein. Leute wie wir müssen in die Politik. Die FPÖ ist deswegen so stark geworden. Aktivistische Menschen müssen sich dauerhaft in den politischen Raum begeben. Demos machen, das ist nur ein kurzes Schütteln, unser Platz ist da oben, wo es gilt, die Strukturen zu verändern. Es geht um uns alle, es geht nicht um mich. Politisch geht es um die unterdrückten Menschen, daher gilt es, das Ego runterschrauben. Menschen – links und rechts – sind nicht dumm, oftmals uninformiert. Ich will nicht gewollt werden, nur weil ich lesbische Migrantin bin. Ich bin gegen diese Spaltungen, gegen ein Pronomen: kein er und kein sie, weder Mann noch Frau, weder Ausländer*in noch Österreich*in, weder weiß noch schwarz. Das soll alles nicht zählen, was zählt, ist die Essenz. Ich hasse diese Integrationskacke, wo es nur darum geht, Menschen niederzuhalten, ihnen zu sagen: »Du kannst dich nicht anpassen!« Linke sind oft zu akademisch, dein Wissen kommt vom Buch, aber das ist nur halbes Wissen und kommt aggressiver und ignoranter rüber. Unsere Sprache hat viele Wörter, aber wenig Seele. Ich + Du = Wir. Eine einfache Message, aber darum geht es. Wie bei Femme DMC geht es auch bei LINKS darum, das Konkurrenzdenken zu verjagen – für alle! Es ist der Platz, wo wir unsere Kräfte zusammentun. Jeder Mensch ist ein eigenes Universum, das entdeckt werden muss. Wenn so viele Menschen kommen, kann man das nicht ignorieren, alle zusammen ist viel cooler: Awareness, Zusammenhalt. Durch diese Spaltungen limitieren wir uns. Ich bin muslimisch aufgewachsen, da kann ich nicht verleugnen, dass ich auch Christ und Jüdin bin. Was ich von allen Religionen gelernt habe: Der größte Fehler ist, dass wir in Menschengeschlechtern denken. Die größte Frage ist: Warum wissen wir nichts über unseren Körper? Da fängt Rap an. Musik ist der Weg, wie ich mit Gott und der Welt kommuniziere.
Was sollte in der Kunst- und Kulturförderung anders laufen, damit Künstler* innen sich ihrer Arbeit widmen können?
DAFINA SYLEJMANI: Klar sind Förderungen wichtig und es braucht mehr davon. Die Community ist nicht so groß wie in anderen Städten, aber die Leute gewöhnen sich an dich und du wirst selbstverständlich. Jede*r auf einem Konzert sollte dich fragen: »Kannst du dich noch halten, während du uns hier unterhältst?«