Zur Wiedereröffnung des Künstlerhauses Wien.
VON EVA BRENNER
Die Schlacht ist geschlagen – nach dreijähriger Renovierung des ehrwürdigen Künstlerhauses Wien fand das avantgardistische ReOPENING mit viel Pomp, hunderten Gästen, politischer und anderer Prominenz am 6. März statt. KünstlerInnen, KulturvermittlerInnen, KulturpolitikerInnen, Kunstaffine und Schaulustige strömten auf den Karlsplatz, wo eine von den Glocken der Karlskirche übertönte Eröffnungsperformance rosa gekleideter Live Ball-Figuren das »Begräbnis« des selbstverwalteten Künstlerhauses einläuteten. Im Inneren ging es mit den offiziellen Ansprachen weiter, in denen eine ohnmächtige Kultur-Nomenklatura (Ludwig, Lunacek) der politischen Kapitulation vor der Privatwirtschaft gratulierte.
150 Jahre Geschichte Vergangenheit
Seit 1868 hatte hier die älteste Künstlerhaus-Vereinigung Europas internen Spannungen und Spaltungstendenzen getrotzt und basisdemokratisch zusammengewirkt, um ihr eigenes Haus mit Wechselausstellungen der Mitglieder zu bespielen. In dreijähriger Umbauzeit ist aus der ehrwürdigen Institution mit 439 Mitgliedern im historischen Stil mitten im Herzen der Stadt ein modischer Eventschuppen geworden, finanziert, renoviert und orchestriert von Bautycoon Hans-Peter Haselsteiner und sekundiert von seinem Freund, dem Albertina-Direktor Klaus-Albrecht Schröder, der ebendort eine Dependance mit dem Titel Albertina modern errichtet hat, die von nun an die österreichische Kunst nach 1945 im Kontext der internationalen Moderne zeigen wird.
Die jahrelange Unterförderung der öffentlichen Hand hat zu diesem Ausverkauf geführt, sodass die KünstlerInnen sich gezwungen sahen, dem Angebot des Kunstmäzens, der das Haus als »devastierte Kaschemme«, »Ratzenburg« und Schande der Stadt verunglimpfte, zuzustimmen. Haselsteiner übernahm also 2015 74 Prozent des Hauses, zahlte nichts für den Standort, investierte 57 Millionen in die Generalsanierung und sagte die Zahlung laufender Betriebskosten zu. Ein exzellenter »Deal« für den Strabag-Eigentümer, dessen Firma den Umbau machte, und der so quasi gratis eine überaus attraktive Immobilie Stadt erwarb. Im Gegenzug stellte er Forderungen bezüglich künftiger Nutzung, war er doch auf der Suche nach einer Ausstellungsplattform für seine eben aus der Baumax-Pleite zugekaufte Essl-Kunstsammlung, die unter KennerInnen als »äußerst mittelmäßig« gilt (Lore Heuermann).
Die Albertina modern wird künftig das Erd- und Untergeschoss und die angrenzenden Räumen des Seitentrakts bespielen, der seit 1974 experimentelles Theater beherbergte (Künstlerhaustheater, dietheater) und zuletzt unter dem Namen »Brut« heimatlos geworden ist, was neben den Protesten der bildenden nun auch den Aufschrei der darstellenden KünstlerInnen auf den Plan rief, denn bisher wurde noch kein Ersatzquartier für das »Brut« gefunden.
Die Künstlerhaus-Eröffnungsausstellung »Alles war klar« wurde vom norddeutschen Kurator Tim Voss nicht vorrangig Künstlerhaus-Mitgliedern, sondern diversen zeitgenössischen KünstlerInnen aus überlassen, in seinen Augen ein Zeichen notwendiger Öffnung. Als »Paarlauf zweier Ungleicher« bezeichnete der Standard-Kritiker den Umstand, dass bereits auf der neuen Fassade neben der überdimensionalen Albertina modern-Aufschrift die »Künstlerhaus Vereinigung«-Schrifttafel kaum sichtbar ist. Im Obergeschoß drängt sich eine Auswahl von Kunstwerken der 25 ausgewählten Künstlervereinigung-Mitglieder in einem einzigen Raum aneinana. eine Zeichnung von Lore Heuermann – und wird in beigespult. Der Fokus der Ausstellung gehört den Gästen und präsentiert 48 Positionen, eine gemischte Palette bunter Collagen, Bilder, Skulpturen und Installationen, die kaum nachvollziehbare Referenzen zur Geschichte des Hauses aufnehmen. So montierte – sie hat aus Baustellen für die neue Wiener U-Bahn-Linie Lehm gegraben und daraus Tontafeln gebrannt.
Im zentralen White Cube Eventraum lobte eine mit fake joy sprudelnde Aktrice, Mercedes Echerer, die »gelungene« Renovierung vor zahlreichen Ehrengästen mit den Worten: »Auf diesen Augenblick haben wir alle jahrelang gewartet!« Dieser peinliche Kniefall vor dem Mäzen wollte vertuschen, was jede/r mit bloßem Auge sehen könnte: Aus den stattlichen Gründerzeiträumen wurden weiß getünchte, charakterlose Ausstellungsräume gemacht, die historischen Parkettböden durch Baumarkt-Billig-Auflagen ersetzt, die holzgetäfelten Flügeltüren von kalten Stahlrahmen, die Decken von hochgezwirbelter Beleuchtungstechnik verkleidet.
Interview mit Künstlerhaus-Mitglied Lore Heuermann (geb. 1937)
Wie beurteilst du als Mitglied des Künstlerhauses die (un-)»freundliche« Übernahme durch die Familienstiftung des Baulöwen Haselsteiner. Das Haus war eineinhalb Jahrhunderte im Besitz der KünstlerInnen-Vereinigung Europas, die jetzt über knapp 26 Prozent verfügt und ihre Aktivitäten auf das Obergeschoss mit knapp 900 Quadratmetern beschränken muss.
LORE HEUERMANN: Ich sag’s mal platt: Früher galt, dass ein Mäzen ein Mäzen ist! Die Medicis waren gebildete Gefühlsmenschen, sie haben Künstler gefördert, ohne Konditionen zu diktieren. Sie wollten sich sicherlich nicht etwas unter den Nagel reißen.
Haselsteiner behauptet, es gäbe in Wien kein Museum für die zeitgenössische Kunst nach 1945 und er würde nun diesem Manko abhelfen.
LORE HEUERMANN: In Wahrheit suchte er einen prominenten Ausstellungsort für seine kurz davor erworbene Essl-Sammlung, die er als Dauerleihgabe bis 2044 dem Museum Albertina übergeben hat. Wo bekommt man heute um den Preis einer Renovierung ein so zentral gelegenes Museumsgebäude? Das ist ein unfairer Deal gewesen, auf die Künstler Innen wurde dabei keine Rücksicht genommen.
Albertina-Direktor Schröder wiederum nutzt die Gelegenheit, um für sich eine attraktive Dependance zu schaffen, die mehr als das Doppelte an Ausstellungsfläche zur Verfügung hat – und erhält nach Hinausdrängen des »Brut«-Performance Zentrums den sog. französischen Salon gratis dazu.
LORE HEUERMANN: Es wirkt nach konzertierter Aktion. Obwohl der Kulturauftrag der Albertina die grafische Sammlung sein sollte, wird Schröder nicht müde, sich mit wenig Neues bietenden Mega-Schauen der Österreichischen und internationalen Modernen in die Schlagzeilen zu bringen.
Die grüne Kulturpolitikerin Eva Blimlinger nennt die Situation ein »Resultat des
Versagens der Kulturpolitik«. Wie hätte ein anderer Weg ausgesehen?
LORE HEUERMANN: Die Stadtpolitik hätte der Künstlerhaus-Vereinigung mehr als lächerliche 600.000 Euro an jährlichen Subventionen und ein Renovierungsbudget gestatten müssen. In diesem Szenario war das Schicksal besiegelt, zumal die Mitglieder mit internen Streitigkeiten in die Presse kamen.
Der weitaus potentere WG-Partner Albertina modern wird mit ca. 2.500 Quadratmetern Ausstellungsfläche und weit höherem Marketing-Etat die Aufmerksamkeit vollends abziehen. Wie kann die Künstlerschaft als Junior daneben existieren?
LORE HEUERMANN: Die zeitgenössische Kunst hatte es immer schwer in Wien, es ist eine Musik- und Theaterstadt. Hier gab es nie besonders viel Verständnis für die bildende Kunst, viele KünstlerInnen darben dahin. Ich beispielsweise habe mir als Künstlerin und alleinerziehende Mutter von drei Kindern eine sehr niedrige Pension erworben, nach einem halben Jahrhundert Arbeit.
Haselsteiners Vermögen wird auf ca. 1,8 Milliarden geschätzt, er kann sich 57 Millionen ungeschaut leisten. Pathetisch hebt sein Freund Schröder dies als »größte mäzenatische Leistung, die der bildenden Kunst in Österreich nach 1945 zugutekommt«, hervor (Profil 9, 23. 2. 2020). Entspricht das den Tatsachen?
LORE HEUERMANN: Haselsteiner und Schröder folgen ausschließlich Eigeninteressen – und die sind wirtschaftlicher Natur. Das verkaufen sie dann als Wohltat für die Kunst. Es geht dabei nicht um Qualität, sondern um Quoten, um die Auslastungszahlen.
Hat es Proteste der Mitglieder gegen die Übernahmebedingungen gegeben?
LORE HEUERMANN: Es gab unendlich viele Sitzungen und Streitigkeiten. Die jetzige Lösung wird als »Win-Win«-Situation verkauft, sie ist aber definitiv eine schlechte kulturpolitische Entscheidung. KünstlerInnen sind oft ängstlich und un politisch mit ihrem Überlebenskampf beschäftigt, wollen keine Verantwortung übernehmen. Das war in meiner großen Zeit, den 70er Jahren, anders. Ich saß in diversen Kunstbeiräten, und mir ging es um Objektivität und Förderung von Kunst und KünstlerInnen.
Hätten die Mitglieder die Neustrukturierung ablehnen können?
LORE HEUERMANN: Ich denke ja. Nein-Sagen ist wichtig! Ich habe einmal seinerzeit, wo ich das Geld gebraucht hätte, nein gesagt zu einer Ausstellung in Kärnten unter Jörg Haider. Man muss sich trauen, »nein« zu sagen!
Was bedeutet die Verdrängung des »Brut« und die Ausbreitung der Albertina für die Wiener Kulturszene?
LORE HEUERMANN: Für mich hat sowohl Theater wie Kino – letzteres darf ja bleiben – eine echte Bereicherung im Künstlerhaus dargestellt. Der unfreiwillige Auszug des Theaters, ein experimentelles Performance Zentrum, ist sehr schade – damit wird diese Kunstform wieder an die Peripherie verdrängt. Schröder ist ein genialer Selbstdarsteller, aus der BACA kommend, der die etablierte Moderne in touristischen Jubiläums-Ausstellungen abfertigt.
Du hast europaweit, in Asien oder auch im Nahen Osten ausgestellt. Du bist mit knapp 83 Jahren immer noch ungemein aktiv. Hast du als Künstlerhaus-Mitglied das Gefühl, anerkannt zu sein im Kanon der Wiener ZeitgenossInnen?
LORE HEUERMANN: Nein, ich bin eigentlich überhaupt nicht »präsent«. Ich mache zwar jedes Jahr Ausstellungen, österreichweit und im Ausland – aber die Berichterstattung ist zumeist enden-wollend. Museen bevorzugen es, etwas zu zeigen, das bereits Resonanz hat. Wer nicht ständig in den Medien vorkommt, ist nicht vorhanden.
Von nun an wird es weniger Platz, Mitsprache und mediale Bedeutung für die selbstbestimmte Kunst im Künstlerhaus geben – was ist deine Hoffnung für die Zukunft?
LORE HEUERMANN: Dass wir, die KünstlerInnen, nicht die Lust am Engagement verlieren.
Danke für das Gespräch.