DANIEL SCHUKOVITS
Seit Herbst 2019 finden an der Universität Wien wieder regelmäßig antifaschistische Proteste gegen Lothar Höbelt, seit 1997 außerordentlicher Professor am Institut für Geschichte, statt. Der Anlass: Höbelt, dessen Naheverhältnis zum Rechtsextremismus bereits seit Langem auffällig ist, trat Ende November 2019 auf der »4. Herbst akademie« des »Instituts für Staatspolitik« (IfS) auf, das laut Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes (DÖW) der neofaschistischen »Identitären Bewegung Österreichs« (IBÖ) zuzurechnen ist.
Der Titel der Konferenz verweist bereits auf die politische Ausrichtung der Veranstaltung: »Das Volk«, dessen Zusammensetzung dem Veranstalter zweifelsohne ethnisch-homogen gilt, sollte wieder einmal als Gemeinschaft beschworen werden. Dass es hier immer noch um die deutsche »Volksgemeinschaft« geht, verdeutlicht dabei besonders das Thema von Höbelts geschichtsrevisionistischem Vortrag: »›Entgermanisierung‹? Österreich und Deutschland nach 1945«. Dabei zeigt sich eine leidig bekannte Kontinuität. Die imaginierte »Volksgemeinschaft« ist stets Ziel von Angriffen – sei es im Rahmen der Befreiung vom NS-Regime, der (ohnehin äußerst behutsamen) Entnazifizierung nach 1945 oder durch Menschen, die aktuell vor Krieg, Ausbeutung, Verfolgung und Elend fliehen.
Gefährlicher Bogen zwischen »alter« und »neuer Rechte«
An diesem Punkt treffen sich der völkische Geschichtsprofessor und die neofaschistischen »Identitären« wohl am deutlichsten: Geht es den alten RevisionistInnen um die Verharmlosung der Menschheitsverbrechen der Nazis, so legitimieren die NeofaschistInnen ihren Rassismus mit der Verschwörungstheorie eines »großen Austauschs« der Bevölkerung. Die »Volksgemeinschaft« – und mit ihr in erster Linie die Rechtsextremen selbst – bleibt stets Opfer und muss sich als solche wehren. Besonders »gewehrt« hatte sich im März 2019 beispielsweise ein rassistischer Terrorist im neuseeländischen Christchurch: Auf dem Maschinengewehr des Täters, mit dem er in zwei Moscheen insgesamt 51 Menschen ermordete, standen Parolen der österreichischen »Identitären«. Vor wenigen Wochen sorgte auch ein Student an der Uni Wien für Aufregung, der sichtlich eine Schusswaffe tragend, in Vorlesungen saß und in den Sozialen Medien verdeutlichte, dass er als Rechtsextremist in einem Feuergefecht »gegen den Islam« sterben wolle. »Wie sagte bereits Göring? Wenn es um Kultur geht, holt mir die Pistole«, soll auch Höbelt 2008 erklärt haben.
Antifaschistischer Protest und rechter Aufmarsch
Nachdem antifaschistische Studierende die HörerInnen der Lehrveranstaltung auf die Aktivitäten und Positionen des Vortragenden aufmerksam machten, solidarisierte sich die rot-rot-grüne ÖH1 der Universität und begann im Dezember gemeinsam mit der Studienvertretung/IG Geschichte, mit der Autonomen Antifa Wien, den Jüdischen österreichischen HochschülerInnen (JöH) und dem Klub Slowenischer StudentInnen in Wien (KSSSD), die Proteste zu unterstützen. Anlass genug für ein Milieu aus deutschnationalen Burschenschaften, »Identitären« und anderer Rechtsextremer, sich in ihre traditionelle Opferrolle einzufinden. Die rechtsextreme Präsenz rund um die Lehrveranstaltung wuchs immer stärker an, bis sich die NeofaschistInnen sogar strark genug fühlten, die Studierendenausweise der Anwesenden an den Türen zu kontrollieren.
Tag der Niederlage
Am 14. Jänner sollte der völkische Spuk ein Ende finden: Mehr als 200 Studierende und AntifaschistInnen stellten sich den Rechtsextremen entgegen. Dass manche von ihnen sich zuvor in den Sozialen Medien bereits damit gerühmt hatten, die Hegemonie der Linken und »Bolschewisten« auf der Uni Wien zu brechen, dürfte zur Entschlossenheit beigetragen haben. Die Angriffe von militanten und teils bewaffneten Faschisten konnten daher abgewehrt werden. Die Frustration bahnte sich einen anderen Weg. 55 Jahre nach der Affäre Borodajkewycz3 hallt wieder der Ruf »Juden Raus!« durch die Gänge der Wiener Universität. In diesem Lichte ist es nicht verwunderlich, dass auch manche Eier ihren Weg auf die Rechtsextremen gefunden haben, unter ihnen der Anführer des »Rings Freiheitlicher Studenten« (RFS) oder der Organisator von »Pegida« in Österreich.
Opfer des »Meinungsterrors«
In den folgenden Tagen zeigte sich der RFS besonders wehleidig: Der Obmann und einer seiner Kameraden, beide zudem deutschnationale Burschenschafter, seien »zusammengeschlagen« und »schwer verletzt« worden. Tatsächlich sprechen im Falle des RFS-Obmanns Fotos eine andere Sprache und zeigen wie der Nachwuchspolitiker mehrere AntifaschistInnen attackiert. In einem Video auf »FPÖ-TV« präsentieren sich die Opfer zwar schlecht gelaunt, aber sonst bei augenscheinlich bester Gesundheit. Der FPÖ wiederum ist der erlittene »Meinungsterror« gar eine aktuelle Stunde im Parlament wert. Bedauerlicherweise ist derzeit hingegen keine Partei im Nationalrat vertreten, die die Einhaltung des Staatsvertrages einfordert. Dort heißt es etwa in Artikel 9: »Österreich verpflichtet sich, alle Organisationen faschistischen Charakters aufzulösen, […] welche die Bevölkerung ihrer demokratischen Rechte zu berauben bestrebt sind.«
Liberale Verwirrung
Doch auch in den Medien, besonders im liberalen »Falter«, scheint man andere Prioritäten gesetzt zu haben: Eine »sachliche Diskussion« mit den Rechtsextremen sei von Nöten und dabei müsse ein »Mindestmaß an Respekt« an den Tag gelegt werden, schrieb Nina Horaczek in einem Kommentar. Möglicherweise wollte der Neonazi, der mit verstärkten Schlaghandschuhen vor der antifaschistischen Blockade posierte, lediglich Respekt einfordern? Oder der Mann, der die Jüdischen Studierenden mit antisemitischen Parolen bedachte? Liberale JournalistInnen scheinen ihre Antworten auf diese Fragen aus den Redaktionsstuben heraus bereits gefunden zu haben. Bedeutsamer dürfte aktuell jedoch die Antwort der Studierenden und AntifaschistInnen sein, die mit ihrem Engagement gegen die Rechtsextremen nicht nur um das Klima an ihrer Universität kämpfen.