Facebook, letztes Septemberwochenende 2018, eine Nachricht poppt auf: »Schaut mal, in Wien wird am Donnerstag demonstriert, das müssen wir in Kärnten auch machen.« Innerhalb weniger Minuten fanden sich eine Handvoll engagierter Menschen und nur ein paar Tage später, am 4. Oktober 2018, gingen nicht nur in Wien, sondern auch in Klagenfurt die Menschen auf die Straße. Seither treffen sich jeden ersten Donnerstag im Monat unterschiedlichste Menschen, mit verschiedensten sozialen und politischen Hintergründen und Zugehörigkeiten beim Wörtherseemandl. Mit Ausnahme der Kärntner KPÖ, deren Landessprecherin Bettina Pirker vom ersten Tag an ehrenamtlich an der Organisation mitarbeitet, bekennt sich in Kärnten keine politische Partei zu den Donnerstagsdemos, obwohl sich unter den OrganisatorInnen, RednerInnen und TeilnehmerInnen regelmäßig einige ihrer Mitglieder finden, die sich solidarisch zeigen und sich auch öffentlich zu Wort melden. Viele Menschen, die an den Donnerstagsdemos in Kärnten teilnehmen, fühlen sich keiner bestimmten politischen Richtung zugehörig. Ebenso viele waren zuvor noch nie in ihrem Leben auf einer Demo. Sie alle werden jetzt aktiv, weil sie aktuelle Entwicklungen nicht mittragen wollen.
VON BARBARA HUBER
Schweigen macht uns zu MittäterInnen
Maximilian Fritz, Referent für Pfarrgemeinden der Diözese Gurk, war vom ersten Tag an als Teilnehmer dabei. Am 6. Dezember, Nikolaustag, hielt er auf der Donnerstagsdemo in Klagenfurt eine Rede über das Teilen und die Spaltung der Gesellschaft. »ChristInnen können nicht schweigen, wenn die Regierung versucht, die Gesellschaft zu spalten und Menschen gegen einander auszuspielen. ChristInnen können nicht schweigen, wenn wieder Sündenböcke gesucht werden, wenn ›Wir gegen Sie‹, gegen ›die Anderen‹, Programm wird, wenn Hass und Zwiespalt politisch salonfähig werden. Wenn rechte Rülpser regelmäßig relativiert werden und wenn ein Kanzler zu alldem schweigt, dann müssen wir sprechen.«
Nicht schweigen will auch der Journalist und Liedermacher Georg Maurer. Vor fünf Tagen ist sein jüngstes Enkelkind auf die Welt gekommen und er möchte ihm einmal sagen können, dass er sich gemeinsam mit einigen MitstreiterInnen dafür eingesetzt hat, ein menschliches Gesellschaftssystem zu sichern, Umweltschäden zu reduzieren und nicht auf Kosten von hungernden Menschen im Luxus zu leben. Maurer geht es darum »gegen die unmenschliche Denke neuer und alter Nazis, aber auch der österreichischen Bundesregierung auf die Barrikaden zu steigen.« Besonders unerträglich ist für ihn »der Umgang mit Flüchtlingen und mit all jenen, die am Rand unserer Gesellschaft stehen.« Nicht akzeptieren will er »die Spaltung unserer Gesellschaft, die offensichtlich nur dem Innenminister Freude bereitet und die Verunsicherung weiter Kreise unserer Mitmenschen, aus denen FPÖ und ÖVP Kapital schlagen wollen, sowie die Verlogenheit der höchsten Regierungskreise.« Gemeinsam »gegen Rassismus, Faschismus, Sozialabbau, Umweltzerstörung und die Spaltung unserer Gesellschaft« aufzustehen und »Nein!« zu sagen, ist seiner Ansicht nach »nicht linksradikal, es ist menschlich, demokratisch und notwendig, denn Schweigen macht uns zu Mittätern!« Zweimal schon hat Maurer die Kärntner Donnerstagsdemos musikalisch mit seinen durchwegs gesellschaftskritischen Liedern begleitet.
Musikalische Beiträge zu den Kärntner Donnerstagsdemos leistet auch der Inklusionsbegleiter und Musiker Baback Soleymani. Er kam selbst als Flüchtling nach Österreich und arbeitet jetzt in der Flüchtlingshilfe. Im Jahr 2018 gründete er gemeinsam mit Kollegen die SOLBAND, die immer wieder ehrenamtlich für gemeinnützige Aktionen auftritt. »Wir möchten heute gerne die Menschen unterstützen, die uns damals unterstützt haben, als wir Flüchtlinge waren.« Extra für die Donnerstagsdemos übte die Band das bei den Demonstrierenden beliebte Partisanenlied »Bella Ciao« ein.
Menschenrechte und Demokratie verteidigen
Ein weiterer Unterstützer der Kärntner Donnerstagsdemo ist Soziologe Ghulam Mohsenzada. Er beschreibt den »aktuellen Rechtsruck in Europa und auch in Österreich als eine ernste Gefahr für die Demokratie und Menschenrechte.« Die rechtspositionierte Bundesregierung schüre Hass auf Minderheiten und sei gerade dabei »die sozialen Errungenschaften zu Gunsten der Konzerne und Superreichen abzubauen und dadurch die Menschen ihrer Zukunft zu berauben.« Widerstand zu leisten und aufzustehen »gegen die unsozialen Maßnahmen dieser Regierung« ist für ihn der einzige Weg. Auch Markus Ertel, Grüner Gemeinderat in Magdalensberg und Regionalsprecher der Grünen Wirtschaft und seit Dezember Mitglied im Organisationsteam der Kärntner Donnerstagsdemos, sieht eine große Gefahr im Rechtsruck und den damit verbundenen Angriffen auf den Rechtsstaat. »Besonders sticht jetzt Herbert Kickl mit seinen untragbaren Aussagen zur Europäischen Menschenrechtskonvention und dem Befund, dass das Recht der Politik folgen müsse, hervor. Die Europäische Menschenrechtskonvention schützt uns vor Politikern wie Innenminister Kickl.« Kritik übt Ertel auch an der Haltung der ÖVP, da diese sich schützend vor den Innenminister stelle, indem sie gemeinsam mit der FPÖ den Misstrauensantrag gegen Kickl im Nationalrat abgelehnt habe. »Aus diesem Grund ist es gerade jetzt notwendig, Haltung zu zeigen, unsere gemeinsamen Werte wie die Menschenrechte und die Demokratie zu verteidigen und gegen diese rechte Regierung entschieden aufzutreten.«
Dieser Ansicht ist auch die Sozialarbeiterin Barbara Albinger, die gemeinsam mit ihrem Mann bei allen Kärntner Donnerstagsdemos dabei ist. Obwohl sie nicht links sei, zählt sie sich zu den »so beschimpften Gutmenschen«, denn sie ist wütend darüber, »wie Menschen, die vor Krieg, Verfolgung und Hunger zu uns fliehen, politisch missbraucht werden, um Ängste zu schüren und rechte Wählerschichten anzusprechen.« Seit der Regierungsbildung von Liste Kurz und FPÖ verschlimmere sich die Situation in Österreich täglich. »Der Sozialstaat wird demoliert, Arbeitnehmerrechte ausgehebelt, soziale Randschichten werden verhöhnt und die Rechtsstaatlichkeit in Frage gestellt. Ja, ich bin eine besorgte Bürgerin – diese Regierung macht mir Angst. Darum gehe ich auf die Straße, denn ein kluger Mensch hat mal gesagt: Wer in der Demokratie schläft, wird in der Diktatur erwachen.«
Gegen die Verrohung der Sprache und deren grauenhafte Folgewirkungen
»Es wird nicht ohne hässliche Bilder gehen.« Diese Aussage des österreichischen Regierungsmitglieds und nunmehrigen Bundeskanzlers Sebastian Kurz im Jänner 2016 zur Frage über den Umgang mit nach Europa kommenden Menschen in Not ist für die Multimedia-Künstlerin und Kulturarbeiterin Barbara Ambrusch-Rapp »der absolute Wahnsinn«. Solche Sätze dienen dazu, die Anwendung von Gewalt gegen Menschen zu legitimieren. Wenn sich Kurz damit brüste, dass »wir« die Balkanroute geschlossen hätten, »verschweigt er bewusst, wie viele Erwachsene und Kinder durch diesbezügliche Maßnahmen grob misshandelt wurden oder – viel schlimmer noch – zu Tode gekommen sind. Und das geschieht auch jetzt noch laufend im Mittelmeer, auf Landwegen und in vermeintlich sicheren Flüchtlingslagern, beispielsweise in Libyen aber auch in Europa.« Viele Aussagen von Mitgliedern der aktuellen Bundesregierung erinnern Ambrusch-Rapp »an ehemalige Hassreden aus dem vorigen Jahrhundert, deren fatale Wirkung auf die Bürgerinnen und Bürger bekannt ist und die mittlerweile wieder zu spüren ist: Der in Worten zum Ausdruck gebrachte Hass gegenüber bestimmten Menschengruppen wird auf social media und in der öffentlichen Realität zunehmend offen ausgesprochen, erste Taten folgen bereits.« Besonders die Formulierungen von Herbert Kickl, der »Asylwerbende konzentriert an einem Ort« halten oder das »Abendland in Christenhand« sehen möchte, zeigen das dahinterstehende Gedankengut und führen zu einer »Verrohung der Sprache«, die letztendlich für die ganze Gesellschaft fatale Folgewirkungen hat. Die Künstlerin hat diesem Thema eine eigene Performance gewidmet, die sie auch schon im Rahmen einer Donnerstagsdemo, mitten auf einer blockierten Kreuzung, in Klagenfurt aufgeführt hat.
Reflexion und Systemkritik
Julia von Hut, Klimaaktivistin aus der österreichischen Transition-Bewegung, versteht die österreichweiten Donnerstagsdemos als Ort des politischen Diskurses. Sie beobachtet eine Politikverdrossenheit, die oft jenen, die sich dennoch engagieren, »den letzten Funken Hoffnung rauben«. Sie ist seit zwei Monaten im Organisationsteam und sie will mit den Donnerstagsdemos »Menschen dazu ermutigen, ihre politische Meinung kundzutun und sich mit anderen darüber auszutauschen«. Sie ist sich sicher, dass viele Menschen bereits die Auswirkungen der Fehltritte der aktuellen Bundesregierung zu spüren bekommen und sie möchte, »dass diese Auswirkungen der Ausgangspunkt für einen kollektiven Reflexionsprozess sind.« Ihr persönlicher Grund bei den Donnerstagsdemos mitzumachen ist »die Kritik am gesamtgesellschaftlichen, kapitalistischen System und die sich zuspitzende Klimakrise« sowie die mangelnden Ambitionen der Bundesregierung daran etwas zu ändern.
Auswirkungen dieser mangelnden Ambitionen und des Fehlverhaltens der Bundesregierung beobachtet auch Hannah Tomasi vom ÖH Referat für Frauen* und Gleichbehandlungsfragen Klagenfurt. Besonderen Handlungsbedarf sieht sie im frauenpolitischen Bereich. »Es gibt unbegründete Kürzungen, die nicht vertretbar sind. Trotz zahlreicher Belege der Nutzen von Frauen*organisationen, Gewaltschutzzentren, Männer*zentren, werden die Gelder partiell gestrichen, was dazu führt, dass viele Menschen tendenziell mehr Gewalt und Diskriminierungen ausgesetzt sein werden, sich keinen Schutz mehr suchen können.« Deshalb und weil sie – wie alle anderen TeilnehmerInnen – ihre Unzufriedenheit mit der schwarz-blauen Regierung kundtun und für eine solidarische Gesellschaft eintreten will, ist sie bei jeder Donnerstagsdemo in Kärnten dabei.
Kontakt und Infos zu den Kärntner Donnerstagsdemos:
www.facebook.com/ DonnerstagK
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