20 Januar

Die Raumgeber und die Raumnehmer

von

Von den USA in die Alpen. Unfrisierte Anmerkungen zur Jahreswende mit besten Wünschen und Absichten für 2017 und danach.
Von Mirko Messner, zitiert aus der Volksstimme No.12 Dezember 2016

Die Bundespräsidentschaftswahl in Österreich ist endlich vorbei. Auf der anderen Seite des Atlantiks wurde Donald Trump zum US-Präsidenten gewählt. Beide Resultate waren ziemlich knapp und Hinweise darauf, dass die (extreme) Rechte dabei ist, ihre Positionen in Staat und Gesellschaft auszubauen.

Die Wende zum Autoritären

Die liberale und sozialdemokratische Mitte ist entsetzt, zumindest gibt sie sich so. Trump, der Trampel, hat sie überfahren, und seinesgleichen in Europa schickt sich an, ähnliche Siege zu feiern. Die sozialdemokratische Mitte verweist mit sorgenzerfurchter Stirn auf das, was sie laut eigenem Kurzzeitgedächtnis schon immer, aber spätestens seit den sich häufenden Wahlschlappen wiederholt, dass nämlich die Sorgen und Ängste großer Teile der Bevölkerung endlich »ernst genommen« werden müssten – und sieht hartnäckig darüber hinweg, dass ihr Anteil an der Verursachung sozialer Frustration im längerzeitigen Gedächtnis großer Teile der Bevölkerung festgeschrieben ist.

Trumps Wahlerfolg ist nicht nur eine Umfärbung des politischen Personals. Die eine Kapitalfraktion löst die andere auf der Kommandobrücke ab. Ein durch die ökonomische Krise delegitimiertes politisches System ist dabei, sich autoritär und gewaltbereit neu zu konfigurieren. Das Bedenklichste dabei ist: Es gelingt ihm, auch Teile der ArbeiterInnenklasse, der Abgehängten, in diese hegemoniale Konfiguration einzubeziehen, ihre Zustimmung und somit seine Legitimation zu bekommen (wie in den USA, so auch hierorts).

Nationalismus und Rassismus überschreibt Korruption

Die herrschende ökonomische und politische Klasse wird von immer mehr Menschen als korrupt wahrgenommen. Die Drehtüren zwischen Politik und »Wirtschaft« müssen laufend erweitert werden, denn das Gedränge jener, die dazwischen pendeln, ist dicht. Ob in den USA oder in unserer Alpengegend.

Die Trump-Sektion des Establishments ist mindestens so korrupt wie der von ihr kritisierte und bei den Wahlen geschlagene andere Teil, doch ist das jenen egal, die ihn gewählt haben. Sie hören auf die Botschaft der sozialdemagogischen Rechten: Sie, die Rechtspopulisten, gerieren sich als direkte Sprecher des Volkes. Und ihre Chefs stellen sich als Verkörperung des wahren Volkswillens dar. Sie werden gewählt, weil sie der angestauten sozialen Frustration und Wut ein Ventil anbieten. Dass dies funktioniert, hat mit Nationalismus und Rassismus zu tun. In den USA und bei uns.

Der Rechtspopulismus hat kein »soziales« Programm. Er hat eine soziale Rhetorik, und verbindet diese mit konsequenter Ausgrenzung jener, die er nicht zur »eigenen Nation«, zu »unseren Menschen«, zur unausgesprochenen Volksgemeinschaft zählt. »Soziale Heimatpartei« eben, um die Selbstbezeichnung der FPÖ zu zitieren.

Ein Kern der neoliberalen Propaganda ist das Individuum, das sich im Konkurrenzkampf gegen andere durchsetzt. Solidarität ist ihr wesensfremd; der Rechtspopulismus verbreitert den Individualismus der neoliberalen Propaganda auf das sogenannte Volk, auf das eigene Volk, den angeblichen Besitzer des Nationalstaats, der in seiner Existenz und Ordnung durch die Migration, durch Flüchtlinge, durch Asylsuchende gefährdet wird. Auf diese Weise pervertiert der Rechtsextremismus die in der Gesellschaft vermisste Solidarität in die Solidarität der eigenen Nation gegen Minderheiten, Fremde usw. Das ist der Kitt, mit dem er »das Volk« bzw. Teile desselben an sich bindet, egal, wie sehr seine RepräsentantInnen selbst in jene Korruption verwickelt sind, die er der Konkurrenz vorwirft.

Die Raumgeber, die Raumnehmer und die Linke

Wo Austeritätspolitik und sogenannte Sparprogramme, auf die Schiene gebracht von asozialer, neoliberal inspirierter Politik der liberalen Mitte, der FPÖ Räume eröffnen, in denen sie die Zustimmung relevanter Teile der Bevölkerung wittert, besetzt sie diese. Das birgt ausreichend Potenzial für grundlegende Veränderungen in der österreichischen Parteienlandschaft, für eine Wende zum Autoritären auch bei uns.

SPÖ und ÖVP haben das Wettrennen um den zukünftigen Koalitionspartner FPÖ schon begonnen; jenen, die zwanghaft immer noch das kleinere Übel propagieren, wird angesicht des amikalen Umgangs desselben mit Strache hoffentlich übel, auch angesichts der Tatsache, dass das kleinere Übel tatsächlich schrumpft. Die Sozialdemokratie ist dabei, den Raum, den sie seinerzeit mit sozialstaatlicher Politik besetzt gehalten hat, zu verlassen, und ihn für die rechte Propaganda zu öffnen. Diesen Vorgang mittels Unterstützung des kleineren Übels zu unterbinden wird nicht gelingen, da dieses eben ernsthaft dabei ist, die Kooperation mit dem größeren anzubahnen.

Noch ein abschließender Blick in die USA: Nicht Bernie Sanders und seine MitstreiterInnen sind von Trump geschlagen worden, sondern jene Fraktionen der politischen Klasse und der Demokratischen Partei, die sich diskreditiert und Trump den benötigten Raum gegeben haben, indem Sanders im Vorwahlverfahren aus dem Rennen gekickt wurde. Dennoch wurde der Begriff des »demokratischen Sozialismus« als Alternative zum Kapitalismus im Wahlkampf zum Teil des progressiven politischen Diskurses in den USA ... Dieses sich verändernde Denken wird noch einige Zeit benötigen, um sich politisch zu repräsentieren, aber es ist bereits heute eine Ahnung, dass auch ein anderes US-Amerika möglich ist im Unterschied zu jenem, in dem viele Zahnlose die Krankenversicherung als kommunistisches Übel bezeichnen. Es wird an der Kooperations- und Organisationsfähigkeit der US-amerikanischen Linken liegen, sich angesichts eines zerrütteten politischen Systems sowohl gegen den neoliberalen Mainstream als auch seine rechte autoritäre, gewaltbereite Variante zu behaupten. Insofern steht die europäische Linke, stehen wir hierorts vor derselben Herausforderung (KPÖ-Website vom 9. 11. 2016, »Das Establishment hat einen neuen Präsidenten«).

In diesem Sinne: Wir müssen dazu beitragen, dass 2017 oder 2018 möglichst viele dem Kurs der liberalen und sozialdemokratischen Mitte, die der FPÖ die Räume öffnet, die Zustimmung auch mit dem Stimmzettel verweigern und sich so dem Rechtstrend entgegenstellen. Die KPÖ wird sich bemühen.

Mirko Messner ist Bundessprecher der KPÖ und Herausgebervertreter der Volksstimme.

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