Die alte Welt liegt im Sterben, die neue ist noch nicht geboren: »Es ist die Zeit der Monster«, charakterisierte Antonio Gramsci die Zeit des Übergangs nach dem Ersten Weltkrieg. Wir befinden uns in einer historischen Lage, die sich ähnlich oder noch radikaler wandelt als 1918/19. Soweit so schlecht.
Im Kleinstaat der Republik Österreich ist der politische Widerstand überschaubar. Was zunimmt, ist die Angst. Es werden Katastrophen skizziert, es werden Untergänge prophezeit und es wird die Rettung versprochen. FPÖ und ÖVP bearbeiten sie arbeitsteilig. Sorgt die FPÖ mit ihrer Expertise für Panik vor dem »Fremden«, konzentriert sich die Partei des »einen Prozents« auf die verachteten, in Not geratene Arbeitenden und Arbeitlosen. Der Lack von der christlichen Nächstenliebe ist ab. »Kampf gegen die Armut?« Jetzt werden Menschen, davon 70.000 Kinder, denen das Mindeste zum Leben gesichert werden soll, als monströse Bedrohung des Sozialstaats bekämpft. Dabei hat man auch keine Angst, sich der Lächerlichkeit preiszugeben. Der Wiener VP-Chef Blümel z. B. fordert selbstvergessen, was er selbst ist: »Eine schwarze Null für Wien«. Arbeitet die bürgerliche Seite konsequent an der Durchsetzung einer österreichischen Hartz IV-Version, der Verlängerung der Arbeitszeit, der Aushebelung der Arbeitsgesetzgebung samt Entsorgung der BetriebsrätInnen, leistet sie wertvolle Schlepperdienste für Steuerflüchtlinge und fährt den Sozialstaat mit ruhiger Hand salamitaktisch gegen die Wand. Sie treibt damit konsequent die frustrierten Opfer Straches Sturmtruppe zu. Das Einschrumpfen der eigenen Wählerschaft in Richtung schwarzer Null irritiert offensichtlich nicht und wird durch den Glauben an den kleinen Prinzen Kurz verdrängt, der das schwarze Geilomobil zu neuen lichten Höhen emporführen soll.
Täuschen wir uns nicht. Wir stehen erst am Anfang. Die großen Einschnitte sind erst in Vorbereitung. Das erklärt das gemeinsame Band, das alle politischen »LeitungsträgerInnen« und auch weite Teile der SPÖ verbindet. Die Beantwortung der »Sicherheitsfrage« durch Aufrüstung und Vorbereitung des Bundesheers zum Einsatz im Inneren hat mit fehlendem Vertrauen zu tun. Nicht nur »die Leut« haben das Vertrauen in die Regierenden verloren, die Regierenden haben das Vertrauen in »das Volk« verloren. Die Macht braucht Schutz. Unbeleckt von historischen Erfahrungen steht an der Spitze ein burgenländischer Sicherheitsfachmann, der der Verniesselung der SPÖ das Antlitz verleiht. Robust verschlagene Engstirnigkeit als Kernkompetenz für ein Szenario, bei dem Tag für Tag eine neue sicherheitspolitische Sau durchs Dorf getrieben wird. Angst machen bis zum Abwinken. Angst fressen Seele auf. Und den Verstand.
Abseits der großen Ablenkung ereignen sich wirklich verstörende Monstrositäten. Ein 23jähriger Mann aus Trofaiach, der Anfang des Jahres seine Arbeit als Polizist in Wien-Margareten angetreten hat, erschießt mit seiner Dienstwaffe seine schwangere Frau und erwürgt seinen einjährigen Sohn. Überführt, begründet er die Tat damit, von seiner Frau geschlagen und eingesperrt worden zu sein. Den Sohn ermordet er, weil er ihm kein Leben ohne Mutter zumuten will. Ein tragischer Einzelfall? Mit Sicherheit. Mitten im 5ten, den die FPÖ zum Unsicherheits-Hotspot erklärt hat. Strache wollte auf seiner Seite dazu nicht Stellung nehmen. Eine Unmöglichkeit, hätte es sich bei dem jungen Mörder um »Muhammet A.« gehandelt. Mit Sicherheit.