14 Oktober

Das Elend des Antikommunismus

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Führend beim KPÖ-Bashing nach der Grazer Wahl: die (links)liberalen Leitmedien des Landes. Eine Presseschau von Manfred Mugrauer

Der Wahlsieg der KPÖ in der steirischen Landeshauptstadt Graz erregte weit über die Grenzen Österreichs hinaus Beachtung. Selbst der Washington Post war die Tatsache, dass eine kommunistische Partei zur stärksten Kraft in der zweitgrößten Stadt Österreichs aufgestiegen war, eine Schlagzeile wert. Während die KPÖ sonst von den Medien weitgehend totgeschwiegen wird, geht nun ein antikommunistisches Rauschen durch den heimischen Blätterwald. Analysen, die sich ernsthaft mit den Ursachen des kommunistischen Wahlerfolgs beschäftigen, blieben in der Minderzahl, stattdessen war in fast allen Zeitungen und Zeitschriften Stimmungsmache gegen die KPÖ angesagt.

Primitiver Antikommunismus

Wolfgang Fellner ließ sich in seinem Schundblatt Österreich zur »Expertise« hinreißen, dass in Graz knapp 30 Prozent die »Partei von Stalin« gewählt hätten. Im Interview mit der Krone musste sich die künftige Grazer Bürgermeisterin Elke Kahr die Frage »Hat Nordkorea schon gratuliert?« gefallen lassen. Hans Peter Hasenöhrl führte im selben Blatt vergewaltigende Rotarmisten des Jahres 1945 gegen die KPÖ des Jahres 2021 ins Treffen. Auf oe24 TV warnte Andreas Mölzer gar vor der Diktatur des Proletariats, Peter Westenthaler geißelte die »Linksextremistin« Elke Kahr. »Kommunisten sind rote Nazis. Erbarmungslos, menschenverachtend, ohne Gnade, mörderisch«, glaubte Michael Jeannée in der Krone die antikommunistische Hysterie des Kalten Krieges noch einmal turmhoch übertreffen zu müssen.

Solch primitive Formen des Antikommunismus mögen trotz ihrer massenmedialen Verbreitung noch als Kuriosum durchgehen. Für viele überraschend war hingegen, wie gereizt einige der wichtigsten ExponentInnen des (links)liberalen Journalismus auf den Wahlsieg der KPÖ reagierten. Für sie rückten nicht die Hintergründe dieses »politischen Erdbebens«, sondern die Geschichte der Partei bzw. der weltweiten kommunistischen Bewegung ins Rampenlicht. Nicht selten wurden dabei die niedrigsten Ressentiments bedient, um alte Schreckgespenster wieder aufleben zu lassen.

Einige Kommentatoren hielten sich nicht lange mit Detailfragen auf, sondern gingen gleich aufs Ganze: Für sie ist Kommunismus eine verbrecherische Ideologie, die kompromisslos bekämpft werden muss, auch wenn sie nur in einer Landeshauptstadt ihr Haupt erhebt. Schon 1945 versuchte man die ÖsterreicherInnen mit dem Lügenmärchen, dass die KommunistInnen eine Diktatur vorbereiten, von jener Partei fernzuhalten, die sich für die breitestmögliche Entfaltung der Demokratie einsetzte. Dass sich an einem solchen »Framing« bis heute wenig geändert hat, beweist Hans Rauscher in einer aktuellen Kolumne im Standard, in der er den Kommunismus ohne jede Differenzierung als »menschenfeindliche Verirrung« charakterisiert. Als würden Elke Kahr und die Politik der KPÖ Graz nicht das Gegenteil beweisen, ist kommunistisch für ihn schlechthin ein Synonym für »intolerant« und »undemokratisch«. »Man kann links und demokratisch sein, aber dann sollte man nicht mehr Kommunist sein wollen«, warnt er zuletzt alle Linksbewegten, sich ja nicht mit der KPÖ gemein machen zu wollen.

Intellektueller Bankrott

In der Tiroler Tageszeitung ließ Alois Schöpf »das Blut von über 100 Millionen Menschen« aus dem Kommunistischen Manifest von Marx und Engels sprudeln und setzte Kommunisten mit Nazis gleich. Nicht weit davon entfernt bewegte sich Falter-Chefredakteur Florian Klenk: Seine lakonische Reaktion auf den KPÖ-Wahlsieg bestand darin, über sein reichweitenstarkes Facebook-Profil (mehr als 100.000 Follower) einen Wikipedia-Link zum »Schwarzbuch des Kommunismus« zu posten, mit Hinweis darauf, dass dieses für seine Jugend prägend gewesen sei. Nun war Klenk (Jahrgang 1973) im Erscheinungsjahr des Schwarzbuchs »jugendliche« 25 Jahre alt, und sein Lektürehorizont hinsichtlich Kommunismusgeschichte dürfte seither kaum über dieses unwissenschaftliche Machwerk hinausgekommen sein. Auf KritikerInnen, die sein substanzloses KPÖ-Bashing in Frage stellten, reagierte Klenk mit demonstrativer Arroganz.

Mit Wolfgang Mueller (Professor am Institut für osteuropäische Geschichte der Universität Wien) sah sich im Standard ein professioneller Historiker bemüßigt, vor der KPÖ zu warnen, weil sich diese 1948 angeblich für eine Teilung Österreichs ausgesprochen habe. Dass die Orientierung auf die Unabhängigkeit und Einheit des Landes nicht nur in den Jahren von Exil und Widerstand, sondern auch nach 1945 geradezu im Mittelpunkt der kommunistischen Politik stand, verschwieg er. Bereits in den letzten Jahren hat sich Mueller u.a. damit blamiert, einen angeblichen »Putschplan« der KPÖ aus dem November 1948, der sich letztlich als plumpe Fälschung ehemaliger Nazis in westlichen Diensten herausstellte, für authentisch zu halten. Als eher grotesk anzusehen ist die Tatsache, dass Mueller einen »Mangel an unabhängiger Forschung« über die KPÖ ortete, wohl im Hinblick auf jene Studien aus dem Umfeld der KPÖ, die seine Interpretationen in Frage stellen und widerlegen – als würde es sich bei einem Wissenschafter, der drei Tage nach dem Wahlsonntag warnend gegen die KPÖ in den Ring steigt, um einen »unabhängigen Forscher« handeln.

Ähnliches ist über den Grazer Soziologie-Professor Christian Fleck zu berichten: Er rechnete der Grazer KPÖ – ebenso im Standard – eine Negativbilanz der gesamten kommunistischen Bewegung vor, beginnend mit dem Kronstädter Aufstand im Jahr 1921, für den Elke Kahr ebenso verantwortlich zu sein scheint wie für die Verbrechen der sowjetischen Geheimpolizei Tscheka. Als Gipfelpunkt meldete Fleck Zweifel an der »historischen Bildung« der Grazer KommunistInnen an, hätte es doch »mehr als einen Anlass« gegeben, »die kommunistische Ideologie zu verabschieden«. Es gehört schon eine große Portion Überheblichkeit dazu, einer Wahlsiegerin die Berechtigung ihrer politischen Gesinnung abzusprechen und de facto ihre Zurechnungsfähigkeit in Frage zu stellen. Zuletzt wurde im Standard noch Paul Lendvai aufgeboten, der nicht davor zurückschreckte, die kommunistischen Opfer des antifaschistischen Widerstands durch den Dreck zu ziehen.

Kritisches Geschichtsbild

Nun sind Wikipedia-Links auf das »Schwarzbuch« und das Aufwärmen von Uralt-Geschichten, um die heutige kommunistische Politik schlecht zu machen, ausgesprochen triste Erscheinungsformen des Antikommunismus. Sie sind Zeugnis dafür, wie traurig es hierzulande um den Kommunismusdiskurs bestellt ist. Natürlich ist es nicht grundsätzlich anstößig, angesichts des wiedererwachten Interesses an der KPÖ auch deren Geschichte in den Blick zu nehmen. Es fragt sich nur, warum aus diesem Anlass nicht zuallererst die führende Rolle der Partei im antifaschistischen Widerstand und der verdrängte Anteil der österreichischen KommunistInnen am demokratischen Wiederaufbau nach 1945 in Erinnerung gerufen wird. Stattdessen halten sich manche JournalistInnen für berufen, ein Österreich-Kapitel für das »Schwarzbuch des Kommunismus« nachzureichen, wobei dieses keine Verbrechensgeschichte, sondern allenfalls ein Sündenregister zum Inhalt haben kann. Verbrämt wird solch Schwarzbuchmethodik als »kritischer Journalismus«, der seine Rechtfertigung in angeblich »weißen Flecken« der KPÖ-Geschichte findet. Die KPÖ habe sich nicht hinreichend mit ihrer Geschichte auseinandergesetzt, so der gebetsmühlenartig wiederholte Vorwurf, der weniger den aktuellen Forschungsstand, sondern eher die Ignoranz vieler JournalistInnen reflektiert. Umso mehr versuchen diese, ihr Unwissen über die Parteigeschichte mit aufdeckerischer Attitüde zu übertünchen.

Nicht zu übersehen ist, dass die KPÖ nach 1990 eine Neuorientierung einleitete, in der ein kritischer Blick auf die eigene Geschichte geradezu in den Mittelpunkt rückte. Als größter Fehler der Partei wurde ihre kritiklose Haltung gegenüber der Sowjetunion und den sozialistischen Ländern erkannt. Die diesbezüglichen Analysen und Positionen der letzten 30 Jahre ließen sich ohne größeren Aufwand recherchieren und müssten von JournalistInnen nicht täglich neu eingemahnt werden. Auch in geschichtswissenschaftlichen Analysen, die in den letzten 30 Jahren im Umfeld der KPÖ veröffentlicht wurden, wird keine einzige Problemzone der Parteigeschichte ausgespart. So hat sich etwa der frühere Parteivorsitzende Franz Muhri um die Rehabilitierung der österreichischen Opfer des Stalin-Terrors verdient gemacht. Ohne Übertreibung kann heute eingeschätzt werden, dass keine Partei in Österreich über ein derart kritisches Verhältnis zu ihrer eigenen Geschichte verfügt wie die KPÖ. Dennoch wird Elke Kahr in jedem Interview immer wieder neu auf den Prüfstand gestellt, wie sie es denn mit Stalin, der Hungersnot in der Ukraine in den 1930er Jahren und dem sowjetischen Gulag halte.

WählerInnenbeschimpfung

Das Elend des Antikommunismus kommt nicht zuletzt in der vielerorts laut gewordenen WählerInnenbeschimpfung und damit verbundener Realitätsverweigerung zum Ausdruck. All das, was JournalistInnen der KPÖ an Unzulänglichkeiten anlasten, wurde in den letzten 25 Jahren in Graz widerlegt. All das, was aus ihrer Sicht nicht sein darf bzw. nie eintreten darf, ist in Graz längst Realität: Nahezu 30 Prozent der WählerInnen haben dort unter Beweis gestellt, dass der Begriff »kommunistisch« im Parteinamen der KPÖ seinen Schrecken verloren hat. Selbst StammwählerInnen der ÖVP aus dem bürgerlichen Lager wählten nicht aus Versehen, Unwissenheit oder Dummheit die KPÖ, sondern entschieden sich bewusst für ein linkes oppositionelles Angebot, als Kontrapunkt zur herrschenden Politik. Nichtsdestoweniger bezeichnete Christian Ortner in der Presse die KPÖ-WählerInnen pauschal als »nicht im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte«.

Während JournalistInnen nach Erklärungsfaktoren suchen könnten, wie eine Partei mit dem ominösen »K« im Namen zur stärksten politischen Kraft einer Landeshauptstadt avancieren kann, fällt ihnen zumeist nichts Besseres ein, als Elke Kahr zu empfehlen, ihre Partei umzubenennen, ja dies geradezu einzufordern. Auch Barbara Tóth hielt es im Falter für angemessen, die Partei »mit ihren historischen Lasten« zu konfrontieren und empfahl der »irreparabel beschädigten Marke KPÖ« einen neuen Parteinamen. Insgesamt scheinen JournalistInnen davon auszugehen, dass ihnen KommunistInnen eine permanente Rechtfertigung schuldig sind, warum sie – ungeachtet der bisherigen geschichtlichen Erfahrungen – weiter am Antikapitalismus und an der Notwendigkeit einer sozialistischen Alternative festhalten.

Liest man die hunderten Kommentare in den sozialen Medien unter den zitierten Beiträgen, so wird jedoch deutlich, dass das Wiederkäuen von Ressentiments und Rezeptionsklischees bei der Mehrzahl der Standard- und Falter-LeserInnen auf keinen allzu großen Anklang stößt. Laut einer aktuellen Umfrage können sich sogar 42 Prozent der ÖsterreicherInnen vorstellen, die KPÖ grundsätzlich zu wählen. Für sie ist eine Änderung der gesellschaftlichen Verhältnisse im Sinne des sozialen Fortschritts wieder aktuell, und die KPÖ – im Gegensatz zu anderen politischen Kräften – ein glaubwürdiges Angebot. Klenk und Co. werden sich wohl damit abfinden müssen, dass die KPÖ auf dem besten Weg ist, Österreich-weit wieder zu einem anerkannten Faktor im Parteiensystem zu werden.

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