Der Neurologe Oliver Sacks wurde eines Tages zu einem Patienten gerufen, der auf der Station aus dem Bett gefallen war und sich weigerte, sich wieder hinzulegen. Als Dr. Sacks ins Zimmer kam, sah er den Patienten am Boden hocken und mit einem wütenden und verwirrten Gesichtsausdruck seine Beine anstarren. Er verweigerte weiterhin, sich wieder ins Bett zu legen, und so hockte sich Dr. Sacks zu ihm. Der Patient erzählte, dass er nach einem kurzen Schlaf erwacht sei und links neben sich im Bett ein abgetrenntes menschliches Bein gefunden hatte. Es habe ihn ungeheuerlich geekelt, dennoch habe er begonnen, das Bein zu betasten, es schien vollkommen geformt zu sein, habe sich aber kalt angefühlt. Dann plötzlich sei ihm die Idee gekommen, dass es sich um einen Silvesterscherz der Schwestern und Ärzte der Station handeln könnte. Diese Erklärung erleichterte ihn ein wenig, wenn er den Scherz auch als makaber und unangebracht verurteilte und deshalb das tote Bein aus dem Bett warf. Der Patient wurde aschfahl, als er das berichtete und begann zu zittern, er sei, als er das Bein rausgeworfen hatte, irgendwie hinterher gefallen, und nun sei das falsche Bein links an ihm festgewachsen! Er war entsetzt und begann auf das Bein einzuschlagen. »Haben Sie jemals schon so etwas Widerwärtigeres gesehen?«, fragte er den Arzt. Dr. Sacks versuchte den Patienten zu beruhigen. Der Patient konnte sein eigenes linkes Bein nicht als solches wahrnehmen und beschrieb es als fremd, nicht richtig und nicht wirklich. Dr. Sacks fragte, wem denn dieses linke Bein dann gehören könnte, wenn es nicht seines war, worauf der Patient wieder blass wurde und beteuerte, dass er es nicht wisse, »es ist verschwunden, es hat sich in Luft aufgelöst und ich kann es nirgends finden«.
Der französische Arzt Patrick Verstichel betreute einen Patienten, Nicolas, der mehrfach davon überzeugt war, ein Fremder liege links neben ihm in seinem Bett. Nach einem Schlaganfall war seine rechte Gehirnhälfte stark geschädigt. Nicolas berichtete, er sei einmal aus dem Bett gefallen, als er versuchte, diese fremde Person, die sich neben ihn in sein Bett geschlichen hatte, hinauszuwerfen, auch er war hinterhergefallen. Bei der Demonstration für die Ärzte, die wissen wollten, wie er das gemacht hatte, schleuderte er den rechten Arm über die Körpermitte, packe den gelähmten linken Arm und zog so kräftig, dass er erneut fast aus dem Bett fiel. »Da, schauen Sie!« rief er, »die Person, die sich ständig an meine linke Seite legt, ist schon wieder da, das gibt’s doch nicht!« Nicolas konnte seinen linken Arm nur manchmal als zugehörig erkennen, wenn er am Finger den Ehering wiedererkannte.
Die Leugnung einer offenbaren Beeinträchtigung nennt man Anosognosie.