Als am 11. Jänner diesen Jahres LINKS gegründet wurde, war es ein Versprechen; im August wurde der Wahlantritt in ganz Wien auch amtlich. Mehr als 5.000 Unterstützungserklärungen wurden von der jungen Partei gesammelt, die gemeinsam mit der KPÖ in allen Bezirken und auf Gemeindeebene zur Wahl steht, um der Rede vom »kleineren Übel« und der »verlorenen Stimme« eine starke Allianz entgegenzustellen. Bei einer ersten Pressekonferenz präsentierten die drei SpitzenkandidatInnen zentrale Punkte aus dem Programm.
HEIDE HAMMER und HOLGER VAN DORDRECHT
Anna Svec, Angelika Adensamer und Can Gülcü nehmen die ersten drei Plätze auf der Gemeinderatsliste ein, die in einem aufwendigen Hearing- und Wahlverfahren erstellt wurde. Die Drei waren bereits in der Gründungsphase aktiv und sind auch in der Koordinierung der Partei tätig. Zu tun gibt es jedenfalls genug – in den letzten Monaten wurden eine Struktur aus Bezirks- und Interessensgruppen aufgebaut, ein Entscheidungsgremium, der Bezirkeausschuss, etabliert und unter der Beteiligung vieler AktivistInnen ein Parteiprogramm geschrieben. In den zentralen politischen Positionen sind sich KPÖ- und LINKS-Mitglieder einig, nur hat sich das Erscheinungsbild mit diesem Zusammenschluss deutlich verjüngt. Popkulturelle Elemente und eine starke Präsenz im Social Media Bereich sowie die entschlossene Durchsetzung von Quoten und Listenplätzen für FLINT* Personen und Menschen mit Migrationserfahrung zeichnen LINKS zusammen mit historisch gewachsenem KPÖ-Selbstverständnis aus. So manchen GenossInnen mag die Einsicht in die Notwendigkeit solcher Schritte fehlen, viele WählerInnen sollte diese konsequente Haltung diesmal doch dazu befähigen, ihre Stimme anhand von politischen Inhalten und ihren RepräsentantInnen und nicht von vermeintlichem Kalkül zu vergeben.
Can Gülcü betonte auch bei der Pressekonferenz, dass er aus der Erfahrung des politischen Aktivisten und Kulturarbeiters ebenso spricht wie aus der marginalisierten Position der Migration, der Prekarität und des Engagements für eine leistbare und auch zukunftsfähige Stadt für alle. Wie das gute Leben für alle als Synonym für das Kommunistische konkretisiert wird und was dieses »für alle« tatsächlich bedeutet, ist auch immer wieder Gegenstand zäher Auseinandersetzungen. Die Heterogenität der Partei spiegelt sich auch in einer der zentralen Fragen, jener nach dem Bedingungslosen Grundeinkommen oder einem Festhalten am Arbeitsfetisch, der einer Überwindung der herrschenden Verhältnisse im Wege steht. LINKS formuliert nunmehr eine Position, die auf eine bedingungslose Existenzsicherung in der Höhe von 1.500 Euro für alle WienerInnen fokussiert. Diese soll allen Menschen – egal ob arbeitslos, teilzeitbeschäftigt oder im Haushalt arbeitend – ein würdevolles und selbstbestimmtes Leben ermöglichen. Zentrales Thema ist die soziale Gerechtigkeit und die radikale Verteilung des Wohlstands »Wir wollen Armut nicht bekämpfen, sondern abschaffen«, so Can. Derzeit sind über 20 Prozent der WienerInnen armutsgefährdet und über 15 Prozent erwerbsarbeitslos. Daher spricht sich LINKS auch für eine deutliche Arbeitszeitverkürzung auf 30 Stunden pro Woche und einen Mindestlohn von monatlich 1.950 Euro netto aus. Diese Forderung könnte für die 87.000 Beschäftigten der Stadt sofort umgesetzt werden. Zudem vergibt die Stadt viele Aufträge an externe Firmen, in der Bekämpfung prekärer Beschäftigungsverhältnisse könnte Wien eine richtungsweisende politische Entscheidung fällen und ausschließlich an jene Firmen vergeben, deren MitarbeiterInnen in sozialrechtlich gesicherten Vertragsverhältnissen arbeiten und das Konzept der Leiharbeit ablehnen.
Angelika Adensamer ist Juristin und konzentriert sich beruflich wie aktivistisch bereits seit Jahren auf die Themenbereiche, Demokratie, Mitbestimmung und staatliche Gewalt. Im von ihr herausgegebenen Handbuch Überwachung wird der rechtliche und gesellschaftliche Rahmen polizeilicher Überwachung im Bereich von Strafprozessen und Verfassungsschutz detailliert dargestellt, rassistischer Kontrollen und Übergriffe auf marginalisierte Gruppen beleuchtet. Die Wahlallianz setzt sich in diesem Jahr gemeinsam mit SOS Mitmensch und einem großen Wahlwexel im Rahmen der Wienwoche für das aktive und passive Wahlrecht aller Menschen mit Lebensmittelpunkt in Wien ein. Angelika verweist auf den demokratiepolitischen Skandal, dass auch am 11. Oktober mehr als 30 Prozent der WienerInnen im wahlberechtigen Alter nicht wählen dürfen, die Vergabe der StaatsbürgerInnenschaft schon durch Verwaltungsstrafen verweigert wird und die individuellen Kosten der Einbürgerung unverhältnismäßig hoch sind.
Anna Svec ist Rechtsberaterin und positioniert sich wohl auch aufgrund ihres überaus sympathischen und offenen Zugangs zu Menschen am ersten Listen platz von LINKS. Sie präsentierte das fundierte wie innovative Kapitel Wohnen, das Leerstandsvergabe ebenso wie MieterInnenrechte forciert. LINKS fordert strenge Mietzinsobergrenzen, die Abschaffung der Befristungen von Mietverträgen und des Lagezuschlags. Zudem spricht sich LINKS gegen Zugangsbeschränkungen zum sozialen Wohnbau aus, eine deutliche Ablehnung von SPÖ-Bürgermeister Michael Ludwigs »Vienna First«-Politik. Das erfordert eine starke Konzentration der Widmungen und Bauvorhaben auf gemeinnützigen Wohnraum. Um eine gute Anbindung für alle WienerInnen an den öffentlichen Verkehr zu gewährleisten und eine klimagerechte Stadt zu errichten, steht LINKS für gratis Öffis, den Rückbau von Straßen und asphaltierten Plätzen und die gezielte Förderung des Fahrradverkehrs. Eine Klimaabgabe aller in Wien ansässigen Unternehmen nach Vorbild der U-Bahn-Steuer soll den Ausstieg aus Öl- und Gas mitfinanzieren, um so das Ziel der Netto-Null-Treibhausgasemissionen bis 2030 zu erreichen.
Ganz generell stehen die KandidatInnen auf der Gemeinderats- wie den Bezirkswahllisten für eine Stadt der Vielen, die Konsequenz daraus ist eine City Card für Wien. Dieses Ausweis- und Zugangsdokument ermöglicht allen WienerInnen unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus die Beteiligung an demokratischen Prozessen und die selbstverständliche Nutzung der städtischen Infrastruktur und ihrer Dienstleistungen. Sie schafft gleichberechtigten Zugang zum Gesundheitssystem sowie zu Betreuungs- und Pflegeeinrichtungen. Daher fordert auch die Ärztin Katharina Bruhn, Spitzenkandidatin in Hietzing und in der Koordinierung von LINKS, 500 neue Kassenstellen in Wien, um die bestmögliche medizinische Versorgung in jedem Grätzl sicherzustellen. Zudem besteht sie auf ein Gesundheitswesen, das alle Menschen so gut behandelt wie Cis-Männer, denn im Moment werden anderen Geschlechtern Zugehörige weltweit schlechter behandelt und in der Forschung oft ignoriert. Wien ist da keine Ausnahme, aber mit LINKS kann es eine werden, so die Ärztin. Mit der Vergabe von Wissenschaftsförderungen, Primariatsposten und anderen Positionen im Feld sollen hier erste Schritte gesetzt werden. Die Psychotherapeutin Helga Wolfgruber kandidiert auf Platz sechs für den Gemeinderat, zugegeben, das könnte diesmal knapp werden, doch sie steht – nicht zuletzt aufgrund ihrer langjährigen Arbeitserfahrung – für das »Recht auf Faulheit! Weil Müßiggang nicht aller Laster Anfang ist«, vielmehr gemeinsames Denken und politisches Engagement erst ermöglicht. Auch für sie wäre eine gesellschaftlich sinnvolle Arbeitsteilung und die Einführung eines Bedingungslosen Grundeinkommens ein Weg aus künstlich geschaffenen Bullshit-Jobs. Ihre feministischen Überzeugungen schärfte sie sowohl als Personalvertreterin und Gewerkschafterin wie als KPÖ-Mitglied und stetige Befürworterin der Zusammenarbeit mit LINKS.
Auch Didi Zach, Landessprecher der KPÖ Wien, könnte nicht nur sein Bezirksratsmandat im 15. Bezirk verteidigen und mit Katerina Anastasiou, der Spitzenkandidatin der KPÖ bei der Europawahl 2019, Clubstärke erlangen. Auf Platz fünf der Gemeinderatsliste wäre er bei einem Einzug der Wahlallianz fix dabei, denn durch die 5-Prozent-Hürde wären bei einem großen Wahlerfolg fünf Gemeinderatsplätze errungen. Himali Pathirana kandidiert auf Platz vier, sie verweist in ihrem politischen Engagement explizit auf den Kampf gegen Rechtsextremismus und Rassismus. Auf die Frage nach prägenden politischen Ereignissen nennt sie 9/11, das Ende des Bürgerkriegs in Sri Lanka, den Syrienkrieg und die Wahl von Obama sowie Trump. Bei der Bundespräsidentschaftswahl und dem Duell Hofer vs. Van der Bellen war sie ebenso selbstverständlich auf der Straße aktiv wie bei den Donnerstagsdemonstrationen gegen die ÖVP-FPÖ-Koalition. Dass der Ibiza Skandal nicht nur zum Ende dieser rechtsextremen Regierung, sondern auch zur fulminanten Show der Vengaboys am Ballhausplatz geführt hat, ist ihr lautstarke Genugtuung, denn der Spaß am Widerstand ist für sie der treueste Begleiter konsequenter Politik von LINKS.