Die Graphic Novel DER RISS bietet einzigartige Einblicke auf Europas hoch militarisierte Grenzen. Von der spanischen Enklave Melilla am afrikanischen Kontinent bis hin zum finnisch-russischen Grenzübergang Salla nördlich des Polarkreises dokumentieren der Fotograf Carlos Spottorno und der Reporter Guillermo Abril mit großer Sorgfalt den Saum der Festung Europa. Eine Leseempfehlung von Klemens Herzog.
Der Riss zeichnet sich durch einen ungewöhnlichen Erzählstil aus. Es ist eine Fotoreportage in Form eines Comics. Am Beginn der bildgewaltigen Erzählung stellt sich die Frage, ob sich das tödlichste Grenzregime der Welt tatsächlich in Form eines Comics erzählen lässt. Eine Erzählform, die man doch eher mit Humor, Witz oder anspruchsloser Superheldenaction in Verbindung bringt. »Der Riss« zeigt jedoch eindrucksvoll, dass diese Zweifel unbegründet sind. Denn das eindrucksvolle Extrakt aus über 25 000 Fotos und fünfzehn Notizbüchern, die die beiden Autoren von 2012 bis 2016 bei ihren Recherchereisen für das spanische Magazin El País Semanal angefertigt haben, überzeugt durch einen scharfen Blick für das Wesentliche.
Risse durch Europa
Auf ihrem Weg begegnen Spottorno und Abril Menschen in ihren Verstecken auf dem Berg Gourougou im Schatten des spanisch-marokkanischen Grenzzaunes. Sie sind Zeugen einer Rettungsaktion vor der Küste Libyens und des Exodus der Geflüchteten am Balkan im Spätsommer 2015. Die präzisen Einblicke in die Verwaltung des Grenzregimes offenbaren keine offen zur Schau gestellte Brutalität; Vielmehr sind es die Darstellungen der Banalität, mit der die oft tödlichen Grenzen verwaltet werden, die einen zu erschrecken vermag. Text und Fotografie finden dabei gleichberechtigt den Weg in die Dokumentation und erschaffen in ihrer Symbiose eine beklemmende Atmosphäre, die weder Text noch Bild alleine erschaffen könnten.
Spottorno und Abril erzählen eine Geschichte von größeren und kleineren Rissen, die sich durch und um Europa ziehen: Sie zeigen das Abflauen der Solidarität zwischen den europäischen Ländern, den wachsenden Nationalismus, sowie die gesellschaftliche Verrohung gegenüber Menschen auf der Flucht. Es sind Risse, die seit dem Erscheinen des Buches im Oktober letzten Jahres noch größer geworden sind.
Der Riss. avant-verlag. 184 Seiten. 32 Euro.
Die Volksstimme verlost ein Exemplar von »Der Riss«. Schreiben Sie uns eine E-Mail mit Betreff »Der Riss« an Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!. Der Gewinner oder die Gewinnerin wird bis 20.10.2018 verständigt.