Gürtel Squad. Foto: Peter Heinz Trykar Rainer Hackauf Gürtel Squad. Foto: Peter Heinz Trykar Peter Heinz Trykar
30 August

Gürtel Squad: Einmal Hip-Hop, immer Hip-Hop

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Seit Anfang des Jahres gibt es mit »Gürtel Squad« eine neue Hip-Hop Schiene im Wiener Lokal Rhiz. Die hinter »Gürtel Squad« stehenden ESRAP und Kid Pex übernehmen am 1. September auch die Sigi-Maron-Bühne am Volksstimmefest. Was euch dort erwartet? Fetter Hip-Hop aus dem Linzer und Wiener Untergrund. Grund genug für die Volksstimme Kid Pex ein paar Fragen zum Verhältnis von Hip-Hop und Politik zu stellen.

Volksstimme: Regelmäßige Hip-Hop Reihen gibt es mittlerweile einige in Wien. Was unterscheidet Gürtel Squad vom Rest?

Kid Pex: Ob Rap im Beisl, die Chilla Jam oder die Dreistil-Battles: Wir feiern jedes dieser Events und freuen uns, wenn sich in Wien was punkto Hip-Hop tut. Hip-Hop ist unser aller Herzensanliegen und wir wissen, wie viel Idealismus, Liebe und Zeit hinter solchen Events steckt. Was uns einzigartig macht ist jedoch, dass wir versuchen, interkulturelle Begegnungszonen innerhalb der Hip-Hop-Szene zu schaffen. Und das mitten am Gürtel, dem Underground-Hot-Spot schlechthin. So passiert es auch manchmal, dass harter Straßen-Rap auf feministischen Rap trifft. Dabei entstehen spannende, neue Brücken, die wir auch ausbauen wollen.

Euch ist die Förderung einer lokalen Musikszene ein großes Anliegen?

Kid Pex: Wenn man sich unsere Events der letzten Monate ansieht, wird klar, dass wir unter anderem neue Demo-Acts fördern wollen mit den Open-Mic-Sessions, aber auch z.B. die Position von Female MC’s im österreichischen Hip Hop stärken wollen. Als ich 2005 in Wien zu rappen begann, gab es noch nicht viele Frauen, die Rap machten. Und die, die es gemacht haben, wurden teilweise von der maskulin dominierten Szene damals ungerechterweise belächelt. Auch damals schon habe ich die damals ganz junge Yasmo, Mag-D und die Multitaskingsistas auf Bühnen geholt, um ein bewusstes Signal zu setzen. Jetzt freue ich mich, dass wir z.B. der jungen Alice D zu einem Auftritt am Popfest verholfen haben, ebenso wie wir jetzt Samira Dezaki auf das Volksstimmefest bringen. Frauen bringen frischen Wind in den Hip-Hop und - das ist gut so.

Was ist das »Österreichische« an eurem Hip-Hop? Gibt es »österreichischen« Hip-Hop überhaupt?

Kid Pex: Mit »österreichisch« meinen wir einfach nur den Hip-Hop, der hier zu Lande entsteht. Wir haben einfach für uns definiert: Dieses Event soll für die heimische Szene sein, es gibt genug Veranstalter, die Ami-Acts oder andere populäre Rapper aus dem Ausland nach Wien holen. Aber wir wollen eben jungen Leuten aus Wien, Linz, Graz, usw. die Möglichkeit bieten, in der Bundeshauptstadt einen coolen, eigenen Auftritt zu haben. Wir wollen ein Motor und ein Motivator sein.

Gürtel Squad ist purer Untergrund und schüttelt keine Hände mit Konzernmanagern.

Denn österreichischer Hip-Hop ist der Hip-Hop, der leider noch immer am Rand steht, wenn es um Musikindustrie, Förderungen, Medienpräsenz und auch gerechte Gagen geht. Gerechte Gagen zu zahlen ist uns zum Beispiel ein Anliegen bei Gürtel Squad. Wobei wir selbst verdienen bisher gar nichts an den Events. Aber das ist uns egal, weil wir diesen Event für die Szene machen. Ich persönlich will jungen, musikbegeisterten, talentierten Leuten das geben, was wir selber nicht hatten als wir angefangen haben. So zeigen wir ihnen mit der Bezahlung von Gagen, dass sie sich nicht von der schmutzigen Industrie ficken lassen sollen. Wir sind Hip-Hop, wir sollten alle an einem Strang ziehen und das auch laut und stark zeigen. Sonst schlucken sie uns irgendwann oder versuchen uns manipulativ zu nutzen, wie das Red Bull versucht mit seinen Festivals. Oder letztens IKEA mit dem unrühmlichen und eh zu Recht völlig kompromittierten »Ikea-Grätzl-Festival«. Gürtel Squad ist purer Untergrund und schüttelt keine Hände mit Konzernmanagern.

Ihr selber macht Musik mit politischem Anspruch, also mit einer Message. Was kann das Medium HipHop, was andere Medien nicht können?

Kid Pex: Hip-Hop gibt es mittlerweile so lange als Kultur. Was den Sound angeht, haben sich bis dato so viele Formen entwickelt, von dem Oldschool-Sound bis zu Trap und Autotune-Rap. Eines konnte Hip-Hop aber immer gut, und das ist für mich persönlich noch immer das Wichtigste: Randgruppen ohne Öffentlichkeit eine Stimme geben, unterschiedlichste Geschichten erzählen und verschiedenste Lebenswelten auf eine authentische Weise für den Zuhörer spürbar machen. Genau das spürst du auch bei Gürtel Squad: Da kommen Mädels aus der Großfeldsiedlung vom sozialen Brennpunkt der Stadt und rappen wütend ihre Alltagsrealität ins Mic. Straßenrapper aus Ottakring lassen ihren Frust raus, Studenten aus der Währing spitten über ihre zerbrochenen Beziehungen und die abgefuckten Nebenjobs, die sie machen müssen. Und ganz junge Acts springen bei den Open-Mic-Sessions zum ersten Mal auf die Bühne. Hip-Hop bietet jedem, seine Welt weiterzugeben und mit anderen zu teilen, die dieses Hip-Hop-Feeling in sich tragen. Hip Hop ist definitiv auch Rebellion gegenüber dem System und ist aus dieser Wurzel entstanden, eigentlich ähnlich wie Punk.

Rap ist eine perfekte Art, um seinen Frust über die heutige unmenschliche Politik in Österreich zumindest in drei Minuten loszuwerden.

Mich persönlich reizt wegen meiner Biografie immer mehr der Rap von Diskriminierten, Minderheiten, Straßengestalten, Ausländern. Aber die Musik hat mir viele Fenster und Türen in andere Welten geöffnet. Wenn ich sehe, was Hip-Hop mit uns am Anfang gemacht hat, und wie viel Leben und Hoffnung uns das in Krisenzeiten geschenkt hat. Wo wir als junge, in gewisser Art und Weise heimatlose, Ausländer, zerrissen zwischen »unten« und »oben«, auf einer Suche waren nach etwas, was uns Halt gibt. Klar, es geht natürlich im Rap auch um Ego, das kann man nicht abstreiten. Aber ohne gemeinsame Liebe, gemeinsames Credo wäre alles nicht so viel wert. Hip-Hop ist Community.

Wie du ja schon gesagt hast, auch im US-Entstehungskontext der 1970er Jahre war Hip-Hop immer schon sehr politisch. Die Thematisierung von Rassismus und Armut zentral. Wo seht ihr Gemeinsamkeiten, wo Unterschiede?

Kid Pex: Hip-Hop ist eine glokale Kultur, die zugleich globales und lokales vermischt. Österreich hat – verglichen mit amerikanischen Großstädten – sicherlich manche soziale Brennpunkte in den Städten aber definitiv keine Ghettos im amerikanischen Sinne. Deswegen würde ich das nicht eins zu eins vergleichen. Aber Österreich ist für mich sowieso eine Art unsichtbares Ghetto: Unsichtbar insofern, dass man mit schön-gestrichenen, neuen, renovierten Fassaden versucht den hier zu Lande blühenden Rassismus und die Diskriminierung von gewissen Gruppen zu verstecken und zu vertuschen. Damit meine ich nicht nur zum Beispiel syrische Flüchtlinge, sondern Leute, die auch aus ärmlichen Verhältnissen kommen. Und denen das System keine Eintrittskarte zu einer Verbesserung ihrer Perspektiven bietet, sondern sie lieber geschlossen im unsichtbaren Ghetto hält. Insofern, ja, Rap ist eine perfekte Art, um seinen Frust über die heutige unmenschliche Politik in Österreich zumindest in drei Minuten loszuwerden.

Die Zukunft von Hip-Hop? Wo seht ihr euch und die Szene in 20 Jahren, also 2040?

Kid Pex: Es wäre unseriös eine Prognose punkto Sound zu stellen, weil Hip-Hop sich mittlerweile so schnell wandelt, so viele verschiedene musikalische Phasen durchgemacht hat. Hip-Hop wurde ja auch mit vielen Genres gemischt. Manches war super, manches war whack – wie bei jeder Fusion. Ich glaube aber, dass Hip-Hop als Kultur immer wieder zu seinen Wurzeln zurückschauen wird und in seiner Essenz rebellisch bleiben wird. Denn genau das lieben die Leute an Hip-Hop. Für die österreichische Szene hoffe ich, dass sie 2040 viel, viel weiter ist als heute und dass es mehr gemeinsame Nenner gibt, aus denen jeder profitieren kann. Man sollte auch aus den Fehlern von Kurzsichtigkeit, Ego-Filmen und den Paktieren mit den Teufeln – wie Red Bull oder IKEA – lernen. Ich bin auch 2040, also mit 50 plus, sicher noch ab und zu oder auch oft auf Hip-Hop Jams. Ob ich dann noch selber aktiv sein werde, ist schwer zu sagen. Aber Hip-Hop bleibt, so oder so, ein Leben lang. Einmal Hip-Hop, immer Hip-Hop.

Das Interview hat Rainer Hackauf für die Volksstimme geführt.

Das Interview ist in der Volksstimme No. 8 September 2018 erschienen.

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