Ein denkwürdiges, rundes Jubiläum nähert sich mit großen Schritten und wird nächstes Jahr gefeiert. Im Zentrum steht dabei ein verschwörerischer Zirkel von grimmigen Revolutionären, die ausgezogen waren, um ihre Utopie zu realisieren – koste es, was es wolle. Die Strategie für die Umsetzung: Propaganda und Gehirnwäsche, Vereinnahmung der Institutionen, Transformation des Staates. Nach der Revolution und an den Hebeln der Macht angekommen, würden Sie am Ende dafür sorgen, dass alle Menschen ihr Leben endlich in Freiheit bestimmen könnten, denn in ihren Augen war die Alternative zur Realisierung ihrer Utopie die Barbarei, die Unterdrückung, die Knechtschaft.
Die Rede ist vom April 1947. Vor genau 69 Jahren wurde nämlich das strategische Fundament für die Hegemonie des Neoliberalismus gelegt. Friedrich August von Hayek, Ludwig von Mises, Milton Friedman, Karl Popper und noch einige andere Herren trafen sich am Genfersee, genauer gesagt am Mont Pèlerin, um die Mont Pelerin Society (MPS) zu gründen. Zehn Tage hat das damals gedauert. Frauen waren selbstverständlich nicht anwesend. Das Ziel des Projekts war nichts anderes als den ziemlich diskreditierten Wirschaftsliberalismus in neuer Form wiederzubeleben und auf lange Sicht als dominante Ideologie in den Köpfen der Wirtschaftstreibenden, der PolitikerInnen, der JournalistInnen und damit auch der Bevölkerung zu installieren. Dieser »Neo-Liberalismus« sollte dabei ganz anders funktionieren als bisher, denn dem Staat kam darin eine wichtige Rolle zu. Anstatt sich ganz aus der Wirtschaft herauszuhalten – eine ohnehin unmögliche Forderung des klassischen Liberalismus – sollte er als technokratisches Kontrollorgan mit unterstützendem Gewaltmonopol, ob demokratisch gewählt oder wie am 11. September 1973 in Chile blutig an die Macht geputscht, aktiv für die Dominanz der Märkte und die Stabilität der Währungen sorgen. Märkte waren dabei nicht nur zu legitimieren und zu stützen, sondern sogar dort aus dem Nichts zu erschaffen, wo sie eigentlich nichts zu suchen haben. Die Freiheit der Menschen würde sich dann sogleich von selbst einstellen. Alle waren sich aber darüber im klaren, dass sich so ein Projekt nicht von heute auf morgen umsetzen lassen würde. Die Strategie war auf Jahrzehnte ausgelegt.
Der Weg zur Utopie der MPS war, wie vorhergesehen, lang und er war steinig. Hunderte Thinktanks, jahrzehntelanges Vernetzen und Lobbying, harte Arbeit und die Wirtschaftskrise der 70er-Jahre waren nötig, um den Neoliberalismus gegen die Ideen der in der Nachkriegszeit erfolgreichen sozialen Marktwirtschaft, des Keynesianismus, und natürlich auch des Sozialismus zu behaupten. Mit dem Zerfall der UdSSR und der totalen Globalisierung als Turbo schalteten die ideologischen Nachfahren des MPS-Gründerzirkel im Rennen um die Vorherrschaft aber schließlich in den höchsten Gang. 69 Jahre später muss man den Altherren rund um Hayek wirklich gratulieren, denn ihr Ziel haben sie eindeutig erreicht. Utopie ist das Ganze für die meisten Menschen leider keine geworden. Operation geglückt, Patient gestorben.
Soweit zur vorgezogenen Jubiläumsfeier. Damit bleibt nächstes Jahr mehr Platz in der »Volksstimme«, um das Jubiläum einer anderen aber schlussendlich katastrophal gescheiterten Revolution kritisch zu behandeln.