Andreas Pittler Andreas Pittler
30 Dezember

Andreas Pittler: Was nun? Empfehlung

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In der November-Volksstimme haben wir der KPÖ-Website auszugsweise die »Thesen zum Kampf gegen Rechts« des KPÖ-Bundessprechers Günther Hopfgartner entnommen und angemerkt, dass wir diese als Einleitung zu einer Diskussion in der Volksstimme verstehen.

Wir beginnen mit einem Beitrag des österreichischen Autors Andreas Pittler. Erhat als Parteiloser auf der Bundesliste der KPÖ kandidiert.

I.

Wer sich an der Wahlbewegung der KPÖ aktiv beteiligte,konnte sehen, dass sie Schwung wie schon lange nicht mehr hatte. Vor allem die GenossInnen von der Jungen Linken wirkten allerorts unermüdlich auf die Wählerschaft ein. Infostände, Flugblatt-Aktionen, die sozialen Medien, die Präsenz der KPÖ war selten so stark wie in diesem Jahr 2024. Gleichzeitig offenbarte die gegenwärtige Lage wie kaum zuvor in den letzten 40 Jahren eine deutliche Distanzierung der Bevölkerung von der neoliberalen Elite und ihrer Politik. Die Voraussetzungen für einen linken Wahlerfolg waren daher wohl selten so groß wie diesmal. Warum blieb dieser dennoch aus?

Sieht man sich die Wahlwerbung der KPÖ genauer an, dann muss man feststellen, dass diese bei weitem nicht so politisch war, wie es in einer Zeit der Zuspitzung unumgänglich notwendig ist. Konkret gesprochen: die Erfolge der KPÖ in Salzburg Stadt und Graz basieren auf drei Faktoren: der Untadeligkeit der dort tätigen GenossInnen, der umfassenden Beratung und Hilfestellung durch die KPÖ in sozialen Fragen und der Propagierung kommunaler Anliegen, welche von den bürgerlichen Parteien inklusive SPÖ sträflich vernachlässigt werden. Doch was auf Gemeindeebene überzeugend ist, das bringt bei einer Wahl, bei der es um mehr geht als Mieten und sozialen Notstand, nicht automatisch den Zuspruch jener Menschen, die sich zu Recht von diesem System mehr und mehr an den Rand gedrängt und ausgebeutet fühlen. Es ist ganz offensichtlich, dass das herrschende Regime seit vielen Jahren einen gnadenlosen Krieg gegen das Volk führt. Appelle, hie und da ein wenig sozialer zu agieren, verfangen da nicht. Den Fehdehandschuh aufgreifen und den Konflikt mit offenem Visier ausfechten, genau davor ist die KPÖ in den Wahlbewegungen dieses Herbsts zurückgeschreckt.

Die Systemfrage, sie wurde nicht gestellt. Man scheute sich ganz offenkundig davor, die Überwindung des Kapitalismus als unabdingbare Notwendigkeit für eine bessere Zukunft offen anzusprechen. Auch blieb Genosse Schweiger genau an dieser Stelle in seinen öffentlichen Stellungnahmen stets mehr als vage. Anstatt geradeheraus zu konstatieren, dass die EU mehr denn je darauf abzielt, die letzten Reste sozialer Absicherung auf dem Altar neoliberalen Profits zu opfern und daher den Slogan »Wer Europa will, muss es sich von den Reichen zurückholen« immer und immer wieder in den Vordergrund zu stellen, beschränkte er sich auf nachgerade sozialdemokratische Appelle, man möge den Werktätigen doch wenigstens ein wenig Luft zum Atmen lassen. Die zentralen Fragen, sie blieben ausgespart.

Dies vielleicht auch deshalb, weil die Junge Linke – naturgemäß, möchte man sagen – sich allzu sehr auf jene Probleme konzentrierte, die eben junge Menschen beschäftigen. Das wäre auch vollkommen in Ordnung, wenn die KPÖ genügend ältere Kader aufweisen würde, die eben auch jene Punkte ansprechen, die für Personen über 30 Jahren von Relevanz sind. Die aktuellen Probleme am Arbeitsmarkt, die Energie- und Lebenshaltungskosten, die steigende Altersarmut, ja ganz generell die Angst vor einer noch zunehmenden Verarmung breitester Massen, sie kamen sowohl bei der Nationalratswahl als auch bei der Landtagswahl in der Steiermark nicht in jenem Ausmaß vor, das aus meiner Sicht nötig gewesen wäre.

Vor allem aber ließ man in der gegenwärtig wichtigsten Frage Profil vermissen: der Ukrainekonflikt verlangt nach einer unzweideutigen Haltung der Linken. Hier darf man von Lenin & Co. anno 1914 lernen. Wir haben es mit einem imperialistischen Krieg zu tun, der jenem von 1914 bis 1918 in vielen Bereichen ähnelt. Und daher ist es für Linke unabdingbar, laut und deutlich »Krieg dem Kriege « zu sagen. »Keinen Mann und keinen Groschen « erklärte schon vor über hundert Jahren der italienische Sozialist Andrea Costa, und das gilt heute genauso wie damals. Die Aufgabe der KPÖ ist es, meine ich, endlich eine progressive Friedensbewegung zu initiieren und dieses heikle Thema nicht länger der Rechten zu überlassen. Es gibt nicht die geringste Veranlassung, die Ukraine in irgendeiner Weise zu verteidigen, ebenso wenig freilich einen Grund, Verständnis für die Haltung der russischen Führung zu zeigen. Wir brauchen eine europaweite tatkräftige Linke, die die Regimes in Ost und West an den Verhandlungstisch zwingt.

II.

Dem stehen freilich die nachgerade kindischen Fraktionierungen innerhalb der Linken entgegen. So etwa ist es der Linksfraktion im Europaparlament nicht gelungen, alle Linken in einem gemeinsamen Klub zu versammeln (Anm. der Red.: Siehe »Desolate Spaltung der Linken in Europa«, Volksstimme Nr. 11/2024, Seite 8-9). Die KP Griechenlands und jene Tschechiens dürfen ebenso wenig abseits stehen wie das BSW, wenn sie ihr Linkssein ernstnehmen. Und der Führung der Linksfraktion möge es gelingen, die Linke zu einigen, ungeachtet persönlicher Animositäten. Immerhin geht es um nicht weniger als die Zukunft der Menschheit, da hat das eigene Ego gefälligst zurückzustehen.

Auch gilt es, Lehren aus den Niederlagen der letzten zehn Jahre zu ziehen. Syriza in Griechenland, Podemos in Spanien und People before Profit in Irland wurde ein nennenswertes Ausmaß an Vertrauen durch das Volk entgegengebracht, doch allesamt sind sie gescheitert, weil sie für sich alleine kämpfen mussten, ohne dass sie von der europäischen Linken in dem Maß unterstützt worden wären, das allein einen anhaltenden Erfolg hätte sicherstellen können. Der Krieg der Elite gegen das Volk ist international, die Verteidigung des Volks durch die Linke muss es ebenfalls sein.

III. Für Österreich bedeutet das, dass auch hier eine Einigung auf breiter Basis angestrebt werden muss. Es braucht einen breiten Konsens, in dem für alle sozialistischen Zugänge Platz ist. Und es braucht den Fokus auf die primären Themenstellungen unserer Zeit. Die Wahlen auch in der Steiermark zeigen, dass sich die Menschen zunehmend ausgerechnet der FPÖ zuwenden, die, all ihren Skandalen und all ihrer reaktionären Politik zum Trotz, weit eher als »Systemgegner« und als glaubwürdiger Advokat für Frieden und Gerechtigkeit wahrgenommen wird. An dieser Stelle muss sich die KPÖ wohl selbst hinterfragen und untersuchen, warum die Massen die Antwort auf ihre Fragen rechts und nicht links suchen. Dieses verlorengegangene Vertrauen gilt es zurückzugewinnen, durch ein klar ausgewiesenes Profil. Wozu es eben auch eine Ausweitung der Kader braucht. Derzeit hat die KPÖ eine wichtige Stütze in der Jungen Linken. Sie hat auch die Erfahrung vieler alter FunktionärInnen, die mittlerweile aber nicht mehr aktiv im Arbeitsprozess stehen. Dazwischen klafft eine betrübliche Lücke. Aber eine, die leicht zu füllen wäre, wenn man seitens der KPÖ offen auf alle jene zugeht, die von der SPÖ Bablers endgültig enttäuscht sind und sehnsüchtig darauf warten, dass endlich »etwas von links« kommt. Denn das sind wahrlich nicht wenige. Die KPÖ kann und muss den Unzufriedenen eine Perspektive geben. Sie muss das vorhandene Protestpotential um sich scharen, wozu es ausgewiesener Ideologie bedarf, die auch entsprechend propagiert wird. Wozu vertiefende Schulung unumgänglich ist. Marxistisches Rüstzeug erwirbt man nicht in einem Wochenendseminar, und schon gar nicht kann man selbiges nach ein paar Stunden des gemeinschaftlichen Zusammenseins effizient anwenden. Die »Alten « in der Partei müssen neue Kader heranbilden, die wiederum neue Kader heranbilden, die abermals neue Kader heranbilden.

Die KPÖ muss also meiner Meinung nach (wieder) die Partei sein, die sich nicht in Details verliert, sondern offen eine klare antikapitalistische Orientierung vorgibt. Denn letztlich haben alle gesellschaftlichen Probleme – von der Klima- und der Energiekrise bis zu den unzähligen Kriegen auf diesem Planeten – letztlich nur eine Ursache: die kapitalistische Produktionsweise. Das kann und muss die KPÖ den Menschen wieder klar machen. Mehr denn je.

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