Von Julia Brandstätter
In Kärnten verläuft der 12. Februar 1934 – ähnlich wie im Burgenland, Salzburg und Vorarlberg – ohne größere Kampfhandlungen. Außergewöhnlich ist einerseits die Kompromissbereitschaft der sozialdemokratischen Führung, die nirgends größer ist als in Kärnten. Andererseits gehen die führenden Köpfe der Revolutionären Sozialisten aus Kärnten hervor: Joseph Buttinger und Josef Podlipnig.
Die Nachricht vom Beginn der Kämpfe erreicht die Kärntner Sozialdemokratie bei einer Versammlung der Kinderfreunde am Vormittag des 12. Februar 1934 im Gebäude der Arbeiterkammer. Bruno Pittermann, damals Kassier des Vereins, unterbricht die Sitzung mit den Worten: »In Wien fallen die Genossen!« Partei und Schutzbund sind in kürzester Zeit alarmiert, Aktionen bleiben aber aus.
Am selben Tag erscheint die letzte Ausgabe des Arbeiterwille, der sozialdemokratischen Parteizeitung für die Steiermark und Kärnten, mit einem Aufruf zum Kampf: »In Oberösterreich ist spontan der Generalstreik ausgebrochen; daraufhin haben Partei und Gewerkschaften den Generalstreik in ganz Österreich proklamiert. Daher alles heraus zum Endkampf gegen den Faschismus!« Aber die Generalstreikparole zündet nicht mehr und die Landesparteivertretung der Sozialdemokratie erklärt sie für undurchführbar. Nur vereinzelte Betriebe – etwa in Ferndorf, Ferlach und St. Veit a. d. Glan – werden von den Beschäftigten aus eigener Initiative bestreikt. Auch die Eisenbahn steht nicht still. Die Züge transportieren Soldaten und Waffen zur Unter drückung des Widerstandes von Kärnten nach Leoben und Bruck.
Kein Plan, keine Waffen
In den Reihen der Arbeiterbewegung herrscht völlige Planlosigkeit, und die Gewissheit der Niederlage sorgt für passives Verhalten und Resignation. Noch im Laufe der Nacht und am Dienstagvormittag werden die ehemaligen Funktionäre des Republikanischen Schutzbundes und die führenden Funktionäre der Sozialdemokratie verhaftet. Sie sind nicht schwer zu fassen: keiner von ihnen hält sich versteckt.
Zudem sind nicht genügend funktionsfähige Waffen vorhanden. Alois Buttinger, der von 1928 bis 1934 den Kinderfreunde-Hort »Sonnenhof« in der Nähe von Villach leitet, versucht am 12. Februar von einem Stadel aus den Widerstand zu organisieren. Die zu nächtlicher Stunde ausgegrabenen Waffenbestände des Schutzbundes erweisen sich als unbrauchbar, weil sie nach zu langer Zeit im Erdboden völlig verrostet waren. Außerdem hat das Militär bereits Wachposten an allen zentralen Orten installiert, die für Sabotageaktionen in Frage kommen.
In den meisten Fällen bleiben die Schutzbündler mangels Anweisungen ruhig. Exemplarisch ist eine Episode aus St. Peter (heute ein Stadtteil von Klagenfurt): Hier verschanzen sich Schutzbündler in einem Kellerlokal und warten vergeblich auf den Einsatzbefehl. Schließlich verlassen sie frustriert das Haus und entsorgen ihre Waffen am Heimweg: »Meine Handgranaten habe ich in die Felder geworfen, meine Armeepistole [...] habe ich in ein Klo versenkt«, erzählt einer der beteiligten Schutzbündler.
Diese »kopflose« Situation wird in den Abendstunden noch durch die Siegesmeldungen der Regierung verschärft. Die Radioberichte vom Parteiaustritt führender Kärntner Sozialdemokraten lähmen den Widerstandsgeist der Schutzbündler vollends. Tatsächlich versucht der Kärntner Landeshauptmannstellvertreter Zeinitzer gemeinsam mit dem Klagenfurter Bürgermeister Pichler-Mandorf schon seit einiger Zeit den »Weg der Verständigung« mit der austrofaschistischen Regierung zu erreichen. Am ersten Tag des Bürgerkriegs treten beide aus der Sozialdemokratischen Partei aus und erklären ihre Loyalität gegenüber der Regierung. Mit der Zustimmung Otto Bauers reist Zeinitzer nach Wien. Engelbert Dollfuß empfängt ihn noch am Abend des 12. Februar im Bundeskanzleramt und bespricht mit ihm die Gründung des »Freien Arbeiterbundes Österreichs«. Diese Organisation soll die Arbeiterschaft in sich vereinigen, ist der Vaterländischen Front (VF) angeschlossen und dem Bundeskanzler direkt unterstellt. Nachdem Vizekanzler Starhemberg offen erklärt hatte, dass man die »österreichischen Bolschewiken nicht deshalb vernichtet habe, damit sie der Kanzler wieder zum Leben erwecke«, wird die Vereinigung im Juli 1934 wieder aufgelöst.
Enttäuschung
Die Vorgehensweise der führenden Sozialdemokraten sorgt in der Arbeiterschaft für Irritation und Empörung. Joseph Buttinger, der spätere Vorsitzende der Nachfolgeorganisation der Sozialdemokratie in der Illegalität, lässt wenig später ein Flugblatt drucken »gegen die Verräter Zeinitzer und Pichler«. Er bereitet seine Ortspartei in St. Veit an der Glan bereits lange vor dem Februar 1934 auf den Untergrund vor und erkennt, dass die Februarkämpfe von vornherein verloren sind. »Ich wusste, dass ein solcher Widerstand nur sporadisch sein konnte und gegen die militärische Überlegenheit der Regierung machtlos war. Das galt besonders für Kärnten, wo der Schutzbund nur über lächerlich wenig Waffen verfügte und seine Kommandanten nicht die Voraussetzungen und die Entschlossenheit zu wirksamen bewaffneten Aktionen besaßen«, berichtet Buttinger später. Deshalb versucht er, die Schutzbundtruppe in St. Veit nur auf eine begrenzte Aufgabe vorzubereiten: »im Falle von Kämpfen in Ostösterreich sollte sie in unserem Bezirk die Straßen- und Eisenbahnbrücken sprengen, um von Kärnten ausgehende Truppentransporte zu verhindern.« Zwei Wochen vor dem Beginn der Februarkämpfe fährt Buttinger nach Wien und ersucht die Parteiführung um Dynamit für diesen Zweck. »Der Sprengstoff wurde uns versprochen, aber nicht rechtzeitig geliefert. Daher blieb mir am 12. Februar nichts anderes übrig, als mich zu verstecken, um nicht als führender Vertreter unserer nun verbotenen Partei in St. Veit verhaftet zu werden.«
Die Kommunistische Partei in Kärnten verfolgt eine aktivere Politik und fordert vereinzelt zum Widerstand auf. Etwa in St. Ruprecht (heute ebenfalls nach Klagenfurt eingemeindet), wo eine kommunistische Delegation – angeführt von einer Frau – dem Obmann der dortigen Sozialdemokratie Josef Podlipnig den Vorschlag macht, gemeinsam mit den KommunistInnen in die Offensive zu gehen. Eine Demonstration solle vor das Gebäude der Gendarmerie ziehen. Podlipnig lehnt die Aktion als falsches Mittel politischer Aktivität ab. Auch der Versuch von Kommunisten, Streiks in der Tabakfabrik Klagenfurt und anderen Betrieben zu organisieren, scheitert. Die Betriebsräte der Tabakfabrik sind fest in den Händen der Sozialdemokratie, wurden aber ohnehin bereits im Dezember 1933 von der Bundesregierung durch Personalvertretungen ersetzt.
die Straßen- und Eisenbahnbrücken sprengen, um von Kärnten ausgehende Truppentransporte zu verhindern.« Zwei Wochen vor dem Beginn der Februarkämpfe fährt Buttinger nach Wien und ersucht die Parteiführung um Dynamit für diesen Zweck. »Der Sprengstoff wurde uns versprochen, aber nicht rechtzeitig geliefert. Daher blieb mir am 12. Februar nichts anderes übrig, als mich zu verstecken, um nicht als führender Vertreter unserer nun verbotenen Partei in St. Veit verhaftet zu werden.«
Viele derer, die vom Verhalten der sozialdemokratischen Landesparteiführung enttäuscht sind, treten in den darauffolgenden Monaten der KPÖ bei. So zum Beispiel der in Dellach im Drautal aufgewachsene Josef Nischelwitzer, der sich zu den Übertritten folgendermaßen äußert: »Das löste große Aufregung aus. Die Gendarmerie wurde aktiv. In Gasthäusern […] wurde der Umstand, dass nun die Kommunisten da seien, lebhaft besprochen.« Was der Bürgerkrieg im Februar 1934 bei vielen SozialdemokratInnen jedenfalls bewegte, schildert Erwin Scharf: »Das Ereignis zwang zum Überdenken gewohnter Argumente und Überzeugungen, und es drängte förmlich dazu, bei Lenin nachzuschlagen […]. Offenbar wird es ohne Diktatur des Proletariats nicht möglich sein, den Sozialismus durchzusetzen. […] War jetzt die Zeit gekommen, um die Konsequenzen aus dem Versagen der Sozialdemokratie zu ziehen und sich der Kommunistischen Partei anzuschließen?« Aber als ihm ein Flugblatt der Revolutionären Sozialisten in die Hände fällt, entscheidet er sich – vorerst – für diese Organisation. Die Politik der Konspiration und der Umbau der Massenpartei zu einer Kaderpartei, die Buttinger und Podlipnig vorantreiben, ermöglichen den Revolutionären Sozialisten in den Folgejahren eine Stabilisierung der Organisation und ein Ende des Aderlasses in Richtung Kommunistische Partei.
Literatur:
Gerlinde Buchhäusl: Die illegale sozialdemokratische-sozialistische Arbeiterbewegung in Kärnten zwischen 1934 und 1938. Dissertation Klagenfurt 1996.
Joseph Buttinger: Am Beispiel Österreichs. Ein geschichtlicher Beitrag zur Krise der sozialistischen Bewegung. Köln 1953.
Karl Dinklage: Geschichte der Kärntner Arbeiterschaft, Bd. 2. Klagenfurt 1982.
KPÖ Kärnten (Hg.): Josef Nischelwitzer 1912–1987. Skizzen aus seinem Leben und seiner Zeit. Klagenfurt 1988.
Gerd Schindler: Der 12. Februar 1934 in Kärnten, in: Zeitgeschichte, Nr. 11/1973, S. 27–35.
Maria Sporrer (Hg.): Erwin Scharf: Zeitzeuge. Wien 1984.
Hans-Peter Weingand: Die KPÖ und der Februar 1934. Graz 2020.