von Jens Bogena
Commons ist einer dieser Begriffe, welcher – wie viele unserer im heutigen Sprachgebrauch anzutreffenden Worte – direkt aus dem Englischen über - nommen wurde. Wer nach einer treffenden Übersetzung im hiesigen Wortschatz sucht, gelangt schnell an die Grenzen des wohlklingend und dezidiert Ausdrückbaren. Dass liegt auch daran, dass sich Commons einer eindeutigen Definition entziehen und alle Versuche der Übersetzung lediglich einen Teilbereich des eigentlich Gemeinten erfassen, da die deutsche Sprache dazu neigt, trennscharfe Begriffe zu bevorzugen. Das sei zum Anlass genommen, sich über diesen, im eigentlichen Sinn der Commons gemeinschaftlich geteilten, Begriff Gedanken zu machen. Denn genau das sind Commons: Eine Idee, wie wir anders denken.
Es lässt sich beispielsweise leicht behaupten, biologisch und nachhaltig angebaute Lebensmittel seien teurer, weil die Produktion aufwendiger und strenger reglementiert ist. Außer Acht gelassen wird bei einer solchen Argumentation jedoch, wie kommerzialisierte Landwirtschaft zu dem werden konnte, was sie heute ist: Riesige Monokulturen, Bodenerosion und prekarisierte Saisonarbeiter* innen können als Spätfolgen der Landprivatisierung gesehen werden, gegen welche sich bereits im England des 15. Jahrhunderts soziale Bewegungen formierten. Die Privatisierung eines landwirtschaftlich nutzbaren Stück Grunds schafft Möglichkeiten für dessen Eigentümer*in, aber produziert Abhängigkeitsbeziehungen zu Nichteigentümer*innen. Außerdem entsteht sofort Konkurrenz unter Eigentümer*innen. Konkurrenz auf Märkten in Verbindung mit Geld führt zu Mehrwertproduktion. Dass dies so ist, ist von Menschen entschieden worden.
So gerne vom freien Markt und über seine Vorteile gesprochen wird, so oft wird auch außen vor gelassen, dass er eben nicht ohne Regeln auskommt (genau das Gegenteil ist der Fall). Und das tun Commons auch nicht. Sie sind weder kommunistische Utopie uneingeschränkter Partizipation, noch kann den Regeln eines bestimmten Commons Allgemeingültigkeit bescheinigt werden. Spricht man über Commons, löst mensch die Betrachtung vom Gut und fokussiert auf die Produktionspraktiken, die klarer, kontextabhängiger Regeln bedürfen, um zu einer bedarfsorientierten Wirtschaft zu kommen. Eine Mehr-Produktion mit dem Ziel der Gewinnmaximierung steht der Idee der Commons diametral entgegen.
An die Stelle hierarchischer Entscheidungsstrukturen tritt ein plebiszitärer Bottom-up-Prozess, bei dem das alles überragende Mantra eine von allen Teilnehmer*innen empfundene Fairness ist. Diese empfundene Fairness kann und muss für jedes Produkt, Gut oder jede Dienstleistung im konkreten Fall von der entsprechenden Gruppe ausgehandelt werden. Der Prozesscharakter tritt in den Vordergrund. Deshalb wird in der einschlägigen Literatur mittlerweile häufig der Begriff des Commoning verwendet, um den sozialen Prozess hervorzuheben.
Dadurch erscheint Commoning vermehrt als ein fluider und wandelbarer Prozess, welcher genug Raum lässt, auf sich ändernde Lebens- und Umweltzustände reagieren zu können. Dabei wird klar, dass das Ergebnis stark von individuellen Teilnehmer*innen abhängig ist und beeinflusst wird, da der Fokus auf den wirklichen Bedarf kleinerer Gruppen gelegt wird. Teilnehmer*innen sind somit herausgefordert, sich ihrer eigenen Bedürfnisse bewusst zu werden, denn eine Werbungsinstanz ist im Commoning nicht vorgesehen. Eine solche Entwicklung trägt die Möglichkeit in sich, einen Transformationsprozess in Gang zu setzen, in welcher der Mensch nicht vordergründig als Konsument*in, sondern vielmehr als Mitgestalter*in seiner*ihrer direkten Umwelt auf den Plan tritt.
Wir sollten Commoning als eine Möglichkeit und Einladung verstehen, uns aktiv mit unseren Mitmenschen auszutauschen, uns auf sie einzulassen, um gemeinschaftlich Projekte für uns zu schaffen. So kann neben einer grundlegenden und materiellen auch eine soziale Bedürfnisbefriedigung erreicht werden: Ein gutes Leben – für alle.