Das haben wir gebraucht: Eine Wiederholung der BP-Wahl. Die vom Verfassungsgerichtshof entschiedene Neuwahl ist ein Zeichen, demokratiepolitische Prozesse aus der Schlamperei österreichischen Rechtsempfindens in ein neues, demokratisch zu beackerndes Feld zu führen. Auch wenn keine Wahlfälschung festzustellen war und auch wenn das die beanstandeten Pfuschereien nichts am Ausgang des knappen Wahlergebnisses geändert haben – der unprofessionelle Umgang mit demokratischen Selbstverständlichkeiten wie der Auszählung der Briefwahlstimmen weisen auf Versäumnisse hin, wirft ein bedenkliches Licht auf Entscheidungen und Mauscheleien in kleinen Gemeindestuben, wo man entweder aus Gemütlichkeit oder auch angestachelt von Bedrohungsszenarien (z. B. Flüchtlinge) eigenhändig das Wahlrecht umdeutet.
Wir haben das gebraucht – auch nach der britischen Entscheidung zum Exit – um zu sehen, wohin populistische Politikpanikkampagnen führen. Die Frage ist nur, ob die Botschaft auch ankommt. Dass nun ausgerechnet die FPÖ mit ihrer Wahlanfechtung als demokratiepolitischer Garant für »die kleinen Leute« die Bühne beherrscht, um in die Startlöcher einer Umgestaltung demokratischer Entscheidungsprozesse zu treten, ist eigentlich ein Hohn. Wie fern ist die Erinnerung an die Ereignisse um die Hypo-Alpe Adria, die unsere Enkelkinder noch lange finanziell belasten werden? Wie wenig ist im Bewusstsein verankert, dass es sich um eine Partei handelt, der es schwer fällt, sich von den Gräueln der Nazizeit zu distanzieren und die sich mit den Marien Le Pens, Orbans und allen Rechten in der Europäischen Union verbündet und Morgenröte wittert?
»Vor der Morgenröte«, der Film über Stefan Zweig, zeigt die subtilen Auswirkungen solch einer verharmlosenden Zeitgeschichte. Hinterher ist immer zu spät. Aber blicken wir nach vorne: Die Wiederholung der Bundespräsidentenwahl ist zwar gerecht, aber ein unwahrscheinlicher Kosten- und Ressourcenaufwand. Viele werden dieses Mal zu Hause bleiben und schwächen somit die demokratische Entscheidungsfindung, viele werden sagen: »Die [die ›Hofers‹] haben etwas bewirkt«, und viele, hoffentlich viele, werden sagen, jetzt recht erst links. Es geht um eine Weggabelung unserer Zukunft.
Ja, und dass ausgerechnet eine anfangs als Buberlpartie in Kärnten aufmischende FPÖ, eine extrem fundamentalistische und feminismusfeindliche Partei sich jetzt als staatsproduzierend demokratisch gibt (mit einem Burschenschafter als Staatsoberhaupt?), die den kleinen Leuten den Weg nach vorne weist? Da haben sich die Menschen schon einmal vernichtend geirrt, die Geschichte ist ein Zeugnis. Europa hat uns den längsten Friedensprozess beschert, undenkbar für die Jüngeren, was Frieden heißt.