2019: DIE LETZTE DEMOKRATISCHE ÖH-WAHL?: The Future is Unwritten

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Wir schreiben das Jahr 2021. Eine ÖH-Wahl steht an, doch diesmal ist alles anders: Kein absurdes Getümmel vor dem Audimax-Eingang, kein Wald aus Plakat­ständern, größere Demonstrationen und Proteste sind zuletzt ausgeblieben. Zuvor hat die Regierung Zugangsbeschränkungen in allen Fächern eingeführt, die Studienge­bühren sind kaum noch leistbar und die ÖH hat ihr allgemeinpolitisches Mandat verlo­ren. Während draußen das Betteln verbo­ten ist, diskutiert die Regierung drinnen die Einführung einer allgemeinen Schwei­nefleisch-Pflicht.

Im ÖH-Wahlkampf: Debatten darüber, wie effektivere Zugangsbeschränkungen eingeführt werden können, wie viel Klopa­pier am Juridikum verfügbar ist und die größte Kontroverse unter den verbliebenen »Service«-Fraktionen ist, wer das glaub­würdigste Bild einer vermeintlichen »Elite« auf Social Media abgibt.

Der Weg in die Dystopie

Als Schwarz-Blau 2017 an die Macht kommt, ist bald klar, dass nicht die Kleinig­keiten oberste Priorität haben: 12-Stunden-Arbeitstag, 60-Stunden-Arbeitswoche, Angriff auf die Verankerung der Arbeiter_innen-Interessen in Sozial- und Krankenversicherung und nicht zuletzt die gesetzliche und politische Infragestellung menschenrechtlicher und demokratischer Mindeststandards. Gemeinsam mit den rechtsextremen Kamerad_innen in immer größer werdenden Teilen der EU, denen der bereits vorherrschende rassistische und letztlich mörderische Normalzustand noch nicht weit genug geht.

Salami-Taktik

Im Schatten medialer Schein- und Ablen­kungskampagnen steigt im Vorfeld der diesjährigen ÖH-Wahlen der Druck auf die gesetzlichen Studierendenvertreter_innen. Diese sind denselben ökonomischen Bedin­gungen und dem gleichen Leistungszwang unterworfen, wie die allermeisten Studie­renden. Das heißt letztlich: Kaum ein Stu­dierender, kaum eine Studierende kann ohne eine zusätzliche Lohnarbeit das Leben bestreiten, zumeist unter äußerst prekären Bedingungen. Politische Tätigkeiten im Rahmen der ÖH – gleich auf welcher Ebene – sind hiervon nicht ausgenommen. Was gesetzlich als »Aufwandsentschädigung« für die Tätigkeit als Studierendenvertre­ter_in definiert ist, bedeutet in manchen ÖH-Funktionen einen Stundenlohn, der den Vorstellungen des Innenministers für die »Entlohnung« von zur Arbeit gezwungenen geflüchteten Menschen entspricht. In bei­den Fällen: Es wirkt, als ob die gesellschaft­liche Verrohung und Kommerzialisierung jedes Lebensbereiches die Sensibilität und lautstarke kollektive Empörung schwinden lässt. Im ÖH-Kontext herrscht vorsichtiges Abwarten (bis masochistisches Entgegen­kommen) angesichts der durch Regierungs­kreise forcierten massiven Kürzung der Aufwandsentschädigungen. Die Sorge vor dem Spin verstellt den Blick auf den nächs­ten Schritt, die Abschaffung der Pflichtmit­gliedschaft und des allgemeinpolitischen Mandats der ÖH. Die Folge wäre eine geschrumpfte und zahnlose, von Standes­dünkel geprägte Institution – innerhalb derer das Eintreten für Menschlichkeit, die Förderung der Zivilgesellschaft und letzt­lich auch die Kritik des Wissenschaftsbe­triebes zum juristischen und finanziellen Risiko werden.

Europäischer Klimawandel

Im Jahr 2000, als die erste schwarz-blaue Regierung angelobt wurde, war die interna­tionale Entrüstung über den Tabubruch der Konservativen noch unübersehbar. Die rechtsextrem durchsetzte Regierung in Wien wurde im diplomatischen Kontext gemieden, das sich mehrheitlich selbst als irgendwie liberal verstehende EU-Ausland distanzierte sich scharf. 2019 ist das Modell des damaligen Schandflecks zum Normal­zustand geworden. Ungarn, Italien, Polen und Österreich sind die Stützpfeiler einer immer stärker werdenden Achse, die die frühere Doktrin eines möglichen EU-Aus­tritts im nationalen Sinne durch ein ande­res Projekt ersetzt hat: Der Erlangung einer autoritär-neoliberalen und immer rassisti­scheren Hegemonie innerhalb der EU-Insti­tutionen. Dabei haben diese Einrichtungen bereits unter konservativ-sozialdemokrati­scher Führung erste Testläufe der Austeri­tätspolitik erfolgreich abgewickelt. Selbst in Spanien regt sich nur wenige Jahre nach leidvollen Erfahrungen in manchen Parla­menten wieder der Faschismus. Die Sparpo­litik hat die Gefahr derartiger Entwicklun­gen deutlich gesteigert. Ähnlich, wenn auch auf völlig anderer Ebene, verhält es sich mit den Studienbedingungen und dem politischen Engagement an den Unis.

Donnerstag und Freitag

In einem Umfeld, in dem die Studien- und Lebensumstände sich für den allergrößten Teil der Studierenden immer weiter ver­schlechtern, ist es nicht überraschend, dass der Raum für eine Kritik der Verhältnisse und für politisches Handeln enger wird. Auch in anderen gesellschaftlichen Berei­chen vollzieht sich diese autoritär-neolibe­rale Wende mit immer größerer Wucht. Doch die Konsequenzen sind an den Hoch­schulen – die in der Vergangenheit als Labore gesellschaftlicher Veränderung einen größeren Freiraum genossen – stär­ker zu spüren. Ungeachtet dessen gibt es Widerstand, sei es auf den Straßen oder in der ÖH. Dass jede Woche am Donnerstag ein bunter und vielfältiger Demonstrations­zug durch Wien zieht und dass sich Schü­ler_innen gegen die Folgen der kapitalisti­schen Zustände für die Umwelt wehren, ist ein Ausdruck und deutlich wahrnehmbares Zeichen eines notwendigen emanzipatori­schen Aufbegehrens. Damit diese und andere Formen des Protests möglich sind, benötigt es neben der politischen Aktivität von Einzelnen jedoch auch institutioneller Unterstützung. Der maßgebliche Anteil davon kam in den vergangenen Jahren – und mittlerweile Jahrzehnten – von der ÖH bzw. vor allem von der ÖH Uni Wien, deren Politik von einer Zusammenarbeit von VSStÖ, GRAS, KSV-LiLi und den linken Basisgruppen geprägt ist.

Keine Angst für niemand

Die Fortsetzung der Unterstützung zivilge­sellschaftlicher Proteste einerseits und die Verteidigung der Handlungsmöglichkeiten der ÖH andererseits hängen also letztlich zentral vom Ausgang der ÖH-Wahlen im Mai ab. Dabei gilt es, sich von der ausufern­den gesellschaftlichen Angst angesichts des Verwertungsdrucks, der menschenverach­tenden Politik der Regierung und der Kom­merzialisierung aller Lebensbereiche nicht lähmen zu lassen.

Gelesen 6764 mal Letzte Änderung am Mittwoch, 15 Mai 2019 14:20
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