»haring & the trouts« ist eine queer-feministische Country Rock Band, die 2010 in Graz von Sol Haring und Kordula Knaus gegründet wurde. Am Volksstimmefest sind sie am Sonntag auf der Jura Soyfer Bühne live zu erleben.
Heide Hammer im Interview mit Sol Haring
Wie kommen die Forellen in den Bandnamen? Wie kam es zur musikalischen Entscheidung? Als Profi-Musikerinnen steht euch vieles offen und auch die politische Notwendigkeit der Aneignung Dude-dominierter Genres ist überaus vielfältig. Warum passen eure queer-feministischen Texte so gut zur Folk-Musik?
SOL HARING: Ich wollte immer ein Sideproject »Country Band« zu meiner Band supernachmittag (mit Anita Peter Mörth), und ich wollte einmal einen Bandnamen, der meinen Nachnamen mit einem »and the XYZ« weiterführt. Nachdem ich Haring heiße (im Hochdeutschen ist das der Hering) passen die Forellen zum Fisch, so wurden wir zu »haring & the trouts« (Forellen sind extrem musikalische Fische).
Diese ironische Note in unserem Bandnamen spiegelt sich auch in unserer Aneignung des Country-Genres. Country ist historisch gesehen die Musik der US-amerikanischen Arbeiter*innenklasse. Das Genre wird heute stark als weiß, konservativ, heteronormativ etc. angesehen. Kordula sagt, es ist interessant, es gegen den Strich zu bürsten.
Wir sind Feministinnen und die Themen unserer Songs entspringen unserer Lebenserfahrung. Unser Sex, Drugs & Rock’n’Roll ist mehr: Sex & Gender Bender, wir sind Akademikerinnen (Dr. Sol und Prof. Dr. Kordula, Dr. Jenny und Dr. Dipl.-Ing. Steffi), also viele Dr. Feel Goods mit kreativer Note! Wir kommen aus verschiedenen Ausbildungs- und Genre bereichen – theoretisch und musikalisch. Meine musiktheoretischen Kenntnisse sind rudimentär, das können aber die anderen sehr gut. Für’s Songwriting braucht’s keine Theorie, aber für ein Arrangement und für die »gemeinsame Sprache« als die Bandkommunikation ist das manchmal ganz gut. Die Mischung macht’s. Wir singen über die Schuhgröße 42, die ja für Frauen schon anständig groß ist. Alles was nicht in der Norm ist, nicht dem stereotypen Bild der Geschlechter entspricht, das zieht uns direkt an und daraus wird gleich ein Lied gemacht. Themen: diverse durchbrechende Genderrollen, trans/lesbische Liebe, Prostitution, Armut, Mord, Altern, Sport, Glaube, Mensplaining, die Menschenrechte und Doughnuts …
Magst du Dolly Parton? Gibt es Austausch mit Bands und Leuten, die etwas Ähnliches machen wie ihr?
SOL HARING: Weibliche Vorbilder haben wir eine Menge! (Susan) Tedeschi und Trucks, wenn es um Bandleading und Bühne geht; Joni Mitchell, Patti Smith legendär, historisch und schöne Alternsvorbilder; die Gitarristin Orianthi, wenn es darum geht, besser als die Männer zu spielen [Sol grinst]. Als Rückmeldung bekommt man: »Die spielt ja fast so gut wie ein Typ.« Tja, was könnte das bedeuten? Statistisch gesehen gibt es einfach viel mehr Gitarristen als Gitarristinnen und die fangen meist auch viel viel früher und mit viel Förderung an. Sie erleben früh, dass die Gitarre auch ein Mittel zur heterosexuellen Ordnung des Begehrens ist (Mann hat eine Gitarre und wird begehrt – er ist auf der Bühne, Frau ist die Rezipientin und beklatscht vor der Bühne). Also all dies steht dem im Weg, dass statistisch gesehen ganz viele Frauen gleich in den Teenagejahren zur Klampfe greifen könnten. Der Grazer Verein GRRRLS fördert Frauen in der Pop/Rockmusik – da wird Arbeit gemacht, sodass die typische Sängerin – als Frontfrau einer Männerband – sich auch an Gitarre oder Bass traut …
Ausnahmen sind Vorbilder: Dolly Parton ist ein Star, sie ist eine faszinierende Persönlichkeit, tolle Musikerin und eine Businessfrau – als Vorbild eignet sie sich gut! Ich persönliche liebe Bonnie Riatt und Emmylou Harris sehr. Lucinda Williams ist interessant. Die Mitglieder der Chicks (früher Dixie Chicks) sind wichtige Vorbilder. Musikalisch sind aber auch Männer Vorbilder, sie zeigen die Richtung im Genre, wir können uns daran entlang spielen oder die Genres durchbrechen, die Musik, die wir hören, beeinflusst uns, von Sun House, JJ Cale, The Band, Steve Earle über Tom Petty usw.
Aus dem Punk Rock kommend sage ich: Ich hab keine Angst vor Kitsch und wir wechseln uns ab beim »Schleicher« Schreiben, dazwischen wollen wir Songs zum Abtanzen komponieren. Ich habe früher fast immer alleine geschrieben, und jetzt macht es so richtig Spaß mit Kordula zusammen, sie ist strukturiert und strenger als ich, was das Melodische angeht, sie ist eine 1a Arrangeurin und bei mir geht’s um die Time (den Rhythmus – der muss sitzen, das ist aber gar nicht einfach zu viert oder zu fünft).
Euer erstes Album ist 2010 erschienen, gerade arbeitet ihr am zweiten mit dem vielversprechenden Namen virtual land. Worum geht es darin? Wendet ihr euch gar vom Country/Folk ab? Wird es elektronischer, psychedelischer?
SOL HARING: Es wird wieder folkig, countryesk, bissl poppig, das Virtuelle bezieht sich auf einige neue Songs mit Videos, die wir im Lockdown zusammen produziert haben – vor allem Kordula in Bayreuth und Wien, ich in Kärnten. Vielleicht würde hier ein QR Code zu unserem Youtube Kanal passen?
Inhaltlich geht es um historische Vorbilder, aber auch um Utopisches. Wie stellen wir uns eine Welt vor, in der ein gemeinsames Miteinander jenseits gesellschaftlicher Zwänge möglich ist? Es wird viele Songs mit Countrygrooves geben. Mehrere Songs setzen sich auch mit tollen Frauen* der Vergangenheit auseinander: etwa der Schulgründerin Eugenie Schwarzwald oder der in den 1920er und 1930er Jahren in Männerkleidern auftretenden lesbischen Bluessängerin Gladys Bentley. Frauen* also, die schon früher utopisch und jenseits von Normen gedacht und gelebt haben.
Gibt es verschiedene Bandzusammensetzungen? Ich habe euch mal mit dem Schlagzeuger Stefan Schreiner von der Band UR gesehen? Arbeitet ihr noch zusammen? Wie funktioniert ein Bandleben ohne gemeinsamen Ort? Bist du gerne Teil einer Gruppe? Einer Band?
SOL HARING: Mit Stefan Schreiner haben wir viel zusammen gespielt, es mangelte aber leider oft an der Zeit für gemeinsames Proben. Daraus hat sich eine Vierer Besetzung ergeben, da ist unser Multitalent Jenny Kremsner am Cajon. Wir haben Probewochenenden und freuen uns immer wahnsinnig auf ein Wiedersehen. Üben muss Frau aber zu Hause allein! Komponieren und Orga bleiben bei Kordula und mir (meist online).
Was schätzt du an der Konzertatmosphäre?
SOL HARING: Es ist aufregend, wenn das Lampenfieber nicht zu groß ist, ist das Livespielen lustig. Wir freuen uns schon sehr drauf – nach all den Lockdowns! Wenn das Publikum tanzt und bei (noch neuen) Liedern den Refrain mitsingt, ist das eine schönes Gefühl.
Für die Wiener linke Szene ist das Volksstimmefest ein Fixpunkt. Hier treffen sich zum Sommerausklang traditionell alle und auch die Redaktion der Volksstimme hat sich schon oft und ganz naiv gewünscht, es mögen doch zumindest alle Festbesucher*innen überzeugte Kommunist* innen sein. Am 26. September wählt Graz. Wie hältst Du es mit der steirischen KPÖ?
SOL HARING: Die steirischen Kommunist*innen mit Elke Kahr habe ich (in meiner Grazer Zeit) gewählt.
haring & the trouts
➜Volksstimmefest: Sonntag, 17:15 Uhr - Jura Soyfer Bühne