Warum das verpflichtende Pensionssplitting nur auf den ersten Blick mit Feminismus zu tun hat.
Von Hilde Grammel
In der besten aller Welten haben alle Menschen eine zum Leben reichende Pension, unabhängig, ob Frau oder Mann (beides ohne und mit *), mit einem Pensionsantrittsalter, das der Tatsache Rechnung trägt, dass auch junge Menschen einen Arbeitsplatz brauchen.
Doch wir leben nicht in der besten aller Welten. Wir haben ein Sozialsystem, das Männerarbeit so bewertet, dass sie eine entsprechende Pension generiert und Frauenarbeit nur dann, wenn sie gleichzeitig auch Lohnarbeit ist. Aufgrund der Zuständigkeit von Frauen für die Reproduktion der Gattung und die ihnen aufgrund dessen gleich mit aufgebürdeten Sorgearbeiten auf der ganzen Linie (Verantwortung für die Erziehung der Kinder, Zuarbeiten zum Funktionieren des Schulsystems, Sorge um das körperliche und geistige Wohl der*des im gleichen Haushalt lebenden Partners*in, Betreuung pflegebedürftiger Angehöriger usw.) sind Frauen nicht durchgängig erwerbstätig oder lohnarbeiten oftmals nur Teilzeit. Daraus ergeben sich entsprechend niedrige Pensionen und eine hohe Altersarmut von Frauen. So weit, so schlecht.
Ein gender-blinder Sozialstaat trifft auf Türkis-Grün
Das Sozialsystem ist nicht nur sexistisch, es ist auch klassistisch und rassistisch. Das heißt, es bewertet geleistete Arbeiten, unabhängig davon, wie wichtig sie für die Gesellschaft sind, höchst ungleich. Während die einen sich von einem unverhältnismäßig hohen Einkommen private Zusatzpensionen leisten können, werden die anderen so schlecht bezahlt, dass sie zwar ihr ganzes Leben geschuftet haben, ihre Pensionen dennoch kaum zum Leben reichen. Das Frauenprogramm der KPÖ bringt es folgendermaßen auf den Punkt: »Während die Produktion und Verteilung der Waren und Dienstleistungen gesellschaftlich organisiert ist, wird die Wiederherstellung der Arbeitskraft – individuell und über die Generationen – größtenteils in privater Form geleistet. Dennoch ist auch diese Reproduktionsarbeit Teil der kapitalistischen Ausbeutung, denn solange sie hauptsächlich unentgeltlich geleistet wird, bleiben die Kosten der Arbeitskraft für das Kapital entsprechend niedriger.« Das bleibt in den ganzen Debatten unterbelichtet: Wem nützt – tiefengesellschaftlich gesehen – die unbezahlte Frauenarbeit?
Inzwischen hat es sich auch bis in die Reihen der Entscheidungsträger*innen herumgesprochen, dass einerseits die Ehe nicht mehr das einzige Lebensmodell ist und dass andererseits Frauen pensionsrechtlich extrem benachteiligt werden, was sie nicht länger hinzunehmen bereit sind. Abhilfe soll da das »verpflichtende Pensionssplitting« schaffen. Doch was zunächst feministisch und geschlechtergerecht klingt, ist in Wahrheit ein Sparprogramm. Insofern entspricht das verpflichtende Pensionssplitting den programmatischen Leitlinien der beiden Regierungsparteien: Während der feministische Anstrich und das Wording die Grün-Wähler*innen bedienen, trägt der damit verbundene Sparkurs die Handschrift der Türkisen.
Was ist verpflichtendes Pensionssplitting?
Die Details des Gesetzes werden gerade verhandelt – soweit das Corona-Krisenmanagement Zeit dafür lässt –, fix ist bisher nur, dass das Pensionssplitting automatisiert werden soll und dass Väter und Mütter ihre Pensionsleistungen verpflichtend aufteilen müssen, solange die Kinder klein sind, d. h. bis zum zehnten Lebensjahr eines Kindes. Diese Möglichkeit gibt es bereits jetzt, nur ist sie freiwillig. Die Idee fand nicht den Anklang, den die Politik sich erhoffte – 2019 waren es gerade mal 639 Paare, die davon Gebrauch gemacht haben. In 95 Prozent der Fälle sind es die Väter, die ihre Pensionszeiten an die Mütter ihrer Kinder übertragen. Ab nun soll das Opting-out (die Abwahl der Option des Splittings) beantragt werden müssen, das automatische Splitting der Regelfall sein. Das bisherige Pensionssplitting war außerdem nur bis zum siebten Lebensjahr eines Kindes vorgesehen, jetzt soll es bis zum zehnten Lebensjahr gelten.
Wo liegen die Tücken?
Auf den ersten Blick klingt Pensionssplitting selbstverständlich und fair. Auf den zweiten Blick wird ersichtlich, dass die Honorierung der unbezahlten Frauenarbeit auf die jeweiligen Partner*innnen geschoben wird, d. h. es geht nicht um eine Leistung, zu der sich die gesamte Gesellschaft verpflichtet hätte, etwa weil sie findet, dass Frauen von ihrem Partner unabhängige, eigenständige Personen sind, sondern um ein innerfamiliäres Arrangement.
Wenn Frauen bis zum zehnten Lebensjahr eines Kindes – bei mehreren Kindern entsprechend länger – dem Arbeitsmarkt fernbleiben, haben sie es umso schwerer, wieder auf diesem Fuß zu fassen. Abgesehen davon arbeiten Frauen danach ohnehin oftmals nur Teilzeit, da dieses Arrangement auch stillschweigend annimmt, dass die Familienarbeit dennoch von ihnen zu erledigen ist.
Ein weiteres Problem ist, dass niedrigverdienende oder sozial benachteiligte Paare um ihnen zustehende Pensionsleistungen umfallen. Wie das? Bekommt die Frau mittels Splitting eine Gutschrift auf ihr Pensi-onskonto und hat später trotzdem so wenig Pensionsanspruch, dass sie nur die Ausgleichszulage (ab 1.1.2021: 1.000 Euro/ Monat) bekommt, wäre für sie nichts gewonnen, ihr Partner aber würde künftig eine geringere Pension erhalten, weshalb sich das zur Verfügung stehende Familieneinkommen, auf das gerade Menschen mit geringen Einkommen angewiesen sind, verringert.
Aus diesem und anderen oben erwähnten Gründen halten die ÖGB-Frauen das Pensionssplitting für ungeeignet, die Altersarmut von Frauen wirksam zu bekämpfen. Um Frauenpensionen sofort zu erhöhen, fordern sie eine faire Anrechnung von Kindererziehungszeiten, auch von bereits in der Vergangenheit erworbenen, und zwar für jenen Elternteil, der diese Arbeit geleistet hat. Das würde u. a. auch die fast 300.000 Alleinerziehenden nicht leer ausgehen lassen. Denn diesen bringt das Pensionssplitting genau nichts. Das heißt, dieses Modell begünstigt in (ehelicher und anderer) Partnerschaft lebende Personen. Künftig sollen Frauen sich also grundsätzlich einen Partner suchen und nicht alleine leben wollen, andererseits sollen sie ein Auge darauf haben, wieviel der*die Auserwählte verdient, denn nur dann ist auch genug zum Splitten da.
Kein ›Nach vorne in die Vergangenheit‹
Das alles klingt nicht wie Zukunftsmusik, sondern wie ein Rückschritt in vergangene Zeiten, als Frauen noch darauf angewiesen waren, »eine gute Partie« zu machen, um existenziell abgesichert zu sein. Menschenwürdig war das aber nicht. Daher darf Pensionssplitting nicht verpflichtend werden, sondern muss – wie bisher – freiwillig bleiben. Frauen, die es in Anspruch nehmen wollen, deren gutverdienende Partner ihnen das aber verweigern, sollten ihren Anspruch unbürokratisch geltend machen können. Am besten sie machen es bei der Eheschließung oder Verpartnerung geltend, allerspätestens aber bei der Geburt eines gemeinsamen Kindes.
Hilde Grammel ist Mitfrau im Bundesvorstand und der Wiener Stadtleitung der KPÖ, außerdem Feministin seit über 40 Jahren. Sie schreibt auch für Aktiv leben, die Zeitung des ZVPÖ.