Die Berichterstattung der österreichischen Medien zur Europawahl hat einen gravierenden Makel. Gleich ob Boulevard, öffentlich-rechtlicher Rundfunk, sogenannter Qualitätsjournalismus oder liberaler Blätterwald – eine der sieben antretenden Parteien wird schlicht ausgeblendet.
KLEMENS HERZOG skizziert einen demokratie politischen Skandal ohne Widerhall.
Am 24. April gab die Bundeswahlbehörde bekannt, dass insgesamt sieben Listen auf dem Stimmzettel der Europawahl stehen werden. Neben den sechs Parlamentsparteien steigt auch die KPÖ PLUS mit Katerina Anastasiou in den Ring. Während Medien Behördenangaben im Regelfall blindlings wiedergeben, lassen sie in diesem Fall etwas mehr Kreativität walten. In Berichten und Sendungen zur Europawahl ist durch die Bank nur von sechs antretenden Parteien die Rede. Es ist ein quasi kollektiver Ausschluss einer Liste aus der Berichterstattung und dem demokratischen Wettbewerb der Ideen.
Jeder gegen Jeden?
Unter dem Titel »Jeder gegen Jeden« lud der Privatsender PULS 4 Ende April zur Hauptabendzeit zum Duell der »sechs« SpitzenkandidatInnen. Vergeblich suchte man jedoch die siebente Spitzenkandidatin. Auch bei den Wahlkonfrontationen im ORF, auf ATV, OE24TV und Servus TV das gleiche Bild: eine Kandidatin fehlt. Über hundert TV-Sendungen und Duelle laufen nach diesem exklusiven Schema ab. Auch im Zeitungsbereich spielt sich Vergleichbares ab. So titelt Wolfang Fellners Boulevardblatt, »EU-Wahl: Alle Kandidaten im Österreich-Check«, ohne die siebte Kandidatin abzubilden oder gar zu erwähnen. Es sind dies nur wenige Beispiele von unzählbar vielen – der Ausschluss der radikalen Linken zieht sich wie ein roter Faden durch die Berichterstattung und Einladungspolitik zu Diskussionen. Die andauernde Wiederholung, das mediale Trommelfeuer des Immergleichen prägt die kollektive Wahrnehmung. Am Wahltag werden wohl nicht wenige überrascht sein, am Stimmzettel eine siebte Liste vorzufinden.
Demokratie passt nicht ins Konzept
Nachgefragt bei den Verantwortlichen hört man meist die gleiche Antwort: Es werden nur Parteien berücksichtigt, die bereits im Europaparlament oder im österreichischen Nationalrat vertreten sind. Wenn man nun aber wissen will, WARUM dieses Kriterium überhaupt relevant sein soll, herrscht meist Funkstille; oder es heißt »Machen die anderen auch so« – »War schon immer so« – »Ist halt so«.
Drei bemerkenswerte Antworten sollen an dieser Stelle herausgegriffen werden. So gibt der Chefredakteur der Wiener Zeitung auf die Frage hin, wieso im Wahlhelfer nicht alle antretenden Parteien berücksichtigt wurden, zu bedenken: »Inhaltlich war das nicht immer zielführend, weil natürlich nicht alle Klein- und Kleinstparteien ein ausgereiftes und detailliertes europapolitisches Programm haben. Tatsächlich haben diese Kleinparteien dann auch stets die Orientierung für die Bürger als Ergebnis des Wahlhelfers beeinträchtigt«. Sonderlich viel traut man der WählerInnenschaft offenbar nicht zu. Sechs Listen sind zumutbar, eine Siebte jedoch schon überfordernd?
Von PULS4 kam die Begründung: »Die Planung einer so umfangreichen TV-Sendung beginnt nicht erst 20 Tage davor [Anm.: Frist, zu der die Kandidaturen eingereicht werden], sondern sollte zu diesem Zeitpunkt bereits großteils abgeschlossen sein«. Leider passt die Demokratie nicht in das Sendungskonzept. Schade.
Originell auch die Begründung aus dem Verbindungsbüro des Europäischen Parlaments in Österreich, das in Zusammenarbeit mit der Universität Wien eine Podiumsdiskussion mit »allen« sechs SpitzenkandidatInnen organisiert: »Eine Festlegung der PodiumsdiskutantInnen im Vorhinein ist bei jeder Veranstaltung aus Gründen der Organisation, insbesondere der immanenten zeitlichen Beschränkungen, notwendig.« Und Zeit ist bekanntlich Geld.
Demokratiepolitisch ist dies höchst bedenklich. Denn wer die Hürde auf den Stimmzettel nimmt, ist rechtlich wählbar. Das gilt für die KPÖ gleichermaßen wie für alle anderen Parteien. Ob eine Partei auch moralisch und inhaltlich wählbar ist, haben die Wähler und Wählerinnen zu entscheiden. Nicht die Chefredaktionen und VeranstalterInnen von Podiumsdiskussionen. Man kann nun die teils hanebüchenen Rechtfertigungen für den Ausschluss zur Kenntnis nehmen, oder man hält es mit Noam Chomsky, der postulierte: »Der schlauste Weg, Menschen passiv und folgsam zu halten, ist, das Spektrum akzeptierter Meinungen strikt zu limitieren, aber innerhalb dieses Spektrums sehr lebhafte Debatten zu erlauben.«