So lautet die Kopfzeile von Notaren, wenn sie einem Kreis von Erbberechtigten eröffnen, dass das Eigentum eines Verstorbenen zu verteilen ist. Eine intime Sache, wie es den Anschein hat, und gleichzeitig die Perpetuierung und Verstärkung der ungleichen Reichtumsverteilung. Julia Friedrich hat in ihrem Zeit-Artikel »Eine Klasse für sich« im März 2015 brisantes enthüllt: 250 Milliarden macht geschätzt das Erbschaftsvolumen in einem Jahr allein in Deutschland aus.
»In Wahrheit aber ist das Erben alles andere als privat, und es ist höchst ungehörig, darüber zu schweigen. Denn dieser intime Akt, der sich Jahr für Jahr tausendfach wiederholt, wird Deutschland verändern. Das nächste Jahrzehnt wird die Dekade der Erben: In den Vermögensabteilungen der Banken, wo man am eifrigsten solche Prognosen erstellt, rechnet man damit, dass zwischen zwei und vier Billionen Euro weitergereicht werden, also zwischen zweitausend und viertausend Milliarden. (Zum Vergleich: Griechenlands Schulden belaufen sich auf 320 Milliarden.) Ein Vermögenstransfer, wie er in Deutschland noch nie vorgekommen ist.«
Thomas Piketty hat in seinem Standardwerk »Das Kapital im 21. Jahrhundert« akribisch die Zahlen für Frankreich zusammengetragen und kommt zu der Erkenntnis, dass Erbschaften das BIP bereits weit überragen und damit eine Situation wie vor dem ersten Weltkrieg entsteht.
Die ÖVP verhindert standhaft, dass über vernünftige Erbschaftssteuern überhaupt nur geredet wird ...
Für Österreich gibt es, wen wundert's, praktisch keine Zahlen. Die ÖVP verhindert standhaft, dass über vernünftige Erbschaftssteuern überhaupt nur geredet wird, im OECD-Vergleich liegt Österreich was Besteuerung von Reichtum und Erbschaft betrifft im letzten Viertel. Wenn man davon ausgeht, dass, wie in vielen Parametern für Österreich zu Deutschland in etwa ein Faktor zehn anzuwenden ist, dann werden in Österreich Jahr für Jahr ca. 25 Milliarden Euro vererbt.
Ein Lehrer von Thomas Piketty, der Ökonom Anthony Atkinson konstatiert für die britische Gesellschaft eine extrem gefährliche Zunahme der Ungleichheit, ein Zusammenbrechen der Mittelschicht, was selbst die herrschende Zweidrittel-Gesellschaft nicht mehr als haltbar erscheinen lässt, wie in einem Artikel der deutschen Wochenzeitschrift »Die Welt« im August 2016 analysiert wurde.
Atkinson hat auch unkonventionelle Vorschläge parat, die durchaus Kampagnenfähigkeit haben. Beispielsweise schlägt er eine »Erbschaft für Alle« vor. Gespeist aus einer Erbschaftssteuer spricht er sich dafür aus, dass jedem und jeder im Alter von 18 Jahren eine Volkspension ausbezahlt wird, mit der sie oder er sich Ausbildungen finanzieren kann, ein Start-Up-Unternehmen (mit-)gründen könnte, eine Reise tun oder vieles mehr.
Auf Österreich umgelegt bedeutet das: Geht man von der geschätzten Summe von jährlich vererbten 25 Milliarden Euro als Mindestmaß aus (die auch Studien z. B. der WU Wien für die nächsten Jahre und Jahrzehnte für wahrscheinlich erachten) und würde davon eine progressive Erbschaftssteuer samt Freibetrag für Familienerbschaften eingehoben, dann könnten Jahr für Jahr an die 2,5 Milliarden Euro an 18-Jährige ausbezahlt werden. Bei höherer Dunkelziffer und höheren, gestaffelten Steuersätzen sogar noch wesentlich mehr. Für 2016 lag die Zahl jener, die innerhalb eines Jahres in Österreich volljährig wurden, bei unter 100.000.
Mit einer sozial verträglichen Erbschaftssteuer könnte jeder Person, egal wie ihre sozialen Verhältnisse sind, mit 25.000 bis 50.000 Euro ein solider Start ins Erwachsenenleben gewährt werden.
Es ist erstaunlich: Mit einer sozial verträglichen Erbschaftssteuer könnte jeder Person, egal wie ihre sozialen Verhältnisse sind, mit 25.000 bis 50.000 Euro ein solider Start ins Erwachsenenleben gewährt werden. Es braucht dann keine paternalistischen Überlegungen zur »Generation What?«. Die Menschen selbst würden über ihren weiteren Weg bestimmen und obendrein würden Milliarden, die jetzt im Berg der Ungleichheit einfach nur angehäuft werden, in den wirtschaftlichen Kreislauf investiert werden.
»50.000 Euro für JEDE und JEDEN 18-Jährige(n)« wäre eine Losung, die direkt unter dem Motto »Die Ängste der Bevölkerung ernst nehmen« fallen würde. Schon die Forderung ist dazu angetan, dass sehr transparent wird, wie groß der Reichtumsunterschied ist.
Bisher wurden Vorschläge wie dieser von der Linken und den Gewerkschaften oft misstrauisch zerpflückt und abgelehnt. Nicht zuletzt wegen dem kuriosen Dogma, »(Lohn-) Arbeit für alle« fordern zu wollen. Ich lade alle ein, gemeinsam eine Kampagne für ein »Gesellschaftserbe« zu entwickeln. Damit kann viel einfacher, an den Ängsten der Bevölkerung ansetzend, eine Handlungsoption entwickelt werden, als dem Rassismus immer größer werdenden Teile der Menschen nachzugeben.
Kurto Wendt ist Romanautor und Medienbeobachter, politischer Aktivist und Gewerkschaftsfunktionär. Sein aktueller Roman »Das Ende der Jagd«, der sich ebenfalls mit dem Thema Erben befasst, ist im Zaglossus-Verlag erschienen.
»Das Ende der Jagd«, Kurto Wendt, 270 Seiten, Zaglossus-Verlag