Orig. Foto: Markus Hametner CC BY 2.0 / Flickr
Unfrisierte Anmerkungen zur Stimmung vor der kommenden Nationalratswahl. Von Mirko Messner.
Von Mirko Messner, zitiert aus der Volksstimme No. 6 Juni 2017
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Der Boulevard hat sich auf das Design des kommenden Wahlkampfs geeinigt: Kurz gegen Kern. Gekämpft wird mit Schreckschusspistolen, ernsthafte Verletzungen sind nicht vorgesehen. Den Sekundanten für beide macht Strache. Vielleicht wird er sich aussuchen dürfen, mit welchem der beiden er danach davonzieht, vielleicht wird er von einem der beiden auserwählt. Kurz oder Kern – Strache wird auf jeden Fall mitgewählt.
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Je stärker der allgemeine Rechtstrend, umso schwächer die Unterscheidbarkeit der im Parlamentsparteien (jüngster jämmerlicher Ausdruck dessen: das parteiübergreifende Wehklagen über den vom rachedurstigen Erdogan betriebenen Ausschluss Österreichs aus NATO-Strukturen. Nicht ein Satz der Kritik in den Medien an Vertretern des »an sich« zur Neutralität verpflichteten Staates und seiner Anbindung an ein kriegsgeiles Militärbündnis). Stammt die Idee, die Wettbewerbsfähigkeit in der Verfassung zu verankern, von den Neos, von der ÖVP – oder doch von der Kern-SPÖ? Stammt die Absicht, die Klassenschülerhöchstzahl aufzugeben, aus einer SPÖ- oder ÖVP-Denkschule? Ist die im Regierungsübereinkommen hingefetzte Absicht, der Investorengemeinde den Zugriff auf den sozialen Wohnbau zu erleichtern, dem Plan A von Bundeskanzler Kern entsprungen oder dem Forderungskatalog eines Vereins der Freunde des Finanzmarkts? Verfügt die FPÖ noch über das Copyright für die reaktionäre Asylpolitik oder haben es sich eh schon ÖVP und SPÖ angeeignet? … Rhetorische Fragen.
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Die europäische Generallinie – neoliberaler Sozialabbau – wird hierorts auf österreichische Art umgesetzt, scheibchenweise & konsequent. Die Stimmung im Land: Um Himmelswillen, es soll nicht schlimmer werden, und vor allem soll es nicht mich treffen. Doch auch die Zahl jener, die es schon getroffen hat, wird größer; die sich fragen müssen, wie sie den kommenden Tag über die Runden bringen. Die der Sozialdemokratie aus Erfahrung nicht mehr glauben. Die immer weniger Sicherheit verspüren, je lauter die Sicherheitspropaganda wird. Die Enttäuschten.
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Die Spatzen pfeifen es von den Dächern: Die europäische Generallinie, die Tendenz zu ihrer autoritären Umsetzung – politisch getragen von den bürgerlichen und sozialdemokratischen Konservativen und Liberalen – schafft in vielen Ländern die Voraussetzungen für die Entfaltung der Rechtsextremen. Die österreichische Spezialität: Unsere Nationalisten, genauso rechtsextrem und Xenophobie verbreitend wie andere anderswo auch, sind Deutschnationale in österreichischem Gewand. SPÖ und ÖVP wollen die FPÖ-Konkurrenz schwächen, indem sie sich assimilieren. Die Zahl der über diese Rechtsentwicklung Besorgten nimmt zu.
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Die Enttäuschten und die Besorgten: Die zusammenzubringen, auch in einer starken politischen Repräsentanz, vor dieser Aufgabe steht die gesellschaftliche Linke in Österreich. Ob und wie sie – einschließlich KPÖ – das begreift und praktisch umsetzen will & kann, ist in Diskussion. Wahlpolitische Übungen haben bereits stattgefunden.
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Die kommenden Nationalratswahlen können ein Zwischenschritt in diese Richtung sein. Die Vorziehung des Wahltermins um ein ganzes Jahr hat die Ansätze einer bundesweiten Wahlallianz in ihrer Entwicklung unter-, aber keineswegs abgebrochen. Die KPÖ hat fortschrittliche und sozial engagierte Menschen eingeladen – bzw. lädt sie ein –, auf ihrer offenen Liste zu kandidieren und gemeinsam Formen der Partizipation im Wahlkampf zu entwickeln: die linke Wahlallianz des derzeit Möglichen. Move your ass and your mind will follow. Oder propagiere zum allerallerallerletzten Mal das kleinere Übel, bleib sitzen auf deinem Arsch und bereite deine wiederkehrende Klage für die übernächsten Wahlen vor. Die Frage, die du dir dann stellen musst, ist allerdings: wie viele sind noch da, die mir zuhören? Es kommt eben auf den Bruch mit der Sozialdemokratie an; nicht darauf, sich ihren Kopf zu zerbrechen.